STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl (DlE LINKE) Drs.-Nr.: 6/14188 Thema: Umgang mit so genannten Selbstmelder*innen beim Täter- Opfer-Ausgleich (TOA) Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,nVorbemerkung: lm Rahmen der Gewährleistung betroffenenorientierter sozialer Dienstleistungen und hier speziell des TOA wird bundesweit auch die Frage diskutiert, was passiert, wenn ein Opfer oder eine Täterin/ein Täter sich an die lokal nächste TOA-Stelle wendet und einen TOA wünscht (Sel bsmelder*i nnen)." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welcher Erkenntnisse gibt es zur Zahl der Selbstmelder*innen in Sachsen? Statistische Erkenntnisse zur Zahl der Selbstmelder in Sachsen liegen nicht ñE-N¡JHftdl-r.¡s:c\!:y Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564-1500 Telefax +49 351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen 1040Ei13/1298 - KLR Dresden, Sl.August 2018 , ]USTIZVOTLZUOSAEAMTE wyvwJoû-rrtt-t.o= Hausanschrift: Sächs¡sches Staatsminlstef ium der Justíz Hospitalstraße 7 01097 Dresdên Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/sm j Verkehrsverbindung: Zu erreichen m¡t Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang uber Einfahrt Hospitalstraße 7 *Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüssslte elektron¡sche Dokumenle nur úber das Eleklronische Gerichls- und Vefwallungspostfach; nähere lnlormal¡onen unter m.egvp.de TOB MIT e o vor Seite 1 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENIW Die Leitenden Oberstaatsanwålte der Sächsischen Staatsanwaltschatten haben jedoch übereinstimmend berichtet, dass die Zahl als äußerst gering einzuschätzen ist. Von einer weitergehenden Beantwortung wird aus Gründen der Zumutbarkeit abgesehen . Die konkrete Anzahl der sog. Selbstmelder wird nicht statistisch erfasst. Erkenntnisse zu der Anzahl der können auch nicht im Wege einer elektronischen Datenbankrecherche gewonnen werden, da diese Angaben in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften nicht erfasst werden. Belastbare Aussagen zu der Anzahl von Selbstmeldern in Sachsen würden sich nur durch eine manuelle Auswertung aller in Betracht kommender Ermittlungsverfahren bei den sächsischen Staatsanwaltschaften ergeben. Hierzu müssten zunächst zumindest alle Verfahrensakten zu Ermittlungsverfahren die aufgrund eines erfolgreich durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleichs erledigt wurden, händisch durchgesehen und danach ausgewertet werden, ob sich eine Person (Täter oder Opfer) mit dem Wunsch nach einem Täter-Opfer-Ausgleich gemeldet hat. ln den Datenbanken der Staatsanwaltschaften sind beispielhaft seit dem 1. Januar 2010 insgesamt 855 Verfahren erfasst, die bei den Staatsanwaltschaften nach $ 153a Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) vorläufig eingestellt und aufgrund eines Täter-Opfer-Ausgleichs erledigt wurden. Bereits eine manuelle Auswertung dieser Akten wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand fur das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entspre- Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENwn\.Ì=w chende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den Staatsanwaltschatten für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 855 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 56 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur vollständigen Beantwortung der Frage erforderliche Aufwand offensichtlich nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Eine Beantwortung würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten in sächsischen Staatsanwaltschaften , die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsregierung kam bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits daher zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Beantwortung der Frage unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu leisten ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der dargestellte Arbeitsaufwand letztlich nur einen Bruchteil des insgesamt erforderlichen Aufwandes ausmacht. Zu beachten bleibt nämlich, dass nicht alle Ermittlungsverfahren in denen sich Täter oder Opfer mit dem Wunsch nach einem Täter-Opfer-Ausgleich bei einer Staatsanwaltschaft melden, für einen solchen überhaupt geeignet sind. Schließlich wird auch nicht jeder Täter- Opfer- Ausgleich erfolgreich abgeschlossen. Auch sind bei den 855 auszuwertenden Verfahrensakten Verfahren gegen Jugendliche und gegen Heranwachsende - auf die Jugendrecht angewendet wurde - die aufgrund eines Täter-Opfer-Ausgleichs erledigt wurden, nicht mit erfasst. Die Anzahl der insgesamt auszuwertenden Verfahren liegt damit noch deutlich höher. Frage 2= Wie wird gewährleistet, dass die Selbstmelder*innen Zugang zu qualifizierten Mediator*innen haben? Die Anregung zu einem Täter-Opfer-Ausgleich in Strafsachen kann vom Täter, vom Opfer, vom Staatsanwalt, von der Polizei oder vom Gericht, aber auch von jedem sons- Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ßEil\ìHñ,.dw tigen Beteiligten ausgehen und ist in jeder Phase des Ermittlungs- oder Strafverfahrens möglich. Die sachbearbeitenden Polizeidienststellen regen in für den Täter-Opfer- Ausgleich geeigneten Fällen bei der Staatsanwaltschaft die Prüfung eines Täter-Opfer- Ausgleichsverfahrens gemäß S 155a SIPO an bzw. weisen Verletzte gemäß S 406i Absatz 1 Ziller 5 StPO auf diese Möglichkeit hin. Die Beauftragung einer Vermittlungsstelle zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs erfolgt ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht. Der Täter-Opfer-Ausgleich wird in Sachsen nach Ziffer lV Nummer 1 der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz, des Sächsischen Staatsministeriums des lnnern und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales , Gesundheit und Familie über den Täter-Opfer-Ausgleich im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen und Maßnahmen der Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafverfahren (VwV Täter-Opfer-Ausgleich) vom 30. April 1997 durch eine Vermittlungsstelle durchgeführt. Dies ist bei erwachsenen Beschuldigten der Soziale Dienst der Justiz, der bei den Landgerichten angegliedert ist. Vermittlungsstelle bei jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten ist die Jugendgerichtshilfe des für den Jugendlichen oder Heranwachsenden zuständigen Jugendamtes. ln geeigneten Fällen beauftragt die Staatsanwaltschatt eine Vermittlungsstelle mit der Vorbereitung und Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs. Die Vermittlungsstelle nimmt sodann Kontakt mit dem Beschuldigten und dem Opfer auf. Grundsätzlich steht es jedem Selbstmelder frei, sich auch vor einer möglichen Beauftragung des Täter-Opfer-Ausgleichs durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht bei einer Vermittlungsstelle für den Täter-Opfer-Ausgleich zu melden und durch einen Mediator in Strafsachen beraten zu lassen. Die Beauftragung einer Vermittlungsstelle zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs erfolgt jedoch, wie oben bereits dargestellt, ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht. Frage 3: lst überhaupt eine Finanzierung gewährleistet, wenn Opfer und/oder Täter*innen von sich aus Wiedergutmachungsdienste im Bereich eines Täter-Opfer- Ausgleichs in Anspruch nehmen wollen? Seite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw Frage 4: ln wie weit ist die Zuweisung durch zuständige Behörden bzw. Staatsanwaltschaften und Gerichte Voraussetzung für die Gewährung von Wiedergutmachungsdiensten gegenüber solchen Selbstmelder*innen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Wird die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß der VwV Täter-Opfer- Ausgleich durch die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht beauftragt, so ist eine Kostentragung für die Tätigkeit der Vermittlungsstelle gewährleistet. Die eigentliche Leistung zur Wiedergutmachung müssen Beschuldigte in jedem Fall von sich aus und auf eigene Kosten erbringen. Diese kann Gegenstand einer schriftlichen Vereinbarung sein, deren Einhaltung durch die Vermittlungsstelle überwacht wird. Beauftragen Selbstmelder hingegen eigeninitiativ - außerhalb des Regelungsbereichs der VwV Täter-Opfer-Ausgleich - Wiedergutmachungsdienste, so bestehen keine Regelungen zur Kostentragung der Leistungen dieser Dienste durch den Freistaat Sachsen . Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 5 von 5 2018-08-22T13:45:17+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes