STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DlE LINKE) Drs.-Nr.: 6114434 Thema: Ermiülungsverfahren wegen unerlaubter Einreise/ unerlaubten Aufenthalts 2015/ 20161 2017 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkuno: Soweit bei den nachfolgenden Fragen nach der Anzahl von Ermittlungsverfahren , von Einstellungen, von gerichtlichen Verfahren und nach der Anzahl von durchgeführten Strafbefehlsverfahren gefragt ist, beruhen die Antworten auf Abfragen in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften . Frage 1: Wie viele Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 eingeleitet und wie viele davon wurden aus welchen Gründen eingestellt? Bei den sächsischen Staatsanwaltschaften wurden Ermiülungsverfahren ßEft\lÉt'_ w Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 1500 Telefax +49 351 564 1509 Staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E/1 3/1 325 - KLR Dresden, lt. September 2018 TOB MIT " JUSTIZVOItZUG5EEAMTE ì,trwwJoB-MtT-r.DE Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang úber Einfahrt Hospitalstraße 7 *Zugang lúr elektronisch signierte sowie f ür verschhissslte elektronische Dokumente nur übsr das Ëlektronische Ger¡chts- und Verwaltungspostfach; nähere lnformationen unter www.egvp.de o Seite 1 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN I FET-I \S'¡rlI NrJlw wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts (S 95 Aufenthaltsgesetz - AufenthG I gegen bekannte Beschuldigte wie folgt eingeleitet (Anzahl der Beschuldigten): 2015: 17.564 2016: 22.137 2017:12.468 lm Hinblick auf die abgefragte Anzahl der Einstellungen und der Einstellungsart nehme ich auf die tabellarische Übersicht in der Anlage Bezug. Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter wegen Verstoßes gegen $ 95 AufenthG wurden wie folgt geführt: 2015:22 2016:18 2017:8 Dabei wurde die nachfolgend dargestellte Anzahl von Verfahren gemäß 5 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (SIPO) eingestellt, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte: 2015:19 2016:14 2017:6 Frage 2z Wie viele Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts wurden in den Jahren 2015,2016 und 2017 an sächsischen Gerichten geführt ? Wie viele wurden davon im Strafbefehlsverfahren mit Geldstrafen beendet ? An den sächsischen Gerichten wurden Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise bzw unerlaubten Aufenthalts wie nachfolgend geführt (Anzahl der Angeklagten): Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN NF-L\¿1-lÆFl -\E1t\rry 2015:408 2016:423 2017:473 Die Zahl derjenigen Verurteilten, die im Strafbefehlsverfahren zu einer Geldstrafe rechtkräftig verurteilt wurden, stellt sich für den abgefragten Zeitraum wie folgt dar: 2015:389 2016:372 2017:412 Frage 3: Gibt es Richtlinien bzw. Anweisungen an die sächsischen Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden für Ermittlungs- bzw. Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts? Wenn ja welche? (bitte mit Datum und lnhalt angeben) Zur Bearbeitung von Straftaten gemäß $ 95 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AufenthG wurde in Abstimmung zwischen den sächsischen Staatsanwaltschaften und der sächsischen Polizei mit Wirkung vom 4. September 2015 zunächst ein vereinfachtes Verfahren eingeführt . Hierzu wurde Folgendes festgelegt: 1. lm lntegrierten Vorgangsbearbeitungssystems (lVO) ist ein Vorgang mit dem Vorgangstyp ,,Straftat" anzulegen und die Einzelmaßnahme ,,Anzeige Straftat" zu fertigen. Dabei sind nur die vorgeschriebenen Mindestangaben auszufüllen. Die Mindestangaben werden von IVO durch Plausibilitätsprüfung unterstützt. 2. Zur Sicherung der landesweiten Auswertbarkeit der erfassten Daten im Phänomenbereich ,,Zuwanderung" ist der Vorgang mit dem Katalogwert ,,Asyl/Zuwanderung - AZU" im Datenfeld ,,Meldungen/Phänomene" zu kennzeichnen . Der Katalogwert wird im Dezember 2015 in IVO/ im polizeilichen Auskunftssystem (PASS) für die Erfassung und Auswertung bereitgestellt. Zudem ist der Aufenthaltsstatus des BeschuldigtenÆatverdächtigen mit dem Objektdialog ,,erweiterte Personalien" zu erfassen. Seite 3 von 6 STAATSI\4INISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Fg,t-\H:rl w 3. Neben der vereinfachten Anzeige ist eine verkürzte Beschuldigtenvernehmung zu fertigen. Dazu ist der überarbeitete Vordruck ,,SNVB 346 - Belehrung eines Beschuldigen (Ausländer) wegen einer Straftal" zu verwenden. Dieser steht im Zentralen Vordruckcenter sowie im IVO-Formularcenter zunächst in zehn Sprachen (darunter arabisch) zur Verfügung. Der ehemalige Fachbereich 4.4 des SID ist beauftragt, den Vordruck schrittweise in insgesamt 47 Sprachen bereitzustellen und in die |VO-Einzelmaßnahme,,Beschuldigtenvernehmung", einschließlich der Übernahme von Kerndaten, zu implementieren. 4. Das vereinfachte Verfahren ist nicht anzuwenden, wenn Anhaltspunkte für ein Schleusungsdelikt oder andere Straftaten vorliegen. lm Zuge der Flüchtlingssituation des Jahres 2015 wurde zudem die zwischen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und der Bundespolizeidirektion Pirna vereinbarte ,,Gemeinsame Richtlinie über die Vorlage von Ermittlungsvorgängen an die Staatsanwaltschaften des Freistaates Sachsen durch die Bundespolizei" angepasst. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2015 wurden Erstverstöße der unerlaubten Einreise/ des unerlaubten Aufenthaltes in den Katalog zur Bearbeitung im vereinfachten Verfahren aufgenommen . Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens steht dabei im Ermessen der Bundespolizei. Anstelle der persönlichen Vernehmung des Beschuldigten, kann die Bundespolizei dem Beschuldigten nunmehr Gelegenheit geben, sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen schriftlich zu äußern. Ferner bedarf es im vereinfachten Verfahren keines Schlussvermerks oder -berichts durch die Bundespolizei. Frage 4: Aus welchem Grunde werden in den o.g. Verfahren Beschuldigten mit Wohnsitz in Deutschland durch die Ermittlungsbehörden Zustellungsvollmachten zur freiwilligen Unterschrift vorgelegt? Frage 5: Wie viele der Beschuldigten unterschrieben die in Frage 4. erwähnten Zustellungsvollmachten freiwillig und wie viele verweigerten die Unterschrift? Seite 4 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñtI-\S'¡rÈN¡l&tsry Zusammenfasende Antwort zu den Fragen 4 und 5: Von einer Beantwortung der Fragen wird wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes abgesehen. Die zur Beantwortung der Fragen notwendigen Erkenntnisse liegen der Sächsischen Staatsregierung nicht unmittelbar vor. Ob und warum Beschuldigten mit Wohnsitz in Deutschland durch die Ermittlungsbehörden Zustellungsvollmachten zur freiwilligen Unterschrift vorgelegt wurden, wird weder von den sächsischen Staatsanwaltschaften noch von den sächsischen Polizeibehörden gesondert statistisch erfasst. Auch zu der Frage, ob und inwieweit die Beschuldigten Zustellungsvollmachten freiwillig unterschrieben haben und wie viele Beschuldigte die Unterschriften verweigert haben, findet eine statistische Erfassung nicht statt. Die abgefragten lnformationen können auch nicht durch eine elektronische Recherche erlangt werden, da diese weder in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften noch der sächsischen Polizei registriert werden. Die Beantwortung der Fragen würde daher die Durchsicht und händische Auswertung aller Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte wegen des Tatvorwurfs der unerlaubten Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts erfordern. Dies betrifft für den abgefragten Zeitraum insgesamt 52.169 Vorgänge, die einer händischen Einzelauswertung unterzogen werden müssten. Eine solche Auswertung wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften und der Polizeibehörden in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften bzw. der Polizeibehörden erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entspre- Seite 5 von 6 STA ATSI\4 I N I STERI U I\4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñmEL\¿'IN¡lw chende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 52.169 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 3.260 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt . Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur vollständigen Beantwortung der Fragen erforderliche Aufwand nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Eine Beantwortung der Frage würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten in sächsischen Staatsanwaltschaften bzw. der sächsischen Polizeibehörden, die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsregierung kam bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits daher zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu leisten ist. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Anlage Tabellarische Ubersicht zu Frage 1 Seite 6 von 6 Anlage zu Frage 1 (Drs.-Nr. 6/14434) Einstellung durch die Staatsanwaltschaften 2015 2016 2017 Gesamtergebnis Einstellung § 153b I StPO (Absehen von Strafe) 2 7 0 9 Einstellung § 154b I StPO(Auslieferung/Ausweisung) 935 660 760 2355 Einstellung § 154d StPO (Klärung einer Vorfrage) 0 1 1 2 Einstellung § 45 II JGG (erzieherische Maßnahme) 16 24 14 54 Einstellung § 45 JGG (Voraussetzungen § 153 StPO) 1635 1926 747 4308 Einstellung nach § 153a I StPO (Geldbetrag) 55 56 124 235 Einstellung nach § 153a I StPO (gemeinnützige Leistung) 1 1 2 Einstellung nach § 153a I StPO (sonstige. Auflage. oder Weisung) 0 1 1 2 Einstellung nach § 154 I StPO 308 314 295 917 Einstellung nach § 154f StPO (z.B.unbekanter Aufenthalt) 120 468 347 935 Einstellung nach § 170 II StPO, Angezeigtes Verhalten erfüllt keinen Straftatbestand 117 98 90 305 Einstellung nach § 170 II StPO, Kein öffentliches Interesse 1 1 2 Einstellung nach § 170 II StPO, keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte 3 2 2 7 Einstellung nach § 170 II StPO, Kind (§ 19 StGB) 1779 3114 1647 6540 Einstellung nach § 170 II StPO, Strafaufhebungsgrund (z B. §§ 24, 36, 257 Abs. 3 StGB) 43 26 18 87 Einstellung nach § 170 II StPO, Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld liegt nicht vor (erwiesene Unschuld) 47 49 73 169 Einstellung nach § 170 II StPO, Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld nicht nachweisbar 518 569 517 1604 Einstellung nach § 170 II StPO, Verfahrenshindernis 203 333 353 889 Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 I StPO) 9196 12201 5381 26778 Einstellung wegen Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) 1 1 1 3 Einstellung nach § 170 II StPO, Tod 3 7 2 12 Gesamtergebnis 14983 19857 10375 45215 Jahr des Verfahrenseingangs KA6-14434 KA6-14434-Anlage 2018-09-18T14:00:58+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes