STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/14722 Thema: Sammelabschiebung nach Georgien am 11. September 2018 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Der Fragestellerin sind die Fälle von zwei Familien bekannt, die im Zuge einer Sammelabschiebung nach Georgien vom Flughafen Leipzig/ Halle am 11. September aus geplanterweise zurückgeführt wurden. Geplant soll heißen, die Behörden wussten, dass die Familie getrennt werden soll. Eine weitere Familie sollte spontan getrennt werden, die Abschiebung konnte mittels Eilantrag verhindert werden. Bei Familie A. aus Olbernhau hat die Stattgabe eines Eilantrags durch das zuständige Verwaltungsgericht die Abschiebung verhindert. Vater und zwei Kinder sollten abgeschoben werden. Die siebenjährige Tochter habe einen Behindertenausweis. Der Familienmutter war die Reise-/ Flugunfähigkeit auf Grund einer Schwangerschaft mit Komplikationen in Verbindung mit einem Bandscheibenvorfall von einer Amtsärztin beschieden worden. Die Fragestellerin geht in Hinblick auf die festgestellte Reise-/ Flugunfähigkeit der Familienmutter davon aus, dass diese Familientrennung von der Zentralen Ausländerbehörde einkalkuliert wurde. Bei Familie B. aus Neuwürschnitz/ Oelsnitz soll der behinderte Sohn gemeinsam mit dem Vater abgeschoben worden sein, Mutter und Tochter verblieben in Deutschland. Mutter und Tochter waren noch im Asylverfahren, die Frage der Abschiebung stellte sich also nicht. Der Vater erhielt am Tag vor der Abschiebung eine Duldung, die Tochter sollte am 11. September ein Gespräch über die Aufnahme an der Schule führen. Ein Eilantrag wurde eingereicht, führte aber nicht zur Verhinderung der Abschiebung. Die Fragestellerin geht in Hinblick auf die Gestattung von Mutter und Tochter davon aus, dass diese Familientrennung von der Zentralen Ausländerbehörde einkalkuliert wurde. Freistaat SAC1-I SEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/42/237 Dresden, (ui OktoberOktober 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6,7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Bei Familie C. aus Zwickau wurden die Familienmutter und zwei Kinder abgeschoben . Der Familienvater sei im Zuge der Abschiebung zusammengebrochen und im Krankenhaus behandelt worden. Die Familienmutter hatte eine Ausbildung als Altenpflegerin angestrebt und eine entsprechende Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG beantragt, die wurde abgelehnt." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Begründung des Eilantrags von Familie A. und die Gründe der Stattgabe und mit welchem zeitlichen Vorlauf wurde der Eilantrag eingereicht und wann entschieden und warum sollte die Familie mit Kalkül getrennt werden im Angesicht der Reise-/ Flugunfähigkeit der Familienmutter sowie der Behinderung der siebenjährigen Tochter (bitte Alter der betroffenen Personen mit angeben)? Die betroffene Familie besteht aus den Eltern (43 und 37Jahre) sowie drei Kindern (10, 17 und 3,5 Jahre). Eine siebenjährige Tochter gehört nicht zum Familienverband. Der geplanten Abschiebung war ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 23. August 2018 vorangegangen, wonach ein Anspruch einzelner Familienmitglieder auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verneint und ein Anspruch aller Familienmitglieder auf einstweiligen Rechtsschutz vor der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abgelehnt wurde. Im Rahmen einer später durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung wurde die Mutter als nicht reisefähig eingeschätzt . Daher wurde entschieden, das älteste Kind zur Unterstützung der Mutter im Bundesgebiet zu belassen und die beiden jüngeren Kinder zusammen mit dem Vater, wie geplant abzuschieben. Die zehnjährige Tochter leidet an einer Behinderung. Eine Reiseunfähigkeit ergab sich hieraus nicht, dies wurde nochmals durch amtsärztliches Gutachten vom 17. Mai 2018 bestätigt. Am 11. September 2018 wurde ein weiterer Antrag auf Erlass einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, der sich gegen die getrennte Abschiebung der Familienmitglieder richtete. Diesem wurde vom Verwaltungsgericht Chemnitz noch am selben Tag stattgegeben mit der Begründung eines notwendigen familiären Unterstützungsbedarfs für die nicht reisefähige Mutter und den nicht absehbaren Zeitraum der voraussichtlichen Trennung der Familie aufgrund der Schwangerschaft und einer anstehenden Operation der Frau. Die Abschiebung wurde daraufhin gestoppt. Frage 2: Welche Erkenntnisse hatte die lokale Ausländerbehörde, die Zentrale Ausländerbehörde sowie die abschiebenden Polizeibehörden wie auch die Flughafenseelsorge am Flughafen Leipzig/ Halle über die Behinderung des Sohnes von Familie B., warum wurde die Familie B. überhaupt in Hinblick auf die Gestattung von Mutter und Tochter eingeplant sowie Angesichts der Behinderung des Sohnes und Freistaat SACHSEN Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN seiner besonderen Schutzbedürftigkeit, warum griff hier nicht der Schutz der Familie nach Art. 6 GG/ Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention, warum wurde dem Familienvater noch am Tag zuvor eine Duldung ausgestellt und welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Gründe des zuständigen Verwaltungsgerichts , dem Eilantrag nicht stattzugeben (bitte Alter der betroffenen Personen mit angeben)? Die Familie besteht aus den Eltern (beide 41 Jahre), einem volljährigen Sohn sowie einer achtjährigen Tochter. Über die Behinderung des Sohnes waren sowohl die zuständige Ausländerbehörde des Erzgebirgskreises, die Zentrale Ausländerbehörde Chennnitz (ZAB) als auch die Polizei informiert. Die Flughafenseelsorgerin informierte sich während der Maßnahme über alle Krankheitsbilder. Vater und Sohn reisten bereits im Dezember 2016 ins Bundesgebiet ein und sind seit April 2018 vollziehbar ausreisepflichtig. Mutter und Tochter reisten erst im Januar 2018 und damit mehr als ein Jahr später in das Bundesgebiet ein. Die Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Mutter und Tochter ist noch anhängig, weshalb sie über eine Aufenthaltsgestattung verfügen. Nach Aktenlage lebten der Vater mit dem Sohn und die Mutter mit der Tochter getrennt voneinander in verschiedenen sächsischen Gemeinden. Die Familie hat bereits die erste, mehr als ein Jahr andauernde Trennung durch die getrennte Einreise selbstbestimmt vollzogen. Da auch nach der Einreise von Mutter und Tochter keine gemeinsamen Lebensführung bestand, wurde eine getrennte Abschiebung von Vater und Sohn als vertretbar und mit Art. 6 des Grundgesetzes und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar bewertet. Zu keinem Zeitpunkt bestanden Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit des volljährigen Sohnes aufgrund seiner Behinderung. Nach Mitteilung der zuständigen Ausländerbehörde des Erzgebirgskreises wurde dem Familienvater keine Duldung erteilt. Am Vortag der Abschiebung erhielt er lediglich eine Bescheinigung zur Prüfung von Duldungsgründen. Die Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht Chemnitz wurde damit begründet, dass die Familie mit der getrennten Einreise freiwillig eine längerfristige Trennung herbeigeführt habe und der Umstand, dass das Asylverfahren der Ehefrau und der minderjährigen Tochter noch nicht abgeschlossen ist, durch ihre getrennte Einreise selbst verursacht worden sei. Gründe, weshalb die Ehefrau und die Tochter besonders auf den Beistand der Antragsteller angewiesen sein sollten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Trennung und die Gründe für die Trennung der Familie C., über etwaige Vorerkrankungen des Familienvaters , hatten lokale Ausländerbehörde, Zentrale Ausländerbehörde, die abschie- Freistaat SACHSEN Seite 3 von 5 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN benden Polizeibehörden Kenntnis von der etwaigen Erkrankung des Vaters sowie die Gründe für die Ablehnung der Ausbildungsduldung der Familienmutter und warum wurde die Trennung und Abschiebung nicht abgebrochen, als klar war, dass der Familienvater nicht abgeschoben werden und die Familieneinheit nicht gewahrt werden kann (bitte Alter der betroffenen Personen mit angeben)? Die Familie besteht aus den Eltern (34 und 31 Jahre) und zwei Kindern (ein Jahr und zweieinhalb Jahre). Vorerkrankungen des Vaters waren der ZAB nicht bekannt. Der Antrag der Mutter auf Erteilung einer Ausbildungsduldung wurde von der zuständigen Ausländerbehörde abgelehnt, weil konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gern. § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG bevorstanden. Der Vater ist im Zuge der Abschiebung nicht zusammengebrochen bzw. kollabiert. Er befand sich schon zum Zeitpunkt des Zugriffs im Krankenhaus. Auf Nachfrage der Polizei am Abschiebetag teilten die behandelnden Ärzte mit, dass noch mindestens eine Woche Transport- und Reiseunfähigkeit bestehe. Die Abschiebung wurde nicht abgebrochen, da nach den Aussagen der Ärzte eine Reisefähigkeit in Kürze hergestellt werden könne und die Trennung der Familie daher voraussichtlich von überschaubar langer Dauer ist. Da die Kinder bei der Mutter verblieben , konnte keine unzumutbare Härte festgestellt werden. Der Familienvater hat weiterhin Gelegenheit, seiner Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen, sonst droht auch hier die Abschiebung. Frage 4: Wurden den abgeschobenen oder abzuschiebenden Familienmitgliedern der Familien A., B. und C. Persönliche Wertgegenstände, insbesondere Mobilfunkendgeräte , abgenommen und wenn ja, warum und mit welcher Rechtsgrundlage? Keiner der in der Frage genannten Familien wurden Wertgegenstände oder Mobiltelefone abgenommen. Frage 5: Wie viele Personen wurden insgesamt aus Sachsen und gegebenenfalls weiteren Bundesländern nach Georgien abgeschoben, wie viele Familien wurden getrennt, wie viele schwangere Frauen in welchem Monat befanden sich unter den Personen , wie viele Minderjährige wurden im Zuge der Sammelabschiebung gefesselt, wie viele Personen mit den Ausländerbehörden bekannten Krankheiten und/ oder Behinderungen wurden abgeschoben (Personen bitte nach Familienverbund und Angabe der voneinander getrennten Familienteile, Monatsangabe bei den schwangeren Frauen, Alter der gefesselten Minderjährigen, Krankheitsbildern sowie Behinderungen mitsamt Grad der Behinderung aufschlüsseln und angeben , aus welchen Landkreisen und kreisfreien Städten die betroffenen Personen kamen)? Am 11. September 2018 wurden 59 Personen aus Sachsen, drei Personen aus Rheinland -Pfalz, zwei Personen aus Bayern sowie eine Person aus Niedersachsen nach Georgien abgeschoben. Freistaat SACH SEN Seite 4 von 5 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Weitere als die in dieser Kleinen Anfrage genannten Abschiebungen mit Familientrennung von minderjährigen Kindern gab es nicht. Die 59 sächsischen Fälle verteilten sich wie folgt: Landkreis/Kreisfreie Stadt/ Einrichtung Anzahl der Personen Leipzig, Stadt 12 Sächs. Schweiz-Osterzgebirge 8 Erzgebirgskreis 7 Zwickau 7 Mittelsachsen 6 Bautzen 5 Chemnitz, Stadt 1 Vogtlandkreis 1 Strafhaft 9 Aufnahmeeinrichtungen 3 Unter den 59 Personen befanden sich sechs Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen , die jedoch nicht zur Reiseunfähigkeit führten. Zusätzlich zu den beiden in den Antworten auf die Fragen 1 und 2 genannten Personen handelte es sich dabei um zwei Dialysepatienten, eine körperlich behinderte Person im Rollstuhl und eine Person nach Krebsbehandlung. Eine Fesselung von Minderjährigen wurde durch Polizeibedienstete des Freistaates Sachsen nicht durchgeführt. Mit freundlichen Grüßen in Vertretung 21 Dr. Matthias Haß Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5 2018-10-12T09:39:31+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes