STAATSMlNlSTERlUM DES 1NNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (BÜNDNIS 90IDIE GRÜNEN) Drs.-Nr.: 6/15997 Thema: Abschiebeversuch mit Familientrennung einer syrischen Familie aus Riesa nach Italien am 06/07.12.2018 - Kindeswohlgefährdung Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Am 06.12.2018 holten Beamte der sächsischen Bereitschaftspolizei die Familie A. (Eheleute Abdulkarim und Baraa A., sowie der 3 Kinder - davon ein 16 Monate altes Kleinkind) aus einer Gewährswohnung in Riesa. Die Familie wurde dann zum Flughafen Frankfurt Main gefahren, um von dort nach Italien zu fliegen. Aufgrund ihres psychischen Zustandes konnte die Ehefrau in Frankfurt nicht abgeschoben werden. Daraufhin wurde die Familie getrennt. Der Vater wurde abgeschoben und die offensichtlich psychisch stark mitgenommene Frau allein mit den 3 kleinen Kindern in Frankfurt zurückgelassen. Ein von Anwohnern gerufener Sozialpädagoge, der während der Abholung der Familie aus ihrer Wohnung anwesend war, wies den Einsatzleiter darauf hin, dass die Frau sich in psychiatrischer Behandlung befindet und nicht reisefähig ist. Er vermittelt ein Telefongespräch mit der behandelnden Ärztin, die dem Beamten das am Telefon bestätigte. Trotzdem wurde die Abschiebung fortgesetzt. Der Sozialpädagoge berichtet weiterhin, dass die Kinder schreiend, weinend und orientierungslos durch die Wohnung liefen und die Eltern von den Beamten abgehalten wurden, sich um ihre Kinder zu kümmern und stattdessen packen sollten.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/42/309 Dresden, 25. Januar 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck—Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3. 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERiUM DES INNERN Frage 1: lnwiefern bestehen Regelungen oder Beschlüsse auf Landesebene, nach denen bei Abschiebungen mit Kindern (insbesondere Kleinkindern) neben den Polizeieinheiten auch eine pädagogisch geschulte Mitarbeiterin oder Mitarbeiter des Jugendamtes hinzuzuziehen ist, um eine Kindeswohlgefährdung zu vermeiden? Falls ja, was beinhalten die Regelungen? Wenn nein, warum nicht? Frage 2: Warum wurden im konkreten Fall keine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter der Jugendhilfe hinzugezogen obwohl bekannt war, dass Kinder von der Abschiebung mitbetroffen sind? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Regelungen oder Beschlüsse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Nach Auffassung der Staatsregierung besteht kein Bedarf, dazu abstrakt allgemeine Regelungen zu erlassen. Die Zentrale Ausländerbehörde prüft in jedem Einzelfall, ob ggf. Ärzte oder speziell geschultes Personal des Jugendamtes bei einer Abschiebungsmaßnahme hinzuzuziehen sind. Entsprechende Absprachen erfolgen bereits im Vorfeld der Abschiebung. Darüber hinaus ist den handelnden Beamten bewusst, dass jede Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung eine erhebliche psychische Belastung für die davon betroffenen Personen und nicht zuletzt für die Kinder darstellt. Dafür werden sie besonders geschult . Es wird hierzu auf die Antwort auf die Frage 5 verwiesen. Unabhängig davon ist stets zu beachten, dass grundsätzlich die Eltern im Rahmen ih— res Sorgerechts für ihre Kinder verantwortlich sind. Sie haben i. d. R. bis zur Abschiebung die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise, um die Belastungen einer zwangsweisen Rückführung zu vermeiden. Über entsprechende Möglichkeiten informieren die Landesdirektion Sachsen, kommunale Stellen und freie Träger der Rückkehrberatung ab Aufnahme in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Frage 3: Inwiefern bestehen Regelungen oder Beschlüsse auf Landesebene, wie mit Personen zu verfahren ist, deren Abschiebung aus gesundheitlichen Gründen abge— brochen werden muss und sich diese Personen nicht mehr in ihrem Wohnort befinden? Wenn ja, was beinhaltet diese Regelung? Wenn nein, warum nicht? Pauschale Regelungen für solche Fälle gibt es nicht; diese sind auch nicht erforderlich, da es sich hierbei immer um Einzelfallentscheidungen handelt. In diesem Sinne wird auch das weitere Verfahren nach Abbruch einer Abschiebung einzelfallbezogen gere— gelt. Eine pauschalierte Vorgehensweise würde dem Einzelfall oft nicht gerecht. Seite 2 von 3 FreistaatSACHSEN STAATSMiNiSTERiUM DES iNNERN Frage 4: Warum wurde im konkreten Fall die mit der Situation offensichtlich psychisch überforderte Mutter mit ihren 3 Kindern allein in Frankfurt zurückgelassen? Die Abschiebung der Frau und der Kinder wurde nicht aus gesundheitlichen Gründen, insbesondere nicht aufgrund einer bestehenden Reiseunfähigkeit abgebrochen, sondern aufgrund von Renitenz beider Elternteile am Flughafen. Es konnte jedoch |edig|ich für den Mann eine Sicherheitsbegleitung organisiert werden. Eine Trennung wäre ver— meidbar gewesen, wäre die Familie der vollziehbaren Ausreisepflicht freiwillig nachgekommen . Frage 5: Inwiefern werden die Beamten im Freistaat Sachsen, die Abschiebungen durchführen , auf den Umgang mit Kindern und Eltern während der Abschiebung vorbereitet , um traumatisierende und kindeswohlgefährdende Situationen zu vermeiden ? Wenn ja, welche Maßnahmen werden geschult. Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen der Ausbildung (Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene der Fachrichtung Polizei [LG 1.2 Poi]) bzw. des Studiums (Laufbahngruppe 2, erste Einstiegsebene der Fachrichtung Polizei [LG 2.1 Pol]) werden grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten zur Bewältigung von konfliktträchtigen Situationen vermittelt. Die dabei enNorbenen Kompetenzen sind bei nahezu allen potenziell zu enNartenden Einsatzanlässen anwendbar — auch auf Abschiebeeinsätze. Sowohl in der Ausbildung als auch im Studium werden neben rechtlichen Aspekten polizeilichen Einschreitens auch psychologische Gesichtspunkte betrachtet, die vor allem bei eingriffsintensiven Maßnahmen zu beachten sind. Die hier maßgeblich tangierten Themen „Konflikt“ und „Stress“ werden theoretisch im Fach Psychologie behandelt und später im polizeilichen Lagetraining und im Kommunikationstraining (LG 1.2 Pol) sowie im Modul 1 — Polizeiliches Handeln (LG 2.1 Pol) praktisch vertieft. Das Fach Berufsethik behandelt die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft, Ethik und Polizei. Daneben werden ethische Aspekte bei der Umsetzung besonderer polizeilicher Aufgaben vermittelt (Umgang mit spezifischen gesellschaftli— chen Gruppen, interkulturelle Kompetenz, Möglichkeiten und Grenzen der Opferhilfe und des Opferschutzes) sowie Konfliktfelder und Moral betrachtet. Darüber hinaus werden im Rahmen der zentralen und dezentralen Fortbildung zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen zum Erwerb interkultureller Kompetenz angeboten. Diese sollen die handelnden Beamten u. a. auch auf derartige Lagen vorbereiten und die zur Bewältigung notwendige Handlungssicherheit fördern. ndlichen Grüßen Dr.M:.II):o|andWöller Seite 3 von 3 FreistaatSACHSEN 2019-01-25T09:00:48+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes