SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 1500 Telefax +49 351 564 1509 Staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* t TOB Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E/13/1052 - KLR Dresden, Zt. oktober 2o1B Kle_ine Anfrage der Ab.geordneten Katja Meiern(BüNDNrs go/DrE cRüNEN) Drs.-Nr.: 6/14880 Thema: Überlange Verfahrensdauer mit Freispruch als Ergebnis - Nachfrage zu Drs. 6/11376 MIT Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: lifWWJOB.MIT.¡.DE ,nVorbemerkung: Hausanschrift:Laut Bericht der Sächsischen Zeitung vom 26.09.2018 :ïï:ì",1* staatsministerium(https://www.sz-onl¡ne.de/nachrichten/iustizskandalerster-gueteä ,"..$)Hi:i"i 4021002.htm1) erkannte das Amtsgericht Bautzen in einem Strafgerichts- BrierpostüberDeurscheposr prozess auf Freispruch, in dem der Angeklagte aufgrund e¡nes Sitzungs- 010e5 Dresden haftbefehls sechs Monate lang festgehalten wurde." www justiz'sachsen dê/smj Verkehrsverblndung: Zu ereichen mit Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die ;:'åTiTi"'"'. Kleine Anfrage wie folgt: parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hosp¡talstraße 7 Ffage 1: Hinweise zum Datenschuu erhalten Sie auf unserer lnternel Welche Gründe sieht die Staatsregierung für die erheblichen Verzöge- i^îli;å*iülìilå:.j,îîî rungen während des gesamten Ermittlungs- und Hauptverfahrens gegen *zusansrùrsrektronischsisnierresowis den einzigen Angeklagten, die dazu führten, dass über einen an ostern Ë:ii{iiJü'"*i:'Ë:åüï5t'?**Gerichls- und VeMaltungspostfach; o nåhere lnlormâtionen unter www.egvp.de " JUSIIZVOLLZUCSBEAMIE Seite 1 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw 2015 stattgefundenen Vorfall mit einer vorgeworfenen Tathandlung und letztlich drei vernommenen Zeugen erst ¡m September 2018 entsch¡eden wurde? Nachdem die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschatt Görlitz durch die Polizei am 21. September 2015 vorgelegt wurde, erhob die Staatsanwaltschaft - nach Abschluss der notwendigen Ermittlungen - am 25. April 2016 Anklage zum Amtsgericht Bautzen. Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 wurde die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zugelassen . Mit Verfügung vom 10. August 2016 wurde Termin zur Hauptverhandlung auf den 5. Oktober 2016 bestimmt, der aufgrund der Verhinderung zweier Zeugen aufgehoben und anschließend auf den 1 . März 2017 neu anberaumt wurde. Wegen des weiteren Verfahrensganges bis einschließlich 5. Oktober 2017 nehme ich auf die Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6111376 Bezug. Eine Abschließende Stellungnahme zu den Gründen ist derzeit noch nicht möglich, da das Verhalten des zuständigen Richters Gegenstand laufender dienstrechtlicher Prüfung und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ist. Auf die Antwort zu Frage 5 nehme ich insoweit Bezug. Der sodann auf den 29. November 2017 bestimmte Hauptverhandlungstermin musste aufgrund eines Befangenheitsgesuches, dem stattgegeben wurde, aufgehoben werden . Nach dem Richterwechsel wurde Termin zur erneuten Hauptverhandlung auf den 14.März 2018 bestimmt. lm Rahmen der Hauptverhandlung beantragte der Wahlverteidiger die Aussetzung des Verfahrens, da er eigenen Angaben zu Folge keine Einsicht in die Beiakte zum Verfahren hatte. Nach erneutem Richterwechsel erfolgte schließlich die Terminierung der Hauptverhandlung auf den 26. September 2018. Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUIVI DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw Frage 2: Welche Maßnahmen ergreift die Sächsische Staatsregierung um für relativ einfache Lebenssachverhalte angemessene Verfahrensdauern (sowohl Ermittlungsals auch Hauptverfahren) zu gewährleisten? Um eine angemessene Verfahrensdauer in Ermittlungs- und Hauptsacheverfahren zu gewährleisten, trägt das Sächsische Staatsministerium der Justiz dafür Sorge, dass die Amts- und Landgerichte sowie die Staatsanwaltschaften ausreichend mit Personal ausgestattet sind. Der Personalbedarf der Gerichte und Staatsanwaltschaften wird nach einem bundeseinheitlich abgestimmten System zur Personalbedarfsberechnung (PEBB$Y) ermittelt. Dabei handelt es sich um ein transparentes, wissenschaftlich fundiertes und zudem fortschreibungsfähiges Verfahren zur Berechnung des Personalbedarfs , das eine faire Verteilung des zur Verfügung stehenden Personals in der Justiz ermöglicht. Der nach PEBBSY ermittelte Personalbedarf entspricht der notwendigen Personalausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften, mit der dem Justizgewährungsanspruch angemessen Rechnung getragen wird. Unter Berücksichtigung des rechnerischen Personalbedarfs nach PEBBSY sind die Amts- und Landgerichte sowie die Staatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen gemessen an der Anzahl der an dem Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft tätigen Richter /Staatsanwälte bedarfsentsprechend mit Personal ausgestattet. Soweit an einzelnen Gerichten/Staatsanwaltschaften personelle Engpässe beispielsweise durch Langzeiterkrankungen auftreten, werden diese durch die vorübergehende Abordnung oder Zuweisung von Richtern/Staatsanwälten verstärkt. Darüber hinaus werden, um in geeigneten Fällen die Verfahrensdauer zu verkürzen, seitens der Staatsanwaltschaften vermehrt Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren (S 417 Strafprozessordnung - StPO -) gestellt. Seite 3 von 6 STAATSMINISTERIUIVI DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw Frage 3: Welche Entschädigungsleistungen kommen für den Angeklagten einerseits für die unverhältnismäßig lange Sitzungshaft und andererseits für die überlange Gesamtverfahrensdauer in Betracht? Entschädigungsleistungen wegen unverhältnismäßig langer Sitzungshaft kommen wie folgt in Betracht: a) Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen kann sich aus Art, 5 Abs. 5 EMRK ergeben . Art. 5 Abs. 5 EMRK begründet unmittelbar einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat. Er kann nur im Zivilrechtsweg geltend gemacht werden und steht jeder Person zu, die unter Verletzung von Art. 5 EMRK von Festnahme betroffen ist. Ein Verschulden der staatlichen Organe ist nicht erforderlich. Der Anspruch besteht vielmehr ab dem Moment, ab dem die Freiheitsentziehung objektiv rechtswidrig war. Voraussetzung ist darüber hinaus die Feststellung der Verletzung und das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens. b) Entschädigungsanspruch nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG) Soweit ein Angeklagter freigesprochen wurde, besteht zwar grundsätzlich gemäß I 2 Abs. 1 StrEG ein Anspruch auf Entschädigung für durch den Vollzug von Untersuchungshaft unmittelbar erlittene Schäden, Denn auch die Hauptverhandlungshaft nach S 230 Abs. 2 StPO fällt unter den Begriff der,,Untersuchungshaft". Allerdings ist eine Entschädigung nach S 5 Abs. 3 StrEG ausgeschlossen, wenn der Angeklagte die ,,Strafverfolgungsmaßnahme dadurch schuldhaft verursacht hat, dass er einer ordnungsgemäßen Ladung vor den Richter nicht Folge geleistet" hat. Dieser Ausschlussgrund liegt etwa dann vor, wenn wegen des Ausbleibens des Angeklagten ein Haftbefehl nach $ 230 Abs. 2 StPO ergeht und vollzogen wird. Seite 4 von 6 STAATSMINISTËRIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENt c) Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (S 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. Art 34 Grundgesetz (GG) Für den Fall, dass ein Angeklagter amtspflichtwidrig inhaftiert wird, kommen Amtshaftungsansprüche gemäß g 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG grundsätzlich in Betracht, über den Ersatz des durch die Amtspflichtverletzung verursachten und zurechenbaren materiellen und immateriellen Schadens verlangt werden kann. Ein solcher Anspruch setzt insbesondere eine vorsätzlich oder fahrlässig begangene Amtspflichtverletzung voraus, wobei die Rechtsprechung an dieses Erfordernis im Zusammenhang mit Haftbefehlen erhöhte Anforderungen stellt. Außerdem tritt nach S 839 Abs. 3 BGB eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn ein Angeklagter es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Soweit auch danach gefragt wird, welche Entschädigungsleistungen für die überlange Gesamtverfahrensdauer in Betracht kommen, ist auf SS 198, 199 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hinzuweisen. Bei dieser Anspruchsgrundlage handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch, wonach derjenige, der infolge unangemessener Dauer eines Strafverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen zu entschädigen ist, $ 198 Abs. 1 GVG. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten, g 198 Abs. 1 Salz2 GVG. Anspruchsvoraussetzung ist nach $ 198 Abs.3 GVG zudem das Erheben einer Verzögerungsrüge, um die Möglichkeit zur Abhilfe zu geben. Der Anspruch scheidet schließlich aus, wenn auf andere Weise eine Entschädigung erfolgt ist ($ 198 Abs, 4 cVG). Seite 5 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENt Frage 4: Auf welche Art und Weise wird von wem nachgehalten, ob und wann beigeordnete Pflichtverteidiger*innen zu ihren in Haft sitzenden Angeklagten tatsächlich Kontakt aufnehmen? (zu Drs. 6/11376 - Frage 1) Weder die Gerichte noch die Staatsanwaltschaften sind grundsätzlich dazu verpflichtet, bestellte Verteidiger daraufhin zu überwachen, ob sie ihre Verteidigungstätigkeit ordnungsgemäß erfüllen. Mangels Rechtsgrundlage kann es seitens der Staatsanwaltschaften und Gerichte keine formelle Kontrolle der Tätigkeiten des Pflichtverteidigers geben. Dies folgt bereits daraus, dass es sich nach $ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) beidem Rechtsanwalt um ein unabhängiges Organ der Rechtspflege handelt. ln Fällen, in denen klar erkennbar ist, dass der bestellte Verteidiger unwillig ist, den Angeklagten sachgerecht zu verteidigen, kann die Fürsorgepflicht des Gerichts jedoch ausnahmsweise dessen Ablösung gebieten. Dies kann etwa in Betracht kommen, wenn ein Pflichtverteidiger zu dem in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten über längere Zeit keinen Kontakt aufnimmt. Die Entscheidung über die Entbindung des bisherigen und die Bestellung eines neuen Verteidigers unterliegt dabei der richterlichen Unabhängigkeit . Frage 5: Wie ist der Stand der dienstrechtlichen Prüfung des Verhaltens des zuständigen Richters durch den Präsidenten des Landgerichts Görlitz bzw. mit welchem Ergebnis wurde sie aus welchen Gründen beendet? (zu Drs. 6/11376 - Frage 5) Die dienstrechtliche Prüfung des Verhaltens des zuständigen Richters ist nicht abgeschlossen , da ein Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch aussteht. Mit freundlichen Grü ßen Sebastian Gemkow Se¡te 6 von 6 2018-10-30T12:15:38+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes