STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Jul iane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/15253 Thema: Trennung eines Mannes tunesischer Staatsbürgerschaft von Ehefrau deutscher Staatsbürgerschaft durch Abschiebung Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Laut Information der Fragestellerin kam es am 11. September in Zwickau zur Abschiebung eines Mannes tunesischer Staatsbürgerschaf t . Mehr als zwei Jahre lang führte er berei ts eine Ehe mit einer Frau deutscher Staatsbürgerschaft . Das Standesamt genehmigte die Ehe. Al lein d ie Ausländerbehörde Zwickau warf dem Ehepaar vor, eine Scheinehe zu führen. In Drs. 6/12651 antwortet das Staatsminister ium des Innern auf Anfrage der Fragestel lerin: „Art. 6 GG verpflichtet als wertentscheidende Grundsatznorm die zuständigen Behörden, bei der Entscheidung über aufenthal tsbeendende Maßnahmen d ie fami l iären Bindungen des Ausländers zu berücksicht igen. Der Schutz gebietet es aber n icht , generel l von der Abschiebung eines Fami l ienangehörigen abzusehen. Bevor eine Entscheidung über d ie Abschiebung getrof fen wi rd, werden jedoch d ie Umstände des Einzel fal les eingehend geprüft ." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Gründe führte d ie Ausländerbehörde sei t wann für den Vorw ur f der Scheinehe an, w elche Maßnahmen ergr i f f das Paar , um den Vorwurf zu widerlegen und warum wurden d iese Bemühungen n icht im Sinne des Paares berücksicht ig t? Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/42/278 Dresden, 30. November 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Frage 2: Warum wartete die Ausländerbehörde nicht ab, b is d ie Prüfung der Ehe abgeschlossen war bevor sie mit der Prüfung der Umstände des Einzelfalls über den Vollzug der Abschiebung des Ehemannes begann? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Die Ausländerbehörde Zwickau stützte ihre Entscheidungen nicht auf den möglichen Verdacht einer Scheinehe. Die Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erfolgte, weil nicht alle allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (u. a. Einreise ohne das erforderliche Visum) für eine Aufenthaltserlaubnis erfüllt gewesen sind. Insoweit kam es auf das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Ergebnis nicht mehr an. Frage 3: Wurden Maßnahmen von Seiten der Behörden oder der Betrof fenen eingeleitet , die die Wiederherstellung der Ehe in Deutschland zum Ziel haben? Der Betroffene hat einen Antrag auf Verkürzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG gestellt. Die Behörde prüft diesen Antrag. Frage 4: Auf Grund welcher Rechtsgrundlage prüfen Ausländerbehörden die Ehen zweier Menschen beziehungsweise, welche Anhaltspunkte müssen vorl iegen, damit eine solche Prüfung eingeleitet werden kann, welche Rechtsmittel können die Bet rof fenen dagegen ein legen und welche Kr i ter ien müssen sie erfü l len, um den Vorwurf auszuräumen? Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen ist immer dann ausgeschlossen , wenn zwischen den Eheleuten keine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG besteht. Allein das formale Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten. Vielmehr setzt eine nach deutschem Recht geschützte Ehe voraus, dass die Eheleute in einer dauerhaften, durch enge persönliche Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägten Beziehung ihr Leben gemeinsam gestalten. Diese Verbundenheit dokumentiert sich nach außen regelmäßig in der gemeinsamen Lebensführung und damit in dem erkennbaren Bemühen, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen. Kennzeichnend dafür ist ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt , der im Allgemeinen durch eine gemeinsame Wohnung zum Ausdruck kommen wird (vgl. Hessischer VGH, Beschluss v. 21.08.2013 - 3 B 1684/13 -). Im Übrigen ist der Nachzug zum im Bundesgebiet lebenden Ehegatten gemäß § 27 Abs. la AufenthG ausgeschlossen, wenn die Ehe nur zu dem Zwecke geschlossen wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Scheinehe können bei Zusammentreffen mehrerer Indizien sein: - vorausgegangene Scheinehen, - keine gemeinsame Sprache, Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN - andere fortbestehende Beziehungen, - wenig Kontakte zwischen den Ehegatten vor oder nach der Heirat, - anderes familiäres oder wirtschaftliches Interesse an der Einreise/dem Aufenthalt, - keine oder nur geringe Kenntnisse von den persönlichen Lebensumständen des anderen Ehegatten, - großer Altersunterschied, - getrennte Wohnsitze (wenn nicht berufsbedingt), - Anzeigen Dritter sowie - keine gemeinsame Vorsprache in der Behörde vor der Eheschließung. In der Regel führt die Ausländerbehörde im Falle des Verdachtes der Scheinehe eine Ehegattenbefragung durch. Die Eheleute werden u. a. zu alltäglichen Begebenheiten (Wohnung, Beruf, Alltag), familiären Verhältnissen (Eltern, Geschwister etc.) und zu den Umständen des Kennenlernens und der Eheschließung befragt. Bei Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft kann hierüber der Verdacht einer Scheinehe regelmäßig ausgeräumt werden. Gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis mangels Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ist der Widerspruch statthaft. Frage 5: Wie viele Menschen nichtdeutscher Staatsbürgerschaft wurden in Sachsen von ihren Ehepartnerinnen deutscher Staatsbürgerschaft seit 01. Januar 2015 getrennt (bitte aufschlüsseln nach Alter der Betroffenen, Landkreis/kreisfreie Stadt, Staatsbürgerschaft, Zielland der Abschiebung)? Die Angaben der Landkreise und der Stadt Chemnitz sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen: Alter _ 1 Stadt/Landkreis Staatsangehörigkeit Zielland der Abschiebung 31 Zwickau Tunesien Tunesien 40 Zwickau Indien Indien 52 Chemnitz, Stadt Indien Indien 36 Chemnitz, Stadt Vietnam Vietnam 45 Chemnitz, Stadt Brasilien Brasilien 35 Chemnitz, -Stadt Tunesien Tunesien 30 Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge (SOE) Tunesien Tunesien 36 SOE Tunesien Tunesien 32 SOE Tunesien Tunesien 32 SOE Tunesien Tunesien 33 Leipzig Russland Russland 33 Bautzen Tunesien Tunesien 40 Bautzen Tunesien Tunesien Die Stadt Leipzig und die Landkreise Görlitz, Meißen, Mittelsachsen, Nordsachsen und der Vogtlandkreis erstatteten Fehlmeldung. Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Von einer umfassenden Beantwortung der Frage seitens der Staatsregierung wird abgesehen . Gemäß Artikel 51 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht der Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt ist. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. Säch- VerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Die Landesdirektion Sachsen (LDS) und die Ausländerbehörden der Landeshauptstadt Dresden und des Erzgebirgskreises führen keine Statistiken über die Trennung von Menschen nichtdeutscher Staatsbürgerschaft von ihren deutschen Ehepartner*innen. Zur sachgerechten Beantwortung der Frage wäre eine Einzelauswertung der geführten Ausländerakten erforderlich. So würde z. B. die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Dresden bei einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 20 Minuten zur Beschaffung und Sichtung einer Akte bei 137 rückgeführten Personen über 45 Stunden benötigen , was den zumutbaren Aufwand einer 40 -Stunden -Woche überschreitet. Die LDS müsste die vorliegenden Akten zu den 4.566 erfolgten Abschiebungen im erfragten Zeitraum anfordern und händisch auswerten. Für die Auswertung ist pro Akte ein Gesamtaufwand von durchschnittlich einer Stunde zu veranschlagen. Hieraus ergibt sich ein Arbeitsaufwand von 4.566 Arbeitsstunden. Die Mitarbeiter der LDS und der beiden Ausländerbehörden stünden für die Kernaufgaben nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der sächsischen Verwaltung andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne Einschränkung der Funktionsfähigkeit der genannten Behörden nicht zu leisten ist. Mit-frendlichen Grüßen, ,. Pf. i (..„„„,...4r. oland «\./1/öller Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2018-11-30T11:39:49+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes