STAATSNIINISTERIUM DES iNNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/15365 Thema: Repressives Vorgehen sächsischer Behörden gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (1990) Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „An den Protestbekundungen gegen den Aufmarsch der rechtsextre-men und neonazistisch einzustufenden Partei ‚Der Ill. Weg‘ am 1. Mai 2018 in Chemnitz, an denen auch der Ministerpräsident desFreistaates Sachsen, Michael Kretschmer, teilnahm, beteiligten sichauch Mitglieder der KPD, die teilweise auch als KPD OST bezeichnetwird, die in der sogenannten Wendezeit im Januar 1990 im damaligen Ostberlin gegründet wurde. Bereits während der Protestkundgebung auf dem Stefan-Heym-Platz inChemnitz verlangten Vertreter der Versammlungsbehörde vom Trägereiner mitgeführten Fahne der KPD ohne weitere rechtliche Begrün-dung diese Fahne einzurollen, respektive nicht weiter zu zeigen. In der Folge, nachdem sich die Kundgebungsteilnehmer der KPD zum Karl-Marx-Monument begeben hatten, wurden diese durch Polizeibeamte inEinsatzuniform angehalten und es wurde erklärt, dass die Parteifahneals verbotenes Symbol beschlagnahmt werde. Trotz des Verweises derKPD-Vertreter darauf, dass die im Zuge der Wende im Januar 1990 inOstberlin gegründete Kommunistische Partei Deutschlands eine durchden Einigungsvertrag anerkannte politische Partei der ehemaligenDDR sei, die nicht unter das KPD-Verbot der Bundesrepublik Deutsch-land von 1956 falle, zur Teilnahme an allen Wahlen zum DeutschenBundestag, den Landtagen und kommunalen Körperschaften zugelassen ist, auch in der ersten Wahlperiode des Sächsischen Landtages 1994 mit einem Abgeordneten im Landtag vertreten war und Mandateauf Kommunalebene innehabe, verblieb es bei der Beschlagnahmeentscheidung .“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: ('57—. Freistaat1‘3 SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 3-1053/67/82 Dresden, 7. Dezember 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilheim-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7. 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES iNNERN —\ Frage 1: Hat die Staatsregierung von den geschilderten oder ähnlichen repressiven Vor-gehen sächsischer Versammlungs- und Sicherheitsbehörden gegenüber der be-sagten KPD Kenntnis und in welchen Zusammenhängen wurde sie mit derartigen Sachverhalten konfrontiert? Der Staatsregierung sind im Ergebnis der durch die Kleine Anfrage veranlassten Abfra-gen zwei Sachverhalte zu der in Frage stehenden Thematik bekannt. Dies betrifft zum einen den der Kleinen Anfrage zugrunde liegenden Sachverhalt vom1. Mai 2018 im Kontext des Versammlungsgeschehens in Chemnitz. Durch die Versammlungsbehörde der Stadt Chemnitz wurde am 1. Mai 2018 in einerVersammlung eine Person festgestellt, welche eine rote Fahne mit gelber Aufschrift,,KPD“ offen bei sich führte und diese aktiv schwenkte. Vor dem Hintergrund der An-nahme, dass dies unter Umständen einen strafrechtlichen Verstoß gegen § 86a Straf—gesetzbuch (StGB) (Verdacht der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidrigerOrganisationen) darstellen könnte, wurde die Person festgestellt und zum Zwecke einerIdentitäts- und Sachverhaltsklärung angehalten. Während der Kontrolle wies die Per—son ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Dresden vor, in welchem sinngemäß dieStrafbarkeit einer KPD-Fahne geprüft und im Ergebnis verneint wurde. In der Vor-Ort-Situation sahen sich die Bediensteten der Versammlungsbehörde und des Polizeivoll-zugsdienstes nicht in der Lage festzustellen, ob es sich bei der mitgeführten Fahne umdie im Schreiben der Staatsanwaltschaft Dresden benannte „straffreie“ Fahne handelte. Der Fahnenträger wurde aufgefordert, die Fahne einzurollen. Er kam dieser Aufforde-rung nach. Aufgrund der unklaren Sachlage, ob es sich bei der mitgeführten Fahne umdie im Schreiben der Staatsanwaltschaft Dresden benannte „straffreie“ Fahne handelte,erklärte sich der Betroffene freiwillig bereit, zur Polizeidienststeiie verbracht zu werden.Dort wurde ihm der Sachverhalt nochmals erläutert und bezüglich des Zeigens derKPD-Fahne zum Verdacht der VenNendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB als Beschuldigter gehört. Die Fahne wurde freiwilligherausgegeben und sichergestellt. Das Verfahren wurde durch die PolizeidirektionChemnitz abschließend bearbeitet und die Ven‘ahrensakte gemeinsam mit der in Redestehenden Fahne zur strafrechtlichen Entscheidung der Staatsanwaltschaft Chemnitzvorgelegt. Des Weiteren kann zu einem Sachverhalt aus Dresden aus dem Jahr 2017 berichtet werden. Hier war während des Versammlungsgeschehens am 28. Oktober 2017 („JahrestagPEGIDA“) ein (Gegen-)Demonstrant festgestellt worden, welcher eine Fahne mit demAufdruck ,,KPD“ und dem Symbol ,,Hammer und Sichel“ trug. Nach Rücksprache mitder Staatsanwaltschaft Dresden war die Fahne sichergestellt und ein Ermittlungsver-fahren wegen des Anfangsverdachts einer Straftat nach § 86a StGB eingeleitet wor-den. Beide Verfahren wurden nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (siehe dazu auch die Antwort auf die Frage 3). Seite 2 von 4 L'l";7:1 Freista at. SACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Im Sachzusammenhang ist anzumerken, dass die aufgrund entsprechender Anzeigender in den beiden Fällen betroffenen Maßnahmeadressaten wechselseitig ausgelöstenErmittlungsverfahren wegen der Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) seitens derzuständigen Staatsanwaltschaften ebenfalls gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wur—den. Frage 2: Welche rechtlichen Regelungen gelten für die sächsischen Behörden bezüglichdes Umgangs mit der genannten Partei und deren Symbolik im Freistaat Sach-sen? Spezielle Regelungen für den Umgang mit der 1990 gegründeten KommunistischenPartei Deutschlands (OST) existieren nicht. Die Kommunistische Partei Deutschlands (OST) unterlag bisher keinem Verbotsverfah-ren. Da sie mithin nicht verboten ist, fand und findet keine strafrechtliche Verfolgungder Partei an sich oder ihrer Symbole statt. Die Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom 17. August 1956, durch welche die bereits 1956 gegründete Kommunisti—sche Partei Deutschlands (KPD) verboten wurde, gilt nicht für die erst 1990 in Ost-Berlin gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (OST). Die Symbole der im Jahr 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunis—tischen Partei Deutschlands (KPD) unterfailen jedoch gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGBi. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB dem Kennzeichenverbot. Als Kennzeichen der verbote—nen KPD (gegr. 1918) werden insbesondere „Hammer und Sichel" angesehen, die inunterschiedlichen Darstellungsformen venNendet wurden: Der fünfzackige Stern mit der Symbolik von „Hammer und Sichel“ wird aktuell auch vonder KPD (gegr. 1990) in verschiedenen Ausführungen genutzt, beispielsweise auf derin'ternetpräsenz1 und auf Plakaten oder Flyern. „Hammer und Siehe!“ haben allerdings nach heute herrschender Meinung keinen aufdie KPD (gegr. 1918) gerichteten Symbolgehalt mehr. Beides sind typische und welt-weit stark verbreitete Symbole, die mit der Sowjetunion, dem Kommunismus oder all-gemein mit kommunistischen Parteien assoziiert werden. Diese Kennzeichen sind da-her von § 86a StGB nur erfasst, soweit sie gerade als Kennzeichen der verbotenenKPD (gegr. 1918) gebraucht werden. Inwieweit nach diesen Grundsätzen das Mitführen oder Zeigen einer solchen Fahne imRahmen einer öffentlichen Kundgebung im 0. g. Sinne strafbar ist, ist von den zustän-digen Strafverfolgungsbehörden und ggf. letztendlich den Gerichten, je nach den Um-ständen des Einzelfalles und der Beweislage, zu beurteilen. Im Einzelfall könnte des-halb die Überprüfung eines entsprechenden Anfangsverdachts geboten sein. 1 www.k—p-d-online.de Seite 3 von 4 iflf—x FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES iNNERN . r. ) Frage 3: Sind der Staatsregierung konkrete Entscheidungen der sächsischen Justiz, res-pektive von Staatsanwaltschaft und Gerichten bezüglich der rechtlichen Bewer-tung von Symbolen der KPD (OST) und namentlich der Parteifahne bekannt undwenn ja, welche? Es ist nicht möglich, in den Datenbanken der Staatsanwaltschaften nach Entscheidungen zur Bewertung von Symbolen einer bestimmten Gruppierung zu suchen. Aus derErinnerung der staatsanwaltschaftlichen Bearbeiter sind jedoch zwei Fälle bekannt: Bei der Staatsanwaltschaft in Chemnitz wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Ver—wendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 863 StGBgeführt und nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die verfahrensrelevante Fahne keinKennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation enthalten habe. (Dies betrifft denin der Antwort auf die Frage 1 zum Versammlungsgeschehen in Chemnitz am 1. Mai 2018 beschriebenen Sachverhalt.) Bei der Staatsanwaltschaft Dresden wurde bisher ein Verfahren betreffend des Zeigenseiner Parteifahne der Kommunistischen Partei Deutschlands (OST) geführt und nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gerichtsentscheidungen der sächsischen Justiz sind nicht bekannt. Frage 4: Beabsichtigt die Staatsregierung, soweit dies noch nicht geschehen ist, die ver-bindliche Auslegung betreffs der rechtlichen Behandlung dieser KPD und deren Symbolik, die für alle zuständigen sächsischen Behörden gelten, vorzugebenund auf welchem Wege wird dies geschehen? Da die Rechtslage klar ist, bedarf es jedenfalls für den Bereich der Justiz keiner Vorga-be einer verbindiichen Auslegung der rechtlichen Behandlung der Kommunistischen Partei Deutschlands (OST) und ihrer Symbolik. Das Staatsministerium des Innern hat aus Anlass der vorliegenden Kleinen Anfragedas Landeskriminalamt Sachsen beauftragt, die Polizeidienststellen zum Umgang mitFeststellungen des VenNendens von Kennzeichen der KPD in der Öffentlichkeit zusensibilisieren. Die diesbezügliche Umsetzungsmaßnahme soll flankierend auch denVersammlungsbehörden zugeleitet werden. undlichGrüßen o . Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 Freistaat‘ SACHSEN 2018-12-07T09:32:48+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes