STAATSM1N1STERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Rico Gebhardt (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/14338 Thema: Urteile des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 23. Januar 2018: Bekleidungs- und Verpflegungsgeld der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt berücksichtigen! Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Nachdem das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 27. April 2017 (Az.: L 1 RS 3/15) festgestellt hatte, dass das an die ,Beschäftigten der Deutschen Volkspolizei der DDR gezahlte ,Verpflegungs- und Bekleidungsgeld' renten- und anwartschaftsrechtlich als Arbeitsentgelt zu bewerten und zu behandeln ist, hat inzwischen das Sächsische Landessozialgericht in zwei Urteilen vom 23. Januar 2018 unter den Aktenzeichen L 4 RS 226/15 ZVW und L 4 RS 232/15 ZVW diese Rechtsauffassung bestätigt und dem Freistaat Sachsen als Beklagtem aufgegeben, anstelle der bisherigen Entgelthöchstbetragsregelungen neue Höchstbetragsregelungen unter Einbeziehung der jeweils festgestellten Höhe des erzielten Verpflegungsgeldes und Bekleidungsgeldes festzusetzen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit sieht die Staatsregierung vor dem Hintergrund der inzwischen ergangenen beiden o. g. Urteile des Sächsischen Landessozialgerichtes — entgegen der vom Staatsminister des Innern, Prof. Dr. Roland Wöller in der Beantwortung der Kleinen Anfrage zu Drs.-Nr.: 6/11334 vom 21.12.2017 dargestellten Auffassung — das an die Angehörigen der Deutschen Volkspolizei gezahlte Bekleidungs- und Verpflegungsgeld nunmehr als berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt an? Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 3-1053/63/24 Dresden, 10. September 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STERIUM DES INNERN Frage 2: Welche Schlussfolgerungen hat die Staatsregierung aus der nunmehr auch mit den o. g. Urteilen des Sächsischen Landessozialgerichts als gefestigt geltenden Rechtsprechung gezogen, wonach es sich bei dem Beschäftigten der Deutschen Volkspolizei der DDR gezahlten Verpflegungs- und Bekleidungsgeld um Arbeitsentgelt handelt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Die beiden genannten Urteile des Sächsischen Landessozialgerichtes (SächsLSG) vom 23. Januar 2018, Az.: L 4 RS 226/15 ZVVV und L 4 RS 232/15 ZVVV, sind nicht rechtskräftig. Der Freistaat Sachsen hat zu dieser Rechtsfrage infolge der stattgebenden Urteile des SächsLSG zur Anerkennung von Verpflegungs- und Bekleidungsgeld zwei Nichtzulassungsbeschwerden zum Bundessozialgericht (BSG) erhoben, über welche noch nicht entschieden wurde. Die Staatsregierung vertritt auch weiterhin die Rechtsauffassung, dass das Verpflegungs - und Bekleidungsgeld als Surrogat für die kostenlose Vollverpflegung bzw. als Surrogat für die frei zur Verfügung gestellte Dienstkleidung jeweils kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt darstellen und mithin auch nicht als erzieltes Arbeitsentgelt an die zuständige Rentenversicherung zu überführen sind. Diese Rechtsauffassung begründet sich wie folgt: Die Entscheidungen des SächsLSG vom 23. Januar 2018 lassen eine, wie vom BSG in seinen Urteilen vom 30. Oktober 2014 zuletzt ausdrücklich geforderte, konkrete Darstellung des räumlichen, zeitlichen, sachlichen und personalen Geltungsbereichs der einschlägigen DDR-Rechtsgrundlagen vermissen. Vielmehr beschränkt sich das SächsLSG in seiner Entscheidungsbegründung auf den Beschluss des Ministerrats der DDR über die Einführung des Wohnungs- und Verpflegungsgeldes für die Angehörigen der bewaffneten Organe des Ministeriums des Innern vom 21. April 1960 (Einführungsbeschluss ) und den Befehl des Ministers des Inneren Nr. 24/60 vom 22. April 1960 (Durchführungsbefehl) ohne konkrete Feststellung, für welche Zeiträume diese Regelungen überhaupt anwendbar waren. Die sich ausschließlich mit diesen DDR- Regelungen befassenden Feststellungen und Schlussfolgerungen des SächsLSG sind unter Berücksichtigung der vom BSG klar gefassten Voraussetzungen der erforderlichen Prüfungsschritte daher unvollständig und insofern rechtlich fraglich. Unabhängig von dieser unvollständigen Tatsachengrundlage der Entscheidungen des SächsLSG sind die allein auf dem o. g. Einführungsbeschluss vom 21. April 1960 und dem o. g. Durchführungsbefehl vom 22. April 1960 beruhenden Feststellungen des SächsLSG widersprüchlich und lassen nicht genügend die Auseinandersetzung mit der Frage erkennen, warum das Verpflegungsgeld gezahlt und inwiefern es nicht aus ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interessen erbracht wurde und damit nicht als Arbeitsentgelt anzuerkennen wäre. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Im Übrigen wird auf die zahlreichen landessozialgerichtlichen Urteile für den Bereich des Sonderversorgungssystems der Zollverwaltung verwiesen, wonach ausgezahltes Verpflegungs- und Bekleidungsgeld kein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt darstellen (Urteile des LSG Berlin -Brandenburg vom 12. Juli 2016, L 2 R 772/12 und vom 13. Januar 2016, L 16 R 770/12; Urteil des SächsLSG vom 5. Januar 2016, L 5 RS 186/14 und Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 19. November 2015, L 1 RS 33/12). Nicht zuletzt unter Gesichtspunkten einer notwendigen und grundrechtsgemäßen Gleichbehandlung gleicher oder jedenfalls vergleichbarer Sachverhalte können aus hiesiger Sicht im Bereich der Deutschen Volkspolizei keine anderen Maßstäbe in Bezug auf das Verpflegungs- und Bekleidungsgeld gelten. Zollangehörige wie auch Angehörige der Deutschen Volkspolizei hatten, sofern sie nicht in Gemeinschaftsunterkünften oder Wohnheimen wohnten, Anspruch auf Verpflegungsgeld. Das Verpflegungsgeld , als Surrogat der Vollverpflegung, stand den Angehörigen der Zollverwaltung auch nicht als Entgelt zur freien Verfügung, sondern war zwingend und uneingeschränkt für die Durchführung der Vollverpflegung (sogenannte Verpflegungsverpflichtung ) einzusetzen. Die Verpflegungsversorgung war in beiden Bereichen auf die dienstlichen Erfordernisse und nach den neuesten ernährungswissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen zur Erreichung hoher Leistungen auszurichten. Die Regelungen der Zollverwaltung entsprechen nahezu wortgleich den Regelungen der Deutschen Volkspolizei. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, dass eine Personengruppe im Vergleich zu einer anderen Personengruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Eine Andersbehandlung führt hierbei zudem auch zu unterschiedlicher Behandlung gleicher Sachverhalte (Zahlung von Verpflegungsgeld als Surrogat für die Nichtteilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung) ohne sachlichen Grund. Frage 3: Welche konkreten Entscheidungen hat die Staatsregierung zwischenzeitlich im Umgang mit sowie zu den konkreten, von in Sachsen Betroffenen nachgewiesenen Beträgen für Verpflegungsgeld und Bekleidungsgeld getroffen? Im Hinblick auf die beiden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zum BSG sind weitere Entscheidungen ausgesetzt. Frage 4: In welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt haben die Staatsregierung bzw. die ihr nachgeordneten zuständigen Behörden — in gebotener Umsetzung der o. g. gefestigten Rechtsprechung und der o. g. beiden Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts — die von den in Sachsen Betroffenen nachgewiesenen Verpflegungs - und Bekleidungsbeträge gemäß § 8 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) an die Deutsche Rentenversicherung Bund als Bestandteile des zu überführenden Arbeitsentgelts gemeldet bzw. für welchen Zeitpunkt ist diese Meldung geplant? Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SAC 1-I SEN Frage 5: In welchem Zeitraum bzw. zu welchem Zeitpunkt können die in Sachsen Betroffenen mit der endgültigen Anerkennung und Berücksichtigung ihrer nachgewiesenen Bekleidungs- und Verpflegungsgeldes als Angehörige der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt und mit der (Neu)Festsetzung in ihren individuellen Festsetzungsbescheiden rechnen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5: Es stehen drei weitere landessozialgerichtliche Entscheidungen, u. a. des SächsLSG, zu dieser Rechtsfrage aus. Mithin ist weder von einer gefestigten noch abschließenden Rechtsprechung in dieser Rechtsfrage auszugehen. Der Freistaat Sachsen ersucht weiterhin eine höchstrichterliche Klärung durch das BSG. Unter Beachtung dieser verfahrensrechtlichen Situation sind aus Sicht des Freistaates Sachsen weitere Maßnahmen und Planungen zu weiteren Schritten gegenüber den in Sachsen Betroffenen gegenwärtig nicht geboten. fraindlichen Grüßen Prof. Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 2018-09-10T10:27:24+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes