STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DlE LINKE) Drs.-Nr.: 6/14668 Thema: Umgang mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen in den sächsischen JVA Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Vorbemerkung: Laut Meldungen der Gefangenen-GewerkschafUBundesweite Organisation (GG/BO) (https://qqbo.de/statt-haftunterbrechunq-und-therapieantraq -abqelehnt-zellenrazzia-und-bunker-fuer-qefanEene-aus-der-ivachemnitz A werde einer Gefangenen der JVA Chemnitz mit diagnostizierter Agoraphobie mit Panikstörung die Haftunterbrechung zwecks Therapie verweigert, während eine andere Gefangene, die angeblich unter derselben Erkrankung leide, Mitte Juli einen Selbstmordversuch begangen haben soll. Die Meldung über den zweiten Vorfall wurde inzwischen von der Seite genommen. lm Zusammenhang damit fanden im Stadtzentrum von Chemnitz am 30. Juni, 14. Juli und 28. Juli 2018 Protestkundgebungen der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter- Union (FAU) Chemnitz statt.n' I t!8-IMlw Dresden. ¿Jf.otto6"r. zota Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564-1500 Telefax +49 351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E/1 3/1 354-KLR IOB MIT 1' o . JUSTIZ\r'Ol.lZUCSBEAMÍ € wtñ/tVJoB-Mt1-t.DE Hausanschfift: Sächsisches Staatsm¡n¡sterium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parkên und behindertengerechter Zugang über Elnfahrt Hospitalstraße 7 *Zugang für eleklronisch sign¡erte sow¡e für verschlüsselte elektronische Dokumenle nur über das Eleklronische Gerichls- und Verwaltungspostfach; náhere lnformationen unter www.egvp.deSeite 1 von 5 STAATSMINISTERIUIVI DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN r Irt-I \q¡Jlw Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Gefangene in Haftanstalten des Freistaats litten oder leiden unter psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen? (Bitte für die letzten fünf Jahre, nach Jahresscheiben in absoluten Zahlen und prozentual angeben und nach JVA aufschlüsseln) Frage 2= Wie viele dieser Gefangenen haben wegen Haftuntauglichkeit Haftunterbrechung oder zwecks ambulanter Therapie Haftausgang oder offenen Vollzug beantragt und wie viele dieser Anträge wurden abgelehnt bzw. genehmigt? (bitte für die letzten fünf Jahre, nach Jahresscheiben und nach JVA aufschlüsseln) Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Von einer Beantwortung wird aus Gründen der Zumutbarkeit abgesehen. Eine systematische statistische Erhebung der Anzahl der Gefangenen, die unter einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung leiden, erfolgt nicht. Ebenfalls erfolgt keine statistische Erhebung der Anträge auf Haftunterbrechung, Freigänge, unbegleitete und begleitete Ausgänge sowie Verlegungen in den offenen Vollzug. Zur Beantwortung der Fragen wäre daher die Auswertung der Gesundheitsakten aller seit 2013 im Strafvollzug befindlichen Gefangenen erforderlich. lnsgesamt waren im Jahr 2013 9.218 Gefangene inhaftiert, davon 5.875 Zugänge. ln den Jahren 2014 bis 2017 erfoþten durchschnittlich 5.500 Zugänge pro Jahr. Für die entsprechende Auswertung ist selbst bei zurückhaltender Schätzung von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich nicht weniger als 15 Minuten pro Akte auszugehen. Der hierfür anfallende zeitliche Aufwand summiert sich bei 9.218 Gefangene im Jahr 2013 auf insgesamt 288 Arbeitstage und bei durchschnittlich 5.500 weiteren Gefangenen pro Jahr (gesamt 22.000 für die Jahre 2014 bis 2017) auf insgesamt weitere 687,5 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter. Die Staatsregierung kommt daher bei der vorzunehmenden Abwä- Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUI\4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN I f!rt-I ñrlI NädI r-qgád| \t=Y gung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Behörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Justizvollzugs nicht zu leisten ist. Frage 3: Wie viele Suizidversuche und Suizide der psychisch bzw. psychosomatisch erkrankten Gefangenen gab es in den vergangenen fünf Jahren? (bitte nach Datum und JVA aufschlüsseln) Hinsichtlich der Anzahl der Suizidversuche psychisch oder psychosomatisch erkrankter Gefangener und der Suizide psychosomatisch erkrankter Gefangener kann aufgrund der in Frage 1 dargelegten Gründe keine Angabe erfolgen. Die Anzahl der Suizide psychisch erkrankter Gefangener kann benannt werden, da nach jedem Suizid eine Suizidkonferenz durchgeführt wird, in deren Rahmen lnformationen über das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ausgewertet werden. Unter dem Begriff psychische Erkrankung werden dabei alle dem lCDl-10 unterfallende Diagnosen , so z.B. auch Persönlichkeitsstörungen und Suchterkrankungen, verstanden. lnformationen zu psychosomatischen Erkrankungen liegen hingegen nicht vor. Die Anzahl der Suizide psychisch erkrankter Gefangener nach Datum und JVA kann nachfolgender Tabelle entnommen werden: Suizide JVA 2016 20172013 2014 2015 Dresden 04.05.2015 03.02.2016 07.08.2017 Görlitz 10.07.2017 Leipzig mit Krankenhaus 04.01 .2015 23.08.2015 12.01.2017 Toroau 13.12.2016 1 lnternationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (lCD = lnternational Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Fß-\ñh¡dhNil:-lw Suizide JVA 2013 2014 2015 2016 2017 Waldheim 03.03.2013 02.06.2013 02.07.2015 Zeithain 01.04.2014 Frage 4: Wie viele dieser Gefangenen wurden in den sogenannten besonders gesicherten Haftraum (BGH) verlegt oder wurden gegen ihren Willen gefesselt bzw. fixiert oder erhielten Zwangsmed¡kamentation? (bitte für die letzten fünf Jahre angeben und nach JVA aufschlüsseln) Eine vollständige Beantwortung ist angesichts der in Frage 1 benannten Gründe nicht möglich. Aufgrund der geltenden Berichtspflichten der Anstalten liegen nur Erkenntnisse über die Unterbringung von Gefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände - ohne Differenzierung, ob es sich um Gefangene mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen handelt - vor. Die Anzahl der Unterbringungen in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: JVA /JSA 2013 2014 2015 2016 2017 Bautzen 3 0 5 7 21 12 21Chemnitz 3 4 5 Dresden 35 45 65 93 108 Görlitz 2 I 12 14 24 60 145Leipzig mit Krankenhaus 20 12 33 Regis-Breitingen 1 5 18 14 19 Torqau 1 3 2 5 15 Wddheim 0 0 0 0 4 23 13Zeithain 2 9 3 Zwickau 22 38 46 31 88 Gesamt: 89 124 189 259 408 Seite 4 von 5 STAATSI\4INISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN [ßI-&ri¡Lst¡r:ttw Frage 5: Welche Therapiemöglichkeiten bestehen in sächsischen Haftanstalten für psychisch bzw. psychosomatisch erkrankte Gefangene und können diese angesichts des Personalmangels auch umgesetzt werden? Gemäß S 63 SächsStVollzG, S 34 SächsJStVollzG und S 22 SächsUHaftVollzG haben Gefangene Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung. ln allen sächsischen Justizvollzugsanstalten werden psychisch oder psychosomatisch kranke Gefangene durch den Medizinischen Dienst betreut, in der Regel mit Unterstützung des Psychologischen Dienstes. Bei Bedarf erfolgt bei Gefangenen mit psychischen Erkrankungen mit Krankheitswert eine fachärztliche Betreuung durch einen Psychiater, eine Überstellung oder Verlegung des Gefangenen in die Psychiatrische Abteilung des Haftkrankenhauses der JVA Leipzig oder die Hinzuziehung eines externen Psychologischen Psychotherapeuten, falls kein Mitarbeiter mit Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten zur Verfügung steht. Sofern Medikamente ärztlich verordnet wurden, werden psychisch erkrankte Gefangene auch medikamentös versorgt. Darüber hinaus können Betroffene zum Beispiel in ergo-, kunst-, garten- oder suchttherapeutische Angebote vermittelt werden. Die bestehenden Therapiemögl ichkeiten werden umgesetzt. Mit freundlichen Grüßen in Vertretung Seite 5 von 5 2018-10-09T11:31:50+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes