Freistaat IE SACHSEN STAATSM1N1STERIIJM DES INNERN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-0141.50/8796 Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Dresden, . Juni 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/1646 Thema: PEGIDA-Kundgebung am 13. April 2015 - Protest in Sicht- und Hörweite Sehr geehrter Herr Präsident namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Versammlungen wurden jeweils wann durch wen (Angabe anonym, möglichst Institution) für den 13. April 2015 mit welchem Thema jeweils wo (bitte Angabe der Straßenzüge, Kreuzungen, Geländemerkmale ) im Stadtgebiet von Dresden angezeigt bzw. aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen (mit welchen Folgen) handelte es sich bei der Pegida-Veranstaltung nicht um eine Versammlung unter freiem Himmel im Sinne des 2. Abschnitts des SächsVersG? Der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz (GG) für Versammlungen unter freiem Himmel ist durch die von diesen Veranstaltungen ausgehende Gefährdung der Rechte Dritter sachlich begründet. Die erhöhte Gefahrenneigung ergibt sich aus der fehlenden seitlichen Abgrenzung, was unbestimmt vielen Personen Zutritt gewährt und der Veranstaltung die Überschaubarkeit und Steuerbarkeit durch den Leiter nimmt, so dass Störungen in höherem Maß wahrscheinlich sind. Da von Versammlungen in geschlossenen Räumen eine solche erhöhte Gefährdung nicht zu erwarten ist, kommt es für die Einordnung als Versammlung in geschlossenen Räumen entscheidend darauf an, dass ein Abgeschlossensein des Versammlungsraumes gegen nicht steuerbares Hinzutreten unbestimmt vieler Personen gegeben ist. Es muss mithin immer eine durchgehende seitliche Abgrenzung bestehen, eine Überdachung ist dagegen nicht zwingend. Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-BuckStr . 2 oder 4 melden. Auf dieser Grundlage stufte die Versammlungsbehörde der Landeshauptstadt Dresden die Pegida-Veranstaltung als eine Versammlung in geFreistaat STAATSMINISTERIUM DES INNERN SACHSEN schlossenen Räumen ein, weil von Veranstalterseite vor Veranstaltungsbeginn die vollständige Einzäunung des Versammlungsgeländes und zunächst auch die Einrichtung von „Eingangsschleusen“ für die Zutrittsgewährung sowie eine eigene Zugangskontrolle im Hinblick auf die Mitführung von Alkohol und gefährlichen Gegenständen durch Ordner des Veranstalters angekündigt wurden. Die im Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz - SächsVersG) festgelegten geringeren staatlichen Eingriffsmöglichkeiten für Versammlungen in geschlossenen Räumen sind Ausdruck ihrer Privilegierung nach Art. 8 GG. Sie fallen aufgrund der bei Versammlungen unter freiem Himmel schon vorhandenen hohen Hürden ohnehin generell nur in Extremfällen ins Gewicht und hatten auch konkret keine praktischen Auswirkungen, weil die Versammlung friedlich verlief. Im Übrigen wird auf die Anlage verwiesen. Frage 2: Inwieweit wurden Spontan-Demonstrationen am 13. April 2015 gegenüber der Dresdener Versammlungsbehörde angezeigt, durch diese beauflagt oder untersagt ? (Antwort bitte sachlich und rechtlich begründen.) Der Versammlungsbehörde wurden folgende drei Spontankundgebungen am 13. April 2015 bekannt: 1. Vom Polizeivollzugsdienst wurde telefonisch eine diesem gegenüber angezeigte Spontankundgebung im Bereich Weißeritzstraße etwa in Höhe der Yenidze gemeldet. Daraufhin begab sich ein Mitarbeiter der Versammlungsbehörde vor Ort. Nach seinen Feststellungen nahmen an dieser Kundgebung etwa 200 Personen teil. Zum Großteil wurde der Gehweg benutzt. Es waren jedoch deutliche Tendenzen einer Ausweitung auch auf die Fahrbahn zu erkennen. Nach einer Absprache mit dem Versammlungsleiter wurde mit diesem Einvernehmen darüber erzielt, dass die Kundgebung auf dem an die Weißeritzstraße angrenzenden Parkplatz neben dem Heinz-Steyer-Stadion (stadteinwärtige Richtung) stattfinden soll, um sowohl den Gehweg als auch die Fahrbahn für den Gemeingebrauch wieder nutzbar zu machen bzw. zu halten. Mehrfache entsprechende (Megaphon-)Ansprachen durch den Versammlungsleiter wurden jedoch nur von einem kleinen Teil der Teilnehmer befolgt. Gegen 17:15 Uhr wurde die Kundgebung vom Versammlungsleiter für beendet erklärt. Kurz darauf verließen fast alle Teilnehmer die Örtlichkeit in Richtung Friedrichstraße. 2. Eine weitere telefonische Mitteilung des Polizeivollzugsdienstes über eine Spontankundgebung im Bereich Friedrichstraße unweit des Einmündungsbereichs in die Weißeritzstraße erreichte die Versammlungsbehörde. Der bereits vor Ort tätige Mitarbeiter der Versammlungsbehörde begab sich daraufhin zu diesem neuen Kundgebungsort und nahm Kontakt mit dem dortigen Versammlungsleiter auf. Da die Teilnehmer die Friedrichstraße für den fließenden Verkehr blockierten, wurde als Kundgebungsort die unmittelbar angrenzende parkähnliche Anlage an der Ecke Friedrichstraße/Weißeritzstraße mit dem Versammlungsleiter vereinbart. Trotz einer Durchsage des Versammlungsleiters an die Teilnehmer gegen 17:45 Uhr und einer weiteren um 18:25 Uhr, sich zur Freihaltung der Friedrichstraße für den Straßenseite 2 von 4 Freistaat STAATSMINISTERIUM DES INNERN SACHSEN verkehr einschließlich der Straßenbahngleise auf die abgesprochene Fläche zu begeben, kam dem nur ein geringer Teil der Teilnehmer nach. Die geschätzte Teilnehmerzahl dieser Spontankundgebung betrug etwa 500 bis 600 Personen. Nachdem bereits ein erheblicher Abgang aus dieser Kundgebung zu verzeichnen war, wurde sie um 18:50 Uhr offiziell beendet, und auch die bis dahin noch verbliebenen Teilnehmer verließen zum Großteil die Örtlichkeit. 3. Außerdem fand noch im Bereich Bremer Straße/Friedrichstraße/Waltherstraße eine Spontankundgebung mit etwa 200 Teilnehmern statt. Diese wurde ausschließlich von Kräften des Polizeivollzugsdienstes begleitet. Frage 3: Welche der angezeigten Versammlungen befanden sich in Sicht- und Hörweite zur Veranstaltung von Pegida? Die Demonstration des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ und die Kundgebung des „Dresden Place to be“ e. V. wurden als Versammlungen in unmittelbarer Nähe zur Kundgebung des „Pegida“-Fördervereins e. V. angezeigt. Frage 4: Aus welchen sachlichen und rechtlichen Gründen wurden diese Versammlungen mit der Auflage einer örtlichen Verlegung versehen und inwieweit wurde die grundrechtlich geschützte Wahlfreiheit hinsichtlich des Ortes der Versammlung für die jeweiligen Versammlungsanmelder angemessen berücksichtigt? Mit dem „Dresden to be“ e. V. einigte sich die Versammlungsbehörde auf die Nutzung des Altmarktes, weil der angezeigte Bereich durch Polizeikräfte und Polizeitechnik beansprucht wurde und zudem vor der Kundgebung ein Friedensgebet in der Kreuzkirche stattfand. Mit dem Bündnis „Dresden Nazifrei“ konnte keine Einigung über eine Aufzugsstrecke erzielt werden, so dass Teile der Strecke durch die Versammlungsbehörde auf der Rechtsgrundlage des § 15 Abs. 1 SächsVersG mit Bescheid festgelegt wurden. Anlass für diese Beschränkungen waren insbesondere Aufrufe des Bündnisses, die Anreisewege zur Kundgebungsfläche des „Pegida“-Fördervereins e. V. zu blockieren und damit diese Kundgebung zu vereiteln. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung wurde vom Verwaltungsgericht Dresden abgelehnt. Frage 5: Soweit eine Gefährdungsprognose Grund für Auflagen oder Verbote der Versammlungsbehörde war: Welche tatsächlichen Anhaltspunkte lagen dafür vor? Inwieweit wird die durch den Verlauf nachgewiesene Friedlichkeit des Gegenprotestes bei zukünftigen Prognoseentscheidungen berücksichtigt? Der Prognoseentscheidung für die örtliche Verlegung der Aufzugsstrecke des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ lagen verschiedene Aufrufe des Bündnisses auf ihrer Internetseite und in den Medien, u. a. auch ein Radio-Interview des Sprechers des Bündnisses bei „Coloradio“, zugrunde, die zum Inhalt hatten, die „Pegida“-Kundgebung und die Seite 3 von 4 Freistaat STAATSMINISTERIUM DES INNERN SACHSEN Rede des angekündigten Niederländers Wilders mit örtlichen Blockademaßnahmen zu verhindern. Jede Versammlung unterliegt einer Einzelfallprüfung. In die Prognoseentscheidungen fließen auch Erkenntnisse aus vergleichbaren zurückliegenden Versammlungen mit ein. Mit freundlichen Grüßen in Vertretung eorg Unland Anlage Seite 4 von 4 Anlage zur Kleinen Anfrage Drs.-Nr.: 6/1646 Lfd. Datum der Anzeige 23.03.2015 Ort/Aufzugsstrecke Veranstalter Motto Nr. Flutrinne, Gelände der Messe Dresden GmbH zwischen der Schlachthofstraße (-brücke) und dem Sportkomplex „Gewaltfrei gegen GI a ubenskriege“ „Pegida“-Förderverein e. V. 1 Fritz-Foerster-Platz, Hochschulstraße, Friedrich-List-Platz, Am Hauptbahnhof, Wiener Platz, Reitbahnstraße, Dippoldiswalder Platz, Marienstraße, Postplatz, Schweriner Straße, Weißeritzstraße zum Parkplatz hinter dem Haltepunkt Dresden-Mitte Sternlauf „Vielfalt vor Einfalt" Natürliche Person 08.04.2015 2 Albertplatz, Königstraße, Palaisplatz, Große Meißner Straße Augustusbrücke, Theaterplatz, Terrassenufer, Devrientstraße, Weißeritzstraße, Bahnhof Mitte Sternlauf von „Dresden für alle“ - „Vielfalt vor Einfalt“ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dresden 3 08.04.2015 Synagoge, Hasenberg zum Pirnaischen Platz, Wilsdruffer Straße, Postplatz, Ostra-Allee, Magdeburger Straße, Weißeritzstraße Sternlauf „Vielfalt vor Einfalt“ 08.04.2015 Natürliche Person 4 Schlesischer Platz, Antonstraße, Marienbrücke, Devrientstraße , Ostra-Ufer, Weißeritzstraße, Friedrichstraße, Waltherstraße, Magdeburger Straße, Schlachthofstraße, Messering, Zur Messe, Messering, Schlachthofstraße, Magdeburger Straße, Ostra-Allee, Sophienstraße, Augustusbrücke , Hauptstraße, Albertplatz _____________________________ „Neurechten Entgegenstellen - Für Toleranz und demokratisches Miteinander“ Bündnis „Dresden Nazifrei" 09.04.2015 5 „Dresden für Alle“ Vorplatz Bahnhof Mitte „Vielfalt vor Einfalt“ 09.04.2015 6 „Dresden Place to be“ e. V. (Mitveranstalter: Islamisches Zentrum Dresden und Jüdische Gemeinde Dresden) „Religiöse Vielfalt und Toleranz“ Trümmerberg (Magdeburger Straße/Ecke Schlachthofstraße) 10.04.2015 7 „Zur Befreiung vom Faschismus für die Welt. Für Heimat und Weltfrieden nach Art. 139 und 146 GG“ „Staatenlos.info“ e. V. Theaterplatz, ehemaliger Parkplatz 12.02.2015 8 „Gegen Hartz IV und Agenda 2010. Montag ist Tag des Widerstands.“ „Demokratische Montagsaktion Dresden für die Weiterführung der Montagsdemos“__________ Prager Straße, Wiener Platz 9 17.12.2014 Natürliche Person Jorge-Gomondai-Platz Mahnwache für Frieden 02.12.2014 10