STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/16608 Thema: Rechtsfolgen von Fantasiepapieren hinsichtlich der Übernahme des Elternbeitrags für Kindertageseinrichtungen durch Jugendämter Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Einer Leipziger Familie wurde von Seiten des Leipziger Jugendamts signalisiert, dass auf Grund eines Fantasiepapiers, oder auch ‚Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne Dokumente,‘ kein gültiger Aufenthaltstitel bestehe und demnach der bereits abgeschlossene Kindertagespflegevertrag ungültig sei, ein Antrag auf Ermäßigung des Elternbeitrags könne so nicht bearbeitet werden. In der Folge kann das Kind derzeit nicht die Kindertagesstätte besuchen. Auf dem Fantasiepapier ist angegeben, dass die Ausländerbehörde derzeit das Vorliegen von Duldungsgründen prüfe. In einer vom Deutschen Jugendinstitut in Auftrag gegebenen Rechtsexpertise aus dem Jahr 2016 (https:llwww.dji.delfi|eadminl user uploadldasdiilnewsl2016/20160126 meysen et al expertise kita gggng fluechtlinßkindemfi) schreiben die Autor*innen: ‚Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt, wenn ‚[...] der Betreffende an dem Ort oder in dem Gebiet tatsächlich seinen Aufenthalt genommen hat und sich dort ‚bis auf Weiteres‘ im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat‘. Ausreichend ist, wenn sich der zukunftsoffene Verbleib im Rahmen einer Prognose aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Aufenthaltsnahme abzeichnet .‘ (S. 18f) In den Fußnoten werden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 2000, 2009 und 2010 angegeben (BVerwG 18.5.2000 — 5 C 27.99 II BVenNG 30.9.2009 — 5 C 18.08 II BVenNG 29.9.2010 - 5 C 21.09). FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/57 Dresden. 5. März 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnli— nien 3, 6.7,8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Fantasiepapiere sind seit dem 01. Mai 2018 durch einen Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des inneren (Az. 24a-2310/19I1) normiert.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Staatsregierung weist wiederholt darauf hin, dass es sich bei der mit Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 20. April 2018 — Az.: 24a-2310/19/1 an die unteren Ausländerbehörden herausgegebene Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amtliches Aufenthaltsdokument nicht um ein „Fantasiepapier “ handelt. Bis zum Inkrafttreten des Erlasses am 1. Mai 2018 haben die Ausländer— behörden teils sehr unterschiedliche, formlose Bescheinigungen ausgestellt. Aus die— sem Grund hat das Staatsministerium des Innern den Erlass an die Ausländerbehörden herausgegeben, um einen iandeseinheitlichen Vollzug sicherzustellen. Die Bescheini— gung dient allein aus praktischen Bedürfnissen der vorübergehenden Dokumentation des Aufenthaltsstatus der im Erlass beschriebenen Fallkonstellationen, in denen das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) kein amtliches Dokument vorsieht. Damit erfüllt sie auch Interessen des betroffenen Ausländers. Die Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amtliches Aufenthaltsdokument entfaltet keine konstitutive, sondern eine rein deklaratorische Wirkung. Etwa— ige Ansprüche des Ausländers ergeben sich ausschließlich aus jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Frage 1: Da der gewöhnliche Aufenthalt mindestens auch bei vollziehbarer Ausreisepflicht angenommen wird, er im vorliegenden Falle aber ohne Zweifel gewöhnlich ist, schließlich ist es in der Zukunft offen, wie die Prüfung des Vorhandenseins von Duldungsgründen ausfallen wird, geht die Fragestellerin in der logischen Folge richtig in der Annahme, dass die Jugendämter angehalten werden, beim Vorliegen von Fantasiepapieren, insbesondere dann, wenn Duldungsgründe geprüft werden, Leistungen nach SGB VIII gewährt werden? Gemäß § 6 Absatz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) können Ausländer Leistungen nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländer— rechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Die Ausstellung einer Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amt- |iches Aufenthaltsdokument stellt u. a. dann keine Unterbrechung des geduldeten Aufenthalts dar, wenn die Ausländerbehörde Duldungsgründe prüft und nach Abschluss der Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass Duldungsgründe vorliegen oder fortbestehen . Während des Prüfungszeitraums werden keine Leistungen nach SGB VIII gewährt . Die Betroffenen erhalten jedoch rückwirkend Leistungen nach SGB VIII, wenn die Prüfung ergeben hat, dass ein Duldungsgrund vorliegt. Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSTVIINISTERIUM DES iNNERN Frage 2: Da sich die Rechtsfolgen durch das Ausstellen von Fantasiepapieren auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirken, geht die Fragestellerin richtig in der Annahme, dass die Sächsische Staatsregierung den Erlass insoweit überarbeiten wird, dass im Erlass Regelungen zu allen Gesetzestexten, in denen die gesetzgeberische Konzeption des Aufenthaltsgesetzes ewvähnt wird (erlaubter, gestatteter oder geduldeter Aufenthalt, vgl. beispielhaft § 6 Abs. 2 SGB VIII) formuliert werden, sodass für die Behörden ersichtlich wird, welche Rolle die Fantasiepapiere , je nachdem, wie sie nach Erlass mit seinen unterschiedlichen Ziffern, Fallkonstellationen , ergänzenden Fallgruppen und weiteren ordnungsrechtlichen Hinweisen, ausfallen, im jeweiligen Rechtsbereich spielen? Nein. Frage 3: Da sich die Rechtsfolgen durch das Ausstellen von Fantasiepapieren auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirken, geht die Fragestellerin richtig in der Annahme, dass die Sächsische Staatsregierung alle kommunalen Behörden (Jugendämter , Sozialämter, Gesundheitsämter, Standesämter, Ordnungsämter, KfZ- Zulassungs-l Führerscheinbehörde, Ämter für Freizeit und Kultur und weitere wie auch Volkshochschulen und Städtische Bibliotheken) in Bezug auf Handhabung der Fantasiepapiere geschult und eingewiesen hat und wenn ja, wie viele Mitarbeiter *innen welcher kommunaler Behörden wurden in welcher Stundenanzahl zu welchen lnhalten bisher geschult (bitte nach Landkreisen und Kreisfreien Städten wie nach den einzelnen, kommunalen Behörden aufschlüsseln)? Nein, es ist nicht die Aufgabe der Staatsregierung, die in der Fragestellung genannten kommunalen Behörden und sonstigen Stellen in Bezug auf die Erfüllung ihrer jeweili— gen Aufgaben zu schulen. Der Erlass über die Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amtliches Aufenthaltsdokument wurde den Kommunen zur Kenntnis gegeben. Soweit er für die Aufgabenerfüllung maßgeblich ist, wird er auch in die Schulung der Mitarbeiter einzubeziehen sein. Bei etwaigen Fragen zum Erlass infor— mieren die unteren Ausländerbehörden oder die für die Fachaufsicht zuständige Landesdirektion Sachsen entsprechend. Frage 4: Wenn die Staatsregierung Frage 2 mit Nein beantworten muss, hat die Fragestellerin dann davon auszugehen, dass für Menschen mit Fantasiepapier das Existenzminimum , also auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, ermöglicht wird? Ja. Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung oder geduldete Ausländer erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberieistungsgesetz. Ist der Ausländer im Besitz einer Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amtliches Aufenthaltsdokument, werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den folgenden Fällen gewährt: Seite 3 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN — amtliche Meldung über den Verlust der Duldungsbescheinigung nach § 60a Absatz 4 AufenthG oder der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach § 63 Asylgesetz (AsylG), - vorübergehendes in Verwahrung nehmen der Duldungsbescheinigung nach § 48 Absatz 1 AufenthG durch die Ausländerbehörde, sofern die Duldungsgründe fortbestehen . Im Fall der Prüfung der Duldungsgründe und bei der Prüfung der Verlängerung der Aufenthaltsgestattung nach § 63 AsyIG wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage 5: Wenn die Staatsregierung Frage 2 mit Nein beantworten muss, hat die Fragestellerin dann davon auszugehen, dass durch genannten Erlass bei Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Trägern der Flüchtlingssozialarbeit und nicht zuletzt den Schutzsuchenden selber Ratlosigkeit im Sinne von Rechtsunsicherheit und daraus folgend einen erhöhten Aufwand an Arbeit insbesondere bei den drei Erstgenannten erzeugt wird und wie gleicht das SMI derzeit den erhöhten Arbeitsaufwand insbesondere bei den drei Erstgenannten finanziell aus? Nein. %!undlichen Grüßen Prof.DrRolandWöller Seite 4 von 4 FreistaatSACHSEN 2019-03-05T16:38:33+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes