STAATSMINISTERiUM DES iNNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau—Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNIS 90IDIE GRÜNEN) Drs.-Nr.: 6/16157 Thema: Von Neonazis organisierte Zeitzeugenvorträge in Sachsen im Jahr 2018 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen: Der Fragesteller verwendet in der Kleinen Anfrage den Begriff „extreme Rechte". Für die Beantwortung wird insoweit auf die Vorbemerkung Nummer |. in der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage Drs.-Nr. 5/4956 verwiesen. Der Staatsregierung liegen zu der Kleinen Anfrage auch Erkenntnisse vor, deren Mitteilung überwiegende Belange des Geheimschutzes (Art. 51 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Sachsen [SächsVerf]) entgegenstehen. Es handelt sich dabei um Informationen, die gemäß Nummer 8 in Verbindung mit den Nummern 3.3 und 3.4 der Vervvaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen vom 4. Januar 2008 (SächsABI. Sonderdruck Jg. 2008) als Verschlusssache eingestuft wurden. Die Einstufung erfolgte zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen und zum Schutz nachrichtendienstlicher Zugänge. Die Informationen sind durch nachrichtendienstliche Mittel (§ 5 Abs. 1 Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen [SächsVSG]) erlangt worden. Die Weitergabe dieser Informationen würde die eingesetzten Methoden der Nachrichtenbeschaffung den im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zu beteiligenden Personen offenbaren oder Rückschlüsse auf die Art nachrichtendienstlicher Zugänge ermöglichen und somit die Arbeitsfähigkeit des LfV Sachsen gefährden. Im Falle des Einsatzes von Personen nach § 5 Abs. 1 SächsVSG stehen zudem Rechte Dritter im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SächsVerf entgegen. Diese Personen wären bei einer Mitteilung in ihren Grundrechten auf Leben, kör— perliche Unversehrtheit oder Freiheit der Person gefährdet. Die Staatsregie— rung trifft eine Schutzpflicht gegenüber ihren nachrichtendienstlichen Quel- FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-O141.50/3509 Dresden, 31. Januar 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINiSTERiUM DES iNNERN len und sie hat insoweit jegliche Handlungen zu unterlassen, die zu einer Enttarnung der Quelle führen können. Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Fähigkeit eines Nachrichtendienstes, die Identität seiner Quellen zu schützen, für seine Funktionsfähigkeit essenziell. Die Mitteilung von Erkenntnissen im gewählten Verfahren, die Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche Zugänge zulassen, würde sich nachhaltig negativ auf die Fähigkeit des LfV Sachsen auswirken, solche Zugänge zu gewinnen bzw. solche Kontakte fortzuführen. Diese teils dauerhafte Beeinträchtigung von Rechtsgütern war mit dem Informationsinteresse des Abgeordneten abzuwägen. Die Abwägung ergab, dass dem Geheimschutz und dem Schutz der Rechte Dritter Vorrang vor dem Informationsanspruch des Abgeordneten zukommt. Die Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informa— tionsUbermittlung möglich sind, die das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung befriedigen. Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Staats— regierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden kann, wenn die informationsüber— mittlung unterbleibt. Es wird darauf hingewiesen, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission auf deren Verlangen weitergehende Auskunft erteilt wird. Der Fragesteller begehrt weiterhin zum Teil Auskünfte über personenbezogene Daten, insbesondere Namen von Geschehensbeteiligten. Personennamen unterliegen dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 33 SächsVerf). Gleiches gilt für Angaben, wenn durch ihre Nennung Rückschlüsse auf Personen gezogen werden könnten. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Recht Dritter im Sinne des Art. 51 Abs. 2 SächsVerf. Die Staatsregierung hat den Informationsanspruch des Fragestellers mit den Rechten Dritter am Schutz ihrer persönlichen Daten abgewogen. Die Abwägung hat in den Fällen, in denen der Staatsregierung über die in der Beantwortung enthaltenen Angaben hinaus personenbezogene Daten bekannt sind, zu dem Ergebnis geführt, dass dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang zukommt, so dass die Angabe dieser Daten mit Extremismusbezug unterbleiben musste. Gerade die Unterrichtung darüber, dass bestimmte Daten im Sinne des § 2 SächsVSG über eine Person bekannt sind, betrifft einen auch in Bezug auf den öffentlichen wie nichtöffentlichen parlamentarischen Umgang besonders geschützten Datenkreis, nämlich Daten, die Rückschlüsse auf politische Meinungen zulassen. Der Schutzgedanke hat umso nachhaltiger zu wirken, als es hier nicht allein um eine schlichte politische Betätigung geht, sondern die betroffene Person einem extremistischen Kontext und einem bestimmten — in der Auseinandersetzung mit anderen befindlichen — Lager zugeordnet werden soll. Seite 2 von 5 FreistaatSACHSEN Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu von Neonazis organisierten Zeitzeugenvorträgen im Jahr 2018 hinsichtlich Veranstaltungsort, Veranstalter, An- STAATSNHNISTERIUM DES INNERN zahl der Teilnehmer, Anzahl und Name der Zeitzeugen, Thema bzw. Inhalt des Vortrages und etwaigen Anschlussveranstaltungen? (Bitte tabellarische Über- FreistaatSACHSEN sicht.) Datum Ort Veranstalter Teilneh- Veranstaltung mit Themal merzahl Inhalt und Zeitzeugen 03.02.2018 Leubsdorf Rechtsextre- ca. 240 Zeitzeugenvortrag mitUrsula misten Haverbeck 10.03.2018 Chemnitz Rechtsextre- 174 Zeitzeugenvortrag mit Udo misten Walendy 14.04.2018 Chemnitz Rechtsextre— ca. 70 Zeitzeugenvortrag mit Abdal— misten Iah Melaouhi 05.05.2018 Regis- Rechtsextre— ca. 120 Zeitzeugenvortrag* Breitingen misten 05.05.2018 Mücka Brigade 8 ca. 50 Zeitzeugenvortrag mit Abdal- Iah Melaouhi, anschließend Liederabend mit „Fylgien“ (BB) und „F.|.E.L.“ (MV) 12.05.2018 Aue Rechtsextre— ca. 170 Zeitzeugenvortrag* misten 09.06.2018 Grünhain- Rechtsextre- ca. 450 Zeitzeugenvortrag im Rah— Beierfeld misten men der Kampfsportveranstaltung ,,TIWAZ — Kampf der freien Männer“* 30.06.2018 Zschopau Rechtsextre- ca. 200 Zeitzeugenvortrag* misten 28.09.2018 Chemnitz Rechtsextre— ca. 75 Zeitzeugenvortrag ,,Stimmen misten der Bewegung“* 21.10.2018 Oelsnitz/ Rechtsextre— ca. 100 Zeitzeugenvortrag* Erzgeb. misten 28.10.2018 Zwickau Partei „Der * Zeitzeugenvortrag „Stimmen Dritte Weg“, der Bewegung“ mit Falko Stützpunkt Schüßler Westsachsen Seite 3 von 5 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DESINNERN Datum Ort Veranstalter Teilneh- Veranstaltung mit Themal merzahl Inhalt und Zeitzeugen 15.12.2018 Chemnitz Rechtsextre- ca. 150 Zeitzeugenvortrag,,Soldamisten tenweihnacht“* * Kann nicht genannt werden oder ist nicht bekannt. Der Staatsregierung liegen weitere Erkenntnisse vor, die aus Gründen der Geheimhal— tung nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird venNiesen. Frage 2: Bei welchen der Immobilien handelt es sich um „rechtsextremistisch genutzte Immobilien“ im Sinne der im Verfassungsschutzverbund einheitlichen Definition? (Bitte in tabellarische Ubersicht einfügen.) Bei den für die Veranstaltungen am 14. April und 5. Mai 2018 genutzten Objekten in Chemnitz und Mücke handelt es sich um rechtsextremistisch genutzte Immobilien im Sinne der im Verfassungsschutzverbund einheitlichen Definition. Bei den anderen in der Antwort auf die Frage 1 genannten Veranstaltungen wurden die Objekte jeweils angemietet. Der Staatsregierung liegen weitere Erkenntnisse vor, die aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung fiber Stände von neonazistischen Organisationen, Gruppierungen oder Gewerbetreibenden im Rahmen der Zeitzeugenvorträge oder etwaiger Anschlussveranstaltungen? (Bitte in tabellarische Übersicht einfügen.) Bei den „Zeitzeugenvorträgen" am 10. März sowie am 28. Oktober 2018 war die „Gefangenen Hilfe" mit einem eigenen Verkaufsstand vertreten. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.—Nr. 6/16136 wird verwiesen. Darüber hinaus wurde bei der Veranstaltung am 3. Februar 2018 ein Verkaufsstand bzw. Bücherstand des anwesenden Zeitzeugen betrieben. Der Staatsregierung liegen weitere Erkenntnisse vor, die aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 4: lnwiefern sind der Staatsregierung Spendensammlungen für neonazistische Gruppierungen, Vereine oder Organisationen im Rahmen der Zeitzeugenvorträge bekannt geworden? (Bitte in tabellarische Ubersicht einfügen.) Im Rahmen der Veranstaltung am 28. Oktober 2018 kam es zu einer Spendensammlung der ,,GefangenenHi|fe“. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/16136 wird verwiesen. Seite 4 von 5 STAATSMINISTERiUM DES iNNERN Darüber hinaus liegen Erkenntnisse vor, die aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 5: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Mitwirkung an der Organisation bzw. Durchführung der Zeitzeugenvorträge durch Personen die mittlerweile verbotenen Gruppierungen angehörten? Der Staatsregierung sind einzelne Personen bekannt, welche mittlenNeiIe verbotenen Gruppierungen angehörten, die an der Organisation bzw. Durchführung von „Zeitzeugenvorträgen " beteiligt sind. Eine dieser Personen ist Robert Andres aus Chemnitz, der früher den „Nationalen Sozialisten Chemnitz" zugerechnet wurde. Der Staatsregierung liegen weitere Erkenntnisse vor, die aus Gründen der Geheimhaltung und des Datenschutzes nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird ven/viesen. Mitffre ndlichen Grüßen / . I/-/ {% Seite 5 von 5 FreistaatSACHSEN 2019-01-31T17:47:37+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes