STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Marco Böhme (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/14080 Thema: Abschiebung mitsamt Familientrennung in Chemnitz Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Am 10.07.18 verurteile der Sächsische Flüchtlingsrat (SFR) die Brutalität in einer Chemnitzer Ausländerbehörde" (http://gleft.de/219). Demnach sollte am 09.07.18 eine tschetschenische Familie gemäß der Dublin-III-Verordnung aus der Ausländerbehörde Chemnitz abgeschoben werden. Als die Familie von dem Plan erfährt, verletzt sich die Mutter, die Polizei setzt Pfefferspray ein und hält die Mutter fest. Vater & Kinder werden abgeschoben. Laut SFR war der Ausländerbehörde bekannt, dass die Mutter psychisch erkrankt war. In Drs. 6/13672 antwortet die Staatsregierung auf Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, dass ,in der Regel Gelegenheit [besteht], in die Unterkunft zurückzukehren und dort das Gepäck zu packen und es mitzunehmen ' sofern denn eine Abschiebung während eines Behördenbesuchs geschieht." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie wurde die Familienmutter von der Polizei festgehalten und wer leistete Erste Hilfe? Die polizeilichen Maßnahmen fanden im Rahmen der Amtshilfe statt. Die Landesdirektion Chemnitz bat am 9. Juli 2018 gegen 06:30 Uhr um Unterstützung im Rahmen der Abschiebung der tschetschenischen Familie. Um 10:45 Uhr wurde mitgeteilt, dass sich die Familie in der Ausländerbehörde in Chemnitz befindet. Die Beamten begaben sich zur Umsetzung der Amtshilfe in die Räumlichkeiten der Ausländerbehörde. Die Familie war zu dem Zeitpunkt in zwei unterschiedlichen Räumlichkeiten untergebracht. Der Ehemann und die beiden Kinder befanden sich in einem Büro, die Ehefrau be- Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/42/196 Dresden, 9. August 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplälze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN fand sich mit einer Dolmetscherin in einem anderen Büro. Die beiden Polizeibeamten begaben sich jeweils einzeln in die Büros. Kaum hatte der Polizeibeamte das Büro betreten , zog die Ehefrau plötzlich und unvermittelt ein Küchenmesser (Klingenlänge ca. 20 Zentimeter) aus ihrer Tasche und fuchtelte wild mit diesem herum. Dabei zog sie sich eine Schnittverletzung am Unterarm zu. Um die bestehende Gefahr abzuwenden, erfolgte durch den Polizeibeamten der Einsatz von Pfefferspray. Die Erste -Hilfe -Maßnahmen nach dem Einsatz des Pfeffersprays wurden durch einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes geleistet, welcher für die Haussicherheit in dem städtischen Objekt zuständig ist, sowie durch den Polizeibeamten. Etwa fünf Minuten nach Einsatz des Pfeffersprays trafen die sofort verständigten Rettungskräfte vor Ort ein, welche in der Folge die medizinische Betreuung der Frau durchführten und die Einlieferung in ein Krankenhaus veranlassten. Frage 2: Inwieweit wurde hier nach Ansicht des Staatsministeriums des Inneren der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten? Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes des Pfeffersprays ist Folgendes auszuführen: Das Messer wurde durch die Ehefrau verdeckt getragen. Der Einsatz des Messers erfolgte für die Anwesenden plötzlich und völlig unerwartet. Von Anfang an war nicht klar erkennbar, was die Frau bezweckte. Es bestand die akute Gefahr einer Fremdund /oder Eigengefährdung. Das Büro hatte eine Größe von zwei mal zwei Metern. Die Frau wurde durch den Beamten mehrfach aufgefordert, das Messer abzulegen, reagierte darauf jedoch nicht. Sie wurde in der Folge immer aggressiver in ihrem Handeln und fuchtelte mit dem Messer wild herum. Letztlich verletzte sie sich sogar selbst nicht unerheblich. Zur Bereinigung dieser akuten Gefahrensituation war sofortiges Handeln, auch unter Anwendung von unmittelbarem Zwang, notwendig. Ein Entwinden des Messers mittels einfacher körperlicher Gewalt war auszuschließen und ungeeignet, da in der vorliegenden Situation, die geprägt war durch die räumliche Enge und die Beschaffenheit des Messers mit einer erheblichen Klingenlänge von ca. 20 Zentimetern, nach allen polizeilichen Erfahrungen weitere potentielle Opfer nur unter erheblicher Selbstgefährdung und starker physischer Einwirkung auf die Person hätten vermeiden können. Der Einsatz des Pfeffersprays war für den Polizeibeamten mithin also das zweckmäßigste , geeignetste und zugleich mildeste Mittel, um die Gefahr zu beseitigen. Sich aus dem Raum zu entfernen und die Frau allein zurückzulassen, war keine Option, da damit die Eigengefährdung ihrer körperlichen Unversehrtheit weiter bestanden hätte. Somit wurde den gesetzlichen Vorschriften des § 3 Absatz 2 und Absatz 3 Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) Rechnung getragen. Andere Zwangsmittel im Sinne des § 32 Absatz 1 Satz 1 SächsPolG kamen nicht in Betracht, ebenso wie die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen gemäß § 32 Absatz 1 Satz 3 SächsPolG. Der Einsatz des Pfeffersprays war auch in Hinblick auf das Alter und den Zustand der Betroffenen nicht zu beanstanden, § 32 Absatz 1 Satz 4 SächsPolG. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurde eingehalten. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 3: Inwieweit wurde hier nach Ansicht des Staatsministeriums des Inneren das Kindeswohl verletzt? Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass zu irgendeinem Zeitpunkt durch Mitarbeiter der Polizei oder der Ausländerbehörden eine Kindeswohlgefährdung vorgelegen hat. Frage 4: Warum werden Personen, deren psychische Erkrankung der Ausländerbehörde bekannt ist, unter Vorspiegelung der Terminwahrnehmung in die Behörde gelockt um sie dann dort abschieben zu können und wie erklärt sich das Staatsministerium des Inneren die Antizipation der Mutter, gegebenenfalls in Hinblick auf die Mehrfachnennung Chemnitz' bei Abschiebungen aus Behörden und aus dem Gericht in Chemnitz in der Antwort auf Frage 2 der Drs. 6/13672, und welche Rückschlüsse werden daraus gezogen? Die betroffene Familie nahm nach Aussage der unteren Ausländerbehörde einen regulären Termin in der Ausländerbehörde wahr und wurde somit nicht eigens für den Vollzug von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen einbestellt. Die in der Fragestellung zum Ausdruck kommende spekulative Behauptung ist unzutreffend. Frage 5: Warum war die Familie I. die Ausnahme von der Regel, dass die Gelegenheit bestehe , Gepäck zu packen bevor die Abschiebung vollzogen wird? Es ist nicht bekannt, dass der Familie die Gelegenheit genommen wurde, ihr Gepäck zu packen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Familie bislang noch nicht abgeschoben wurde. fre'undlicherrGrüßen Dr--Roland VVöller Freistaat SACHSEN Seite 3 von 3 2018-08-14T10:01:33+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes