STAATSMiNiSTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau—Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Kerstin Köditz (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/16130 Thema: Aktivitäten der extremen Rechten innerhalb der Fußballfan-‚ Ultra- und Hooligan-Szene in Sachsen 2018 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Fragestellerin verwendet in der Kleinen Anfrage den Begriff „extreme Rechte“. Für die Beantwortung wird insoweit auf die Vorbemerkung Nummer I. in der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage Drs.-Nr. 5/4956 verwiesen. Frage 1: Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über Strukturen der Fußballfan-, Ultra- und Hooligan-Szene (Personen, Vereine, sonstige Zusammenschlüsse) in Sachsen vor (Name, Ort, Mitgliederzahl — bitte einzeln auflisten), die der extremen Rechten zuzurechnen sind? Zum Fanumfeld des Fußballvereins Chemnitzer FC zählen die rechtsextre— mistischen Fußballfangruppierungen „New Society“ (NS-Boys) und „Kaotic Chemnitz“. Informationen zur aktuellen Mitgliederzahl liegen derzeit nicht vor. Im Jahr 2018 wurden der Staatsregierung keine Aktivitäten der rechtsextremistischen Fußballfangruppierung „Faust des Ostens“, die dem Fanumfeld der SG Dynamo Dresden zugerechnet wird, bekannt. Informationen zur aktuellen Mitgliederzahl liegen derzeit nicht vor. Die „Black Devils“ sind eine rechtsextremistische Fußballfangruppierung im Fanumfeld des Vereins FC Lausitz Hoyerswerda. Eigenen Angaben zufolge gründete sich die Gruppierung im Jahr 2001 und besteht aus ca. 25 Mitgliedern . Unter dem Gruppennamen existiert auf Facebook seit September 2015 eine geschlossene Gruppe, der 20 Personen angehören. FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/3523 Dresden. 31. Januar 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßen— bahnlinien 3.6.7.8,13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. FreistaatSACHSENSTAATSNIINISTERIUMDES iNNERN Frage 2: Welche Verbindungen bestehen darüber hinaus nach Kenntnis der Staatsregierung zwischen Personen und Gruppierungen der Fußballfan-, Ultra- und Hooligan -Szene in Sachsen zu Gruppierungen der extremen Rechten? Frage 3: Welche Veranstaltungen der Fußballfan-‚ Ultra- und Hooligan-Szene in Sachsen sind der Staatsregierung im Jahr 2018 bekannt geworden, an denen Strukturen (Personen, Gruppierungen, Parteien und sonstige Zusammenschlüsse) der extremen Rechten als Veranstalter, Organisatoren, Teilnehmer oder Publikum beteiligt waren? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: An der rechtsextremistischen Demonstration am 26. August 2018 in Chemnitz, zu der über die Facebook-Seite von „Kaotic Chemnitz“ aufgerufen wurde, beteiligten sich Vertreter des parteigebundenen Rechtsextremismus wie auch der parteiungebundenen rechtsextremistischen Szene, darunter Mitglieder und Anhänger der Partei „Der Dritte Weg“. Ein Mitglied von „Kaotic Chemnitz" nahm an der rechtsextremistischen Veranstaltung „Kampf der Nibelungen" am 13. Oktober 2018 in Ostritz teil. Es ist davon auszugehen, dass zwischen den Teilnehmern der o. 9. Veranstaltungen Kontakte bestehen. Am 10. März 2018 fand im Objekt der „Black Devils" in Hoyerswerda ein rechtsextremistisches Konzert statt. Für diese Veranstaltung wurde mit einem Flyer geworben, auf dem neben dem Symbol der „Black Devils“ auch das Symbol des rechtsextremistischen Vereins „Deutschland muss leben" (DML) abgebildet war. Demnach bestehen zwischen beiden Gruppierungen Verbindungen. Darüber hinaus bestehen Kontakte zu rechtsextremistischen Musikgruppen, die bei Konzerten im Objekt auftraten. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/12734 wird verwiesen. Der Staatsregierung liegen zu der Frage auch Erkenntnisse vor, deren Mitteilung überwiegende Belange des Geheimschutzes (Art. 51 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Sachsen [SächsVerfD entgegenstehen. Es handelt sich dabei um Informationen, die gemäß Nummer 8 in Verbindung mit der Nummer 3.3 der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen vom 4. Januar 2008 (SächsABI. Sonderdruck Jg. 2008) als Verschlusssache eingestuft wurden. Die Einstufung erfolgte zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen und zum Schutz nachrichtendienstlicher Zugänge. Die Informationen sind durch nachrichtendienstliche Mittel (§ 5 Abs. 1 Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen [SächsVSGD erlangt worden. Die Weitergabe dieser Informationen würde die eingesetzten Methoden der Nachrichtenbeschaffung den im Rahmen des pariamentarischen Verfahrens zu beteiligenden Personen offenbaren oder Rückschlüsse auf die Art nachrichtendienstlicher Zugänge ermöglichen und somit die Arbeitsfähigkeit des LfV Sachsen gefährden. Im Falle des Einsatzes von Per— sonen nach § 5 Abs. 1 SächsVSG stehen zudem Rechte Dritter im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SächsVerf entgegen. Diese Personen wären bei einer Mitteilung in ihren Grund- Seite 2 von 5 STAATSIVIiNiSTERiUNI DES iNNERN rechten auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit der Person gefährdet. Die Staatsregierung trifft eine Schutzpflicht gegenüber ihren nachrichtendienstlichen Quellen und sie hat insoweit jegliche Handlungen zu unterlassen, die zu einer Enttarnung der Quelle führen können. Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Fähigkeit eines Nachrichtendienstes, die Identität seiner Quellen zu schützen, für seine Funktionsfähigkeit essenziell. Die Mitteilung von Erkenntnissen im gewählten Verfahren, die Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche Zugänge zulassen, würde sich nachhaltig negativ auf die Fähigkeit des LfV Sachsen auswirken, solche Zugänge zu gewinnen bzw. solche Kontakte fortzuführen. Diese teils dauerhafte Beeinträchtigung von Rechtsgütern war mit dem lnformationsinteresse der Abgeordneten abzuwägen. Die Abwägung ergab, dass dem Geheimschutz und dem Schutz der Rechte Dritter Vorrang vor dem Informationsanspruch der Abgeordneten zukommt. Die Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informationsübermittlung möglich sind, die das lnformationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung befriedigen. Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden kann, wenn die lnformationsübermittlung unterbleibt. Es wird darauf hingewiesen, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission auf deren Verlangen weitergehende Auskunft erteilt wird. Die Fragestellerin begehrt zum Teil Auskünfte über personenbezogene Daten, insbesondere Namen von Geschehensbeteiiigten. Personennamen unterliegen dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 33 SächsVerf). Gleiches gilt für Angaben, wenn durch ihre Nennung Rückschlüsse auf Personen gezogen werden könnten. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Recht Drit— ter im Sinne des Art. 51 Abs. 2 SächsVerf. Die Staatsregierung hat den Informationsanspruch der Fragestellerin mit den Rechten Dritter am Schutz ihrer persönlichen Daten abgewogen. Die Abwägung hat in den Fällen, in denen der Staatsregierung über die in der Beantwortung enthaltenen Angaben hinaus personenbezogene Daten bekannt sind, zu dem Ergebnis geführt, dass dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang zukommt, so dass die Angabe dieser Daten mit Extremismusbezug unterbleiben musste. Gerade die Unterrichtung darüber, dass bestimmte Daten im Sinne des § 2 SächsVSG über eine Person bekannt sind, betrifft einen auch in Bezug auf den öffentlichen wie nichtöffentlichen parlamentarischen Umgang besonders geschützten Datenkreis, nämlich Daten, die Rückschlüsse auf politische Meinungen zulassen . Der Schutzgedanke hat umso nachhaltiger zu wirken, als es hier nicht allein um eine schlichte politische Betätigung geht, sondern die betroffene Person einem extremistischen Kontext und einem bestimmten — in der Auseinandersetzung mit anderen befindlichen — Lager zugeordnet werden soll. Seite 3 von 5 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 4: Welche Straftaten sind der Staatsregierung im Jahr 2018 mit welchem Ermittlungsergebnis bekannt geworden, die Personen aus der Fußballfan-‚ Ultra und Hooligan-Szene in Sachsen (bitte aufschlüsseln nach Vereinen) zuzurechnen sind und bei denen es sich um Straftatbestände aus dem Bereich PMK-rechts handefl? Zu den Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) im Phänomenbereich der PMK -rechts— in Sachsen berichtet die Staatsregierung fortlaufend im Rahmen regelmäßiger Kleiner Anfragen (vgl. zuletzt Drs.-Nr. 6/16106), auf die verwiesen wird. Grundlage ist der Kriminalpolizeiiiche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK), mit dem die Polizeidienststellen von Bund und Ländern alle ihnen bekannt gewordenen politisch motivierten Straftaten nach einheitlichen Vorgaben erfassen . Die Richtlinien des KPMD-PMK sehen jedoch keine Erfassungs- und Abfragewerte dazu vor, inwieweit ein Tatverdächtiger der Fußballfan-, Ultra— und Hooligan- Szene bzw. entsprechenden Vereinen zuzurechnen ist, sodass diesbezügliche politisch rechts motivierte Straftaten nicht gesondert recherchiert und dargestellt werden können . Im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Zwickau wurde ein Ermittlungsverfahren geführt, bei dem der unbekannt gebliebene Beschuldigte der Fußballfanszene zugerechnet werden kann. Am 7. März 2018, um 19:08 Uhr, zeigte beim Dritt— Iigaspiei FSV Zwickau gegen Hansa Rostock in Zwickau ein Besucher den sogenannten „Hitlergruß“. Der Täter konnte nicht identifiziert werden, weshalb auch eine Zuordnung zu einem Fußballverein nicht möglich ist. Das Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es nicht möglich ist, in den Datenbanken der Staatsanwaltschaften nach Zugehörigkeit eines Beschuldigten zur Fußballfan-‚ Ultraund Hooligan-Szene zu suchen. Die Frage Iieß sich deshalb nur aus der Erinnerung der Dezernenten heraus beantworten. Zur vollständigen Beantwortung der Frage wäre die händische Auswertung sämtlicher 2.123 Akten zu Ermittlungsverfahren erforderlich, die ausweislich der Jahresstatistik zu rechtsextremistischen/fremdenfeindlichen Straftaten 2018 von den sächsischen Staatsanwaltschaften eingeleitet worden sind. Dies wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaitschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschafllichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, des Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entspre— chende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den Staatsanwaltschaften für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 2.123 Seite 4 von 5 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 133 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur vollständigen Beantwortung der Frage erforderliche Aufwand nicht verhältnismäßig und zumutbar. Eine weitergehende Beantwortung würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten in sächsischen Staatsanwaltschaften , die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsregierung kam bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits daher zu dem Ergebnis, dass eine weiterge— hende Beantwortung der Frage unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu leisten ist. Frage 5: Wie groß war im Jahr 2018 nach Einschätzung der Staatsregierung das Personenpotential der extremen Rechten innerhalb der Fußballfan-‚ Ultra- und Hooligan -Szene in Sachsen (bitte aufschlüsseln nach absoluten Zahlen und prozentual ) und wie wird dieses Potential vor dem Hintergrund der Entwicklung in den vorangegangenen Jahren eingeschätzt? Für das Jahr 2018 liegen der Staatsregierung keine statistischen Werte vor. ??ndlichen Grüßen { f ‘ W ‚7% Pr f. Dr. Roland Wöller Seite 5 von 5 FreistaatSACHSEN 2019-02-01T07:39:04+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes