STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTER IUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DlE LINKE) Drs.-Nr.: 6/15410 Thema: Verfahren wegen Tatbeteil¡gung an Neonaziangriff in Leipzig- Connewitz am 11. Januar 2016 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Laut Mediendarstellungen gab es während des Angriffs von etwa 250 Neonazis in Leipzig-Connewitz am 11. Januar 2016 mehrere Verletzte. ln einem Beitrag beim Stadtmagazin Kreuzer (https://kreuzerl ei pzi g.de/201 8 I 1 1 I 1 5 lv erl etzte-bei-con newitzan g riffl) wi rd von einem jungen Mann berichtet, in dessen Wohnung aus der Neonazi- Menge ein Geschoss, vermutlich eine Rauchbombe, geworfen wurde, mittels dessen er Brandverletzungen erlitt. Außerdem seien vier weitere Personen von dem Neonazimob auf der Wolfgang-Heinze-Straße zusammengeschlagen worden. Der Richter am Amtsgericht Pirk äußerte im Rahmen der Urteilsverkündung beim ersten Prozess gegen die Connewitz- Angreifer, dass es nur durch ein Riesenglück keine Verletzten gegeben habe. Bisher wurden diese Vorfälle in den stattgefundenen Gerichtsverhandlungen nicht gewürdigt. Die erstere Person war zwar im Verfahren gegen die n,Freie Kameradschaft Dresden" als Zeuge geladen, nicht jedoch in den Prozessen am Amtsgericht Leipzig." Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 1500 Telefax +49 351 564 1509 Staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bel Antwort angeben) 1040E/13/1415 - KLR Dresden, { . Dezember2018 ìIì,WWJOB.M¡T-I.DE Hausanschrift: Sächsisches Staatsministef ium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost übor Deutsche Post 01095 Dresden www.iustiz.sachsen.de/smj Vefkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parken und behindêrtengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 Hinweise zum Datenschutz erhalten Sie auf unserer lnternetseite . Auf Wunsch senden wir lhnen d¡ese Hinweise auch zu. *Zugang Í.jr eleklronisch sign¡erts sow¡e für verschlüsselte elektron¡sche Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Vsrwaltungsposlach; nåhgre lnlormalionen unter w.egvp.ds t TOB MIT 1' o Seite 1 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENU Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Staatsregierung durch den Angriff der Neonazi-Gruppe am 11.1.2016 in Leipzig-Connewitz verletzt und wie viele entsprechende Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungshandlungen sind oder waren anhängig? (bitte auch Anzahl der Beschuldigten, Straftatbestand und Verfahrensstand angeben) lm zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen am 11. Januar 2016 kam es durch einzelne Täter aus der Gruppierung der rechtsextremen Randalierer zu Körperverletzungshandlungen zum Nachteil von insgesamt vier Personen. Ein durch eine unbekannte Person abgeschossener Rauchkörper durchschlug die Fensterscheibe einer Wohnung in Leipzig und traf eine dort wohnende Person am Oberarm. Diese erlitt in der Folge eine Brandwunde. Zudem sprühten unbekannte Täter Pfetferspray in ein Lokal, wodurch eine zu diesem Zeitpunkt dort angestellte Person und zwei unbekannte Gäste durch versprühtes Reizgas Probleme beim Atmen und mit den Augen hatten sowie ÜOelteit erlitten. Die beiden im Rahmen der Ermittlungen bekannt gewordenen Sachverhalte waren jeweils Gegenstand der Ermittlungsverfahren, die gegen die in der Auerbachstraße in Leipzig festgesetzten Beschuldigten wegen des Tatvorwurfs des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall geführt wurden. Die Ermittlungen führten nicht zur ldentifizierung der Täter. Gesonderte Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Tatvorwurfs der (gefährlichen) Körperverletzung aufgrund dieser beiden Tathandlungen wurden nicht eingeleitet. Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENIt Frage 2: Warum wurden etwaige Gewalthandlungen gegen Personen nicht in die Anklageerhebung und Verhandlungen gegen die beschuldigten Neonazis einbezogenn obwohl dies,,ein strafzumessungsrelevantes Kriterium sein" könnte und warum waren Opfer von etwaigen Körperverletzungshandlungen bisher nicht in den gelaufenen Gerichtsverhandlungen gegen insgesamt acht des besonders schweren Landfriedensbruch beschuldigte und entsprechend verurteilte Personen als Zeug*innen vorgeladen bzw. wurden wieder ausgeladen? Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen handelt es sich bei den Handlungen , die zu Verletzungen bei den vorgenannten Personen führten, um die Taten Einzelner , deren ldentität nicht aufgeklärt werden konnte. Die Körperverletzungshandlungen einzelner unbekannt gebliebener Mittäter konnten im Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen den in diesem Verfahrenskomplex Beschuldigten nicht zugerechnet werden. Aus diesem Grunde wurden die Körperverletzungshandlungen auch nicht Gegenstand der in diesem Verfahrenskomplex erhobenen Anklagen wegen des Tatvorwurfs des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall. Die beiden bekannten Geschädigten wurden in einer Hauptverhandlung vor dem Landgericht Dresden - Staatsschutzkammer - am 25. Juli 2018 und am 17 . August 2018 als Zeugen vernommen. Am 28. November 2018 wurde der durch den Rauchkörper verletzte Geschädigte in einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Leipzig - Strafrichter - als Zeuge gehört. Von einer weitergehenden Beantwortung der Frage wird abgesehen. Gemäß Artikel 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet , über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser lnformationspflicht entspricht das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Staatsregierung nach Artikel 51 SächsVerf. Die Staatsregierung ist dem Landtag und den Abgeordneten nur für ihre Amtsführung im Sinne einer Rechenschafts- und Einstandspflicht für eigenes Handeln verantwortlich. Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft ver- Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENU pflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die Vorgänge oder Umstände außerhalb ihres Verantwortungsbereichs betreffen (vgl. SachsAnhVerfG, Urteil vom 17. Januar 2000, NVwZ 2000, 671). Letzteres ist hier der Fall, denn aufgrund des verfassungsrechtlich verankerten Gewaltenteilungsprinzips , das wesentliches Merkmal eines demokratischen Rechtsstaates ist, ist die Verhandlungsführung den Richtern vorbehalten und der Staatsregierung sowohl eine Einflussnahme auf diese als auch eine Bewertung verwehrt. Das zuständige Gericht entscheidet im jeweiligen Einzelfall über die Ladung und ggf. Abladung von Zeugen in richterlicher Unabhängigkeit (Artikel 97 Grundgesetz, Artikel 77 Abs. 2 SächsVerf) und ist hierbei weder an Anträge der Staatsanwaltschaft noch an Anträge von Angeklagten und Verteidigern gebunden. Verfahrensleitende Verfügungen und Anordnungen sowie Entscheidungen des Gerichts unterliegen daher nicht dem Auskunftsrecht des Abgeordneten im Rahmen einer Kleinen Anfrage. Frage 3: ln insgesamt drei Prozessen gegen insgesamt sechs Beschuldigte wurden bisher Bewährungsstrafen verhängt, individuelle Sozialprognosen gegen die zum Teil aktiven Neonazis wurden nicht vorgenommen. Wie korrespondiert dieses Vorgehen aus Sicht der Staatsregierung mit $ 56 Absatz 1 SIGB? Von einer Beantwortung der Frage wird ebenfalls abgesehen. Aufgrund des verfassungsrechtlich verankerten Gewaltenteilungsprinzips ist die Rechtsprechung den Richtern vorbehalten und der Staatsregierung sowohl eine Einflussnahme auf gerichtliche Entscheidungen als auch das Bewerten von Entscheidungen verwehrt. Das zuständige Gericht entscheidet im jeweiligen Einzelfall über die konkret zu verhängende, schuldangemessene Strafe unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechender Umstände in richterlicher Unabhängigkeit. Dies gilt ebenso für die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gemäß $ 56 Strafgesetzbuch (StGB) zu Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine mit der Frage bezweckte Bewertung der Staatsregierung würde gegen die richterliche Unabhängigkeit verstoßen. Seite 4 von 5 STAATSMINISTËRIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN * Frage 4: Gegen wie viele bisher wegen besonders schweren Fall von Landfriedensbruch verurteilten Personen wurden bisher von welcher Partei welche Rechtsmittel eingelegt ? Die Frage wird hier so verstanden, dass danach gefragt ist, gegen wie viele Urteile seitens der Staatsanwaltschaft oder durch Angeklagte ein Rechtsmittel eingelegt wurde. lnsgesamt haben (Stand: 3. Dezember 2018) fünf Angeklagte gegen ihre Verurteilungen Berufung und ein Angeklagter Revision eingelegt. Die gegen ein Urteil des Landgerichts Dresden - Staatsschutzkammer - vom 24. Augusl2017 gerichtete Revision hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. August 2018 verworfen. Ein Angeklagter hat seine Berufung zurückgenommen, sodass nunmehr noch vier Berufungen anhängig sind. Frage 5: Wie viele weitere Anklagen wegen des Angriffs in Connewitz sind seit Beantwortung von Drs 6114275 wegen welcher Tatvorwürfe erhoben worden und wie viele Ermittlungsverfahren laufen derzeit noch? (bitte Zahl der Beschuldigten und Straftatbestand angeben) Seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drs.- Nr. 6114275 wurden keine weiteren Anklagen erhoben. Derzeit sind noch zwei Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Leipzig anhängig , die sich jeweils gegen einen Beschuldigten wegen des Tatvorwurfs des Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall richten. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 5 von 5 2018-12-13T15:15:21+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes