STAATSMlNlSTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard—von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jana Pinka (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/16855 Thema: Feststellung der Rechtswidrigkeit von Stadtratsbeschlüssen durch die obere Rechtsaufsichtsbehörde und deren Rechtsfolgen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Im Rahmen eines kommunalaufsichtlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die Zulässigkeit des unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefassten Beschlusses des Stadtrates Freiberg vom 5. Juli 2018, Beschluss-Nr. 21-44/2018, beschied der Präsident der Landesdirektion Sachsen mit Schreiben vom 4. Januar 2019 die Beschwerdeführerin hinsichtlich des betreffenden Stadtratsbeschlusses der Stadt Freiberg u. a. wie folgt: ,,Aufgrund der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist der Beschluss rechtswidrig. [...] Die Landesdirektion Sachsen wird das Landratsamt Mittelsachsen auffordern, darauf hinzuwirken, dass über die strittige Beschlussvorlage nochmals in öffentlicher Sitzung beschlossen wird.“ Der Oberbürgermeister der Stadt Freiberg erklärte dazu auf die Presseanfrage : ‚Was bedeutet diese Entscheidung für die Stadt Freiberg? Gilt damit wieder der Antrag auf Zuzugsstopp?‘: ‚Nein, denn es handelt sich um einen einfachen Brief der Landesdirektion an den Landkreis Mittelsachsen . Eine rechtliche Verbindlichkeit für die Stadt Freiberg ergibt sich derzeit daraus nicht.‘ (siehe:http:llwww.freiberg.delfreiberg/ content.nsfldocnameNVebseite_ C556F50C7CE9AE7FC1258386002 DE9AA?OpenDocument)” Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/67 Dresden, 28. März 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck—Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck— Str. 2 oder 4 melden. STAATSMiNiSTERIUM DES INNERN Frage 1: Welche konkreten Maßnahmen zur Beseitigung der durch den Präsidenten der Landesdirektion Sachsen mit dem 0. 9. Schreiben im Beschwerdeverfahren festgestellten Rechtswidrigkeit des unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefassten Beschlusses des Stadtrates Freiberg vom 5. Juli 2018, Beschluss-Nr. 21-4412018, sind bislang durch die gemäß § 112 Absatz 1 Satz 2 SächsGemO zuständige obere Rechtsaufsichtsbehörde und die gemäß § 112 Absatz 1 Satz 1 zuständige untere Rechtsaufsichtsbehörde der Stadt Freiberg, dem Landratsamt des Landkreises Mittelsachsen, gegenüber der Stadt Freiberg zu welchem Zeitpunkt veranlasst oder unmittelbar ergriffen worden? Die Landesdirektion Sachsen (LDS) forderte unter Darlegung der Rechtslage mit Schreiben vom 9. Januar 2019 das zuständige Landratsamt Mitteisachsen (LRA) auf, darauf hinzuwirken, dass über die strittige Beschlussvorlage nochmals in öffentlicher Sitzung des Stadtrates Freiberg beschlossen wird. Mit E-Mail des LRA vom 16. Januar 2019 wurde die Stadt Freiberg zunächst zur Stellungnahme aufgefordert, welche am 29. Januar 2019 beim LRA einging. Die Stadt Freiberg trat der Auffassung der LBS entgegen. Mit E-Mail vom 31. Januar 2019 bat das LRA um Abstimmung mit der LBS zum weiteren Vorgehen, weil nach seiner Auffassung die Behandlung der strittigen Beschlussvorlage Nr. 2018/171 in nichtöffentlicher Sitzung am 5. Juli 2018 durchaus begründbar sei. Die LDS informierte das LRA mit Schreiben vom 28. Februar 2019, dass sie weiterhin an ihrer Rechtsauffassung festhalte, wonach vorliegend der Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt sei. Am 15. März 2019 fand ein Verständigungsgespräch zwischen dem Landrat und dem Oberbürgermeister der Stadt Freiberg statt. Das LRA und die Stadt Freiberg wollen die Angelegenheit im Einvernehmen unter Vermeidung von rechtsaufsicht- |ichen Maßnahmen klären. Das LRA wird die LDS bis zum 15. April 2019 über das Ergebnis informieren. Frage 2: Zu welchem konkreten Ergebnis bei der Herstellung der Rechtmäßigkeit der vorgenannten Beschlussfassung des Stadtrates der Stadt Freiberg und zur Schaffung der erforderlichen Rechtssicherheit bei der weiteren Umsetzung des Stadtratsbeschlusses haben die von der nach § 112 Absatz 1 SächsGemO zuständige obere und untere Rechtsaufsichtsbehörde nach der Frage 1 ergriffenen oder veranlassten Maßnahmen geführt? Wie in der Antwort auf die Frage 1 dargelegt, handelt es sich um ein laufendes Verfahren . Daher liegen konkrete Ergebnisse im Sinne einer Selbstkorrektur des Stadtrates der Stadt Freiberg oder ggf. notwendigen Beanstandung des Beschlusses durch das zuständige LRA noch nicht vor. Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES iNNERN Frage 3: Welche unmittelbaren und mittelbaren rechtsstaatlichen Wirkungen gehen von rechtlichen Feststellungen und Beurteilungen zur Rechtswidrigkeit von Beschlüssen der der Rechtsaufsicht unterliegenden Gemeinden durch die gemäß § 112 Absatz 1 SächsGemO zuständige obere Rechtsaufsichtsbehörde für die betreffenden Gemeinden und deren Beschlüsse aus? Feststellungen und Beurteilungen zur Rechtswidrigkeit von Beschlüssen durch die obere Rechtsaufsichtsbehörde entfalten zunächst keine unmittelbare Wirkung auf die ge— fassten Beschlüsse von Gemeinden. Rechtswidrige Beschlüsse sind wirksam, solange sie nicht im Wege der Aufhebung beseitigt werden. Dies kann entweder im Wege der Selbstkorrektur geschehen oder durch Beanstandung und Ersatzvornahme durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde. Das ist im Falle einer kreisangehörigen Gemeinde das LRA. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Gemeinde zunächst auf die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses hinzuweisen ist und ihr die Möglichkeit zur Selbstkorrektur gegeben wird. Das LRA hat das Schreiben der LDS vom 9. Januar 2019 ohne weitere eigene Ausführungen zur rechtlichen Bewertung an die Stadt mit der Bitte um Stellungnahme weitergegeben. Sie hat sich damit das Schreiben der LDS zu eigen gemacht. Das Schreiben entfaltet damit insoweit Rechtswirksamkeit gegenüber der Stadt, als es die Aufforderung der zuständigen unteren Rechtsaufsichtsbehörde an die Stadt darstellt, eine mögliche Selbstkorrektur zu prüfen. Grundsätzlich ist das LRA an die rechtliche Beurteilung der LDS gebunden. Vertritt das LRA eine abweichende Rechtsauffassung und tritt der Entscheidung der LDS entge— gen, kann die LDS eine Weisung nach § 112 Absatz 2 SächsGemO erlassen und, sofern erforderlich, im Wege des Selbsteintrittsrechts nach § 112 Absatz 3 SächsGemO selbst die erforderlichen rechtsaufsichtlichen Maßnahmen treffen. Frage 4: Welche Rechtsfolgen hat die von der gemäß § 112 Absatz 1 SächsGemO zuständigen oberen Rechtsaufsichtsbehörde getroffene Feststellung zur Rechtswidrigkeit des 0.9. Beschluss des Stadtrates Freiberg vom 5. Juli 2019 aufgrund der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes für die seit der Beschlussfassung am 5. Juli 2019 auf dieser — nunmehr festgestellt rechtswidrigen — Beschlussgrundlage vorgenommenen Rechtshandlungen des 0berbürgermeisters, insbesondere für die Rechtswirksamkeit des auf Grundlage der Ermächtigung dieses Stadtratsbeschlusses durch den Oberbürgermeister am 24.08.2018 unterzeichneten „Abstimmungsvereinbarung“ der Universitätsstadt Freiberg und dem Landkreis Mittelsachsen? Es wird im Folgenden davon ausgegangen, dass der Beschluss des Stadtrates der Stadt Freiberg vom 5. Juli 2018 gemeint ist. Aufgrund der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist der Beschluss des Stadtrates zur weiteren Vorgehensweise in der Angelegenheit der Beantragung einer negativen Wohnsitzauflage (Zuzugsbeschränkung) für das Stadtgebiet Freiberg vom 5. Juli 2018, Beschluss—Nr. 21—44/2018, einschließlich der „Abstimmungsvereinbarung“ rechtswidrig. Erst mit der Aufhebung im Wege der Selbstkorrektur entfällt die Rechtswirksamkeit des Beschlusses oder dieser Beschluss ist mit einer Beanstandung nach § 114 Absatz 1 Satz 3 SächsGemO suspendiert. Seite 3 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INN ERN Nach § 51 Absatz 1 Satz 2 SächsGemO vertritt der Bürgermeister die Gemeinde. Die Vertretungsmacht ist allumfassend und unbeschränkt. Die Gemeinde wird auch durch solche Rechtshandlungen berechtigt und verpflichtet, die der Bürgermeister ohne die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderates oder davon abweichend vorge— nommen hat. Gleiches gilt auch, wenn der zugrundeliegende Beschluss rechtswidrig ist. Frage 5: lnwieweit ist eine erneute Beratung und Beschlussfassung des Stadtrates der Stadt Freiberg zu dem 0. g. Beschlussgegenstand des Stadtrates Freiberg vom 5. Juli 2018, Beschluss-Nr. 21-44/2018, geboten und erforderlich, um eine den kommunalrechtlichen Mindestanforderungen entsprechende rechtmäßige Beschlussfassung hinsichtlich des o. g. Beschlussgegenstandes zu schaffen? Um einen rechtmäßigen Zustand herzustellen, muss ein rechtswidriger Beschluss zu— mindest aufgehoben werden. Sofern sein Regelungsgehalt Rechtmäßigkeit erlangen soll, muss er unter Beachtung der kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen neu beschlossen werden. thfieundlich‘en Grüßen MU. rof. Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 Freista atSACHSEN 2019-03-28T11:35:18+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes