STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 1 O 1 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Enrico Stange (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/14998 Thema: Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,In der Frankfurter Zeitung vom 05.09.2018 ist zu lesen: ,,2016 wurden über 15.000 Verfahren über die Unterbringung von Kindern in geschlossenen Heimen durchgeführt - mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren." (Quelle: http://www.faz.net/aktuelle/gesellschaWmenschen/immer-mehr-kinderin -deutschland-sollen-in-geschlossene-heime-15772368.html, zuletzt aufgerufen am 04.10.2018)" Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Gegenstand der Kleinen Anfrage ist die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen in Sachsen. Abgefragt werden allgemeine Daten über die quantitative Inanspruchnahme. Bei der Kinder- und Jugendhilfe handelt es sich um kommunale weisungsfreie Pflichtaufgaben, die nicht in die Zuständigkeit der Staatsregierung fallen. Folglich erfüllen die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ihre Aufgaben als Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung grundsätzlich eigenverantwortlich . Diese Selbstständigkeit ist eines der tragenden Grundprinzipien des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Selbstverwaltungsaufgaben sind für die aufsichtsführenden Behörden nur rechts-, jedoch nicht fachaufsichtlich überprüfbar. Zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen ist die Staatsregierung lediglich verpflichtet, die bei der Führung der Rechtsaufsicht gewonnenen Erkenntnisse darzulegen und nicht durch eine Abfrage bei den Kommunen sich diese Erkenntnisse zu verschaffen . Bisher hatte die Staatsregierung keine Veranlassung, allgemein in der gewünschten Weise gegenüber den Jugendämtern im Freistaat Sachsen aufsichtlich tätig zu werden, so dass entsprechende Erkenntnisse nicht vorliegen. Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 42-0141.51-18/889 Dresden, November 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 O 01097 Dresden STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Die Staatsregierung kann deshalb zu den Fragen nur Aussagen treffen, soweit diese Gegenstand der vom Statistischen Landesamt des Freistaates geführten gesetzlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik nach§§ 98 ff. SGB VIII sind. Frage 1: Wie viele Anträge auf Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen gab es in Sachsen in den Jahren 2006 bis 2018? (Bitte aufstellen nach Jahren, Gerichtsstandort, Kindern und Jugendlichen!) Frage 2: Wie vielen Anträgen auf Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen wurden in Sachsen in den Jahren 2006 bis 2018 zugestimmt ? (Bitte aufstellen nach Jahren, Gerichtsstandort, Kindern und Jugendlichen !) zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Die Unterbringung eines Kindes bedarf gemäߧ 1631b Abs. 1 BGB der Genehmigung des Familiengerichts. Die Anzahl der bei den sächsischen Amtsgerichten in den Jahren 2006 bis 2018 (1. und II. Quartal) erledigten familiengerichtlichen Unterbringungsverfahren nach§ 1631b Abs. 1 BGB kann - basierend auf der amtlichen Statistik in Familiensachen - anliegender Tabelle entnommen werden. Bei der Erhebung jener Daten findet weder eine Aufschlüsselung nach dem Ausgang des Verfahrens (Genehmigung der Unterbringung , Versagung der Genehmigung oder andere Erledigungsgründe, wie z.B. Rücknahme des Antrags), noch nach dem Alter der minderjährigen Betroffenen oder nach der Art der Unterbringung (Krankenhaus, Heim oder sonstige Einrichtung) statt. Von einer weitergehenden Beantwortung seitens der Staatsregierung wird abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten , so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Im vorliegenden Fall wäre durch eine vollständige Beantwortung die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung gefährdet. Für die umfassende Beantwortung der Fragen 1 und 2 wäre die Durchsicht sämtlicher erledigter Verfahren der Amtsgerichte, in denen eine Unterbringung gemäߧ 1631 b BGB Gegenstand war- insgesamt 6.990 Akten - erforderlich. Für das Anfordern, das Suchen, den Transport der Akten sowie Auswertung und Dokumentation im Sinne der Fragestellung und den Rücktransport der Akten ist selbst bei zurückhaltender Schätzung von einer Bearbeitungszeit von durchschnittlich jedenfalls nicht weniger als 15 Minuten pro Akte Seite 2 von 3 Freistaat SACHSEN STAATSM1N1STER1UM FÜR SOZlALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ auszugehen. Ausgehend von einer 40-h-Woche sind daher 11 Mitarbeiter notwendig, um die Frage im zur Verfügung stehenden Zeitraum von vier Wochen zu beantworten. Andere Aufgaben können währenddessen nicht wahrgenommen werden. Nach Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der Justiz andererseits wird, auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts, aus Gründen der Zumutbarkeit von der umfassenden Beantwortung der Frage abgesehen. Frage 3: Wie viele Unterbringungsplätze für Kinder und Jugendliche in geschlossenen Heimen werden gegenwärtig in Sachsen vorgehalten? (Bitte aufstellen nach Standorten!) Frage 4: Wie viele Kinder und Jugendliche waren jeweils zum Stichtag 1. Januar der Jahre 2006 bis 2018 in geschlossenen Heimen in Sachsen untergebracht? (Bitte aufstellen nach Jahren, Standort, Kindern und Jugendlichen!) zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Im Freistaat Sachsen gibt es derzeit keine geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen im Sinne des§ 45 SGB VIII. Mit freundlichen Grüßen Anlage Seite 3 von 3 Freistaat SACHSEN Anlage zur KA 6/14998 Erledigte famlliengerichtliche 2006 2007 2008 2009 Unterbrlngungsverfahren nach§ 1631b Abs. 1 BGB AG Annaberg-Buchholz•* 1 4 3 2 AG Aue 9 5 6 12 AG Chemnitz 13 11 11 17 AG Döbeln 8 4 6 5 AG Freibera 5 8 7 10 AG Hainichen„ 3 12 7 6 AG Marienbera 4 2 4 5 AG Stollbera•• 0 2 3 2 AG Dippoldiswalde 8 24 19 22 AG Dresden 51 110 80 102 AG Meißen 25 20 19 16 AGPima 17 20 31 27 AG Riesa 6 9 8 6 AG Bautzen 7 12 16 20 AG Görlitz 9 27 18 18 AG Hoverswerda 20 17 13 15 AG Kamenz 15 28 33 27 AG Löbau•• 7 9 8 16 AG Weißwasser 3 4 1 2 AG Zittau 4 3 14 5 AGBoma 9 8 8 6 AG Eilenbura 3 3 9 9 AG Grimma 4 12 6 13 AG Leiozia 81 106 77 58 AG Oschatz„ 5 1 2 1 AG Toraau 5 3 0 6 AG Auerbach 2 6 4 3 AG Hohenstein-Ernstthal 7 4 7 6 AG Plauen 3 8 10 10 AG Zwickau 3 14 13 18 gesamt 337 496 443 465 • 1. und II. Quartal 0 0ie Amtsgerichte Annaberg~Buchholz, Hainichen, Löbau, Stollberg und Oschatz wurden im Wege der Standortereform zum 1. Januar 2013 in Zweigstellen umgewandelt (vgl. Art. 1 Nr. 3 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa zur Änderung der Sächsischen Justizorganisationsverordnung und zur Aufhebung einer weiteren Verordnung vom 13. Dezember 2012 (SächsGVBI. 5. 782)]. Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen 2010 2011 4 13 22 11 17 12 3 3 27 128 23 45 7 27 18 7 19 12 2 6 15 7 9 74 3 3 3 16 13 18 567 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018* gesamt 8 9 0 31 8 15 24 30 23 28 35 12 220 14 14 13 7 18 14 19 12 185 10 6 10 20 13 13 11 8 125 13 7 9 10 15 12 12 3 128 3 12 0 55 3 5 11 19 13 20 19 11 119 0 7 0 17 30 19 18 26 21 26 24 11 275 103 133 177 130 136 125 132 62 1469 33 22 30 25 32 18 26 16 305 62 31 51 45 29 30 30 9 427 4 12 10 6 6 7 8 4 93 17 15 21 27 34 29 30 20 275 7 15 22 16 20 11 13 10 204 6 13 8 10 14 9 10 7 149 29 22 22 42 45 22 22 19 345 12 6 0 70 6 4 7 7 11 9 8 4 68 9 12 10 9 36 44 21 14 187 14 26 6 12 6 8 9 9 136 8 6 4 2 1 16 19 3 90 7 1 3 7 8 16 17 4 107 73 98 95 92 110 99 119 54 1136 5 3 0 20 4 5 6 4 10 4 9 5 64 8 9 5 3 7 22 14 7 93 18 10 14 17 9 6 13 6 133 9 25 20 18 23 19 18 7 183 25 24 39 37 30 20 33 7 281 6990 548 586 635 621 670 627 671 324 2018-11-07T18:45:44+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes