STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern h a rd-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kle-ine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (BUNDNTS 90/DrE GRUNEN) Drs.-Nr.: 6/16935 Thema: Verhandlung gegen einen rechtsextremen Angeklagten vor dem Landgericht Zwickau unter Zurschaustellung seines Schildes ,,Verfolgter der Bunten Republik" am 26. Februar 2019 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Vorbemerkung: Am 26. Februar 2019 wurde vor dem Landgericht Zwickau ein Verfahren gegen Torsten G. (Kandidat der Wählervereinigung ,,Zukunft Zwickau'n) geführt. ln dieser Verhandlung stellte der Angeklagte o. g. Schild auf seinen Tisch, wo es auch während der Verhandlung für alle deutlich sichtbar verblieb. Der Vorgang wurde dokumentiert: https ://www.facebook.com/Waeh leruerei n iqunqZu ku nftzwickau/photos/pc b.38822321 5300486/388222728633868/?tvpe=3&theater" Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage l: Wie stellt sich der Sachverhalt aus Sicht der Staatsregierung dar? Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 15000 Telefax +49 351 564 15009 Staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E/13/1498 - KLR Dresden, 4l'.ttarzzorc T TOB MIT 1' o IiA'YI'YJOB.MIT.'.D¡ Hausanschrift: Sächslsches Staatsminister¡um der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01 095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu errêichên mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8,11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hosp¡talstraße 7 Hinweise zum Datenschutz erhalten Sie auf unserer lnternetseite . Auf Wunsch senden w¡r lhnen diese Hinweise auch zu. Am 26. Februar 2019 fand vor der 4. Strafkammer des Landgerichts Zwickau ":i?åÎ$Yåå'""ilJ:iiìii"ìl,Tl?,ii"n"Dokumsnte nur per EGVP, beBPo oder die oben genannte Verhandlung statt, bei der es sich um eine Berufungshaupt- 3:#:|;åiliigüÍni,:l#i såchsischen Just¡zbehÖrdên untêr seite'r von a ffi*HÌl;iffF@ Jl]5 rr¡avot L1Ua.;sBtAt¡f u STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENI verhandlung in Strafsachen handelt. Bereits vor deren Beginn hatte der Angeklagte im Verhandlungssaal auf seinem Tisch ein Schild mit dem Text ,,Verfolgter der Bunten Republik" aufgestellt, was sowohl der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als auch die Zuschauer bemerkten. Nachdem das Gericht den Verhandlungssaal betreten und nach Aufruf der Sache von sich aus keine Maßnahmen wegen des Schildes ergriffen hatte, nahm der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an, dass der Vorsitzende der 4. Strafkammer das Schild akzeptiert habe und sprach ihn daher erst außerhalb der Sitzung darauf an. Tatsächlich hatte der Vorsitzende das Schild jedoch nicht bemerkt, da es in Richtung der Zuschauer gedreht und durch eine Aktentasche und einen Laptop des Angeklagten verdeckt gewesen war. Er sah daher keine Veranlassung zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen. Frage 2: Aus welchen Gründen hat das Gericht das Aufstellen des Schildes geduldet? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 Bezug genommen Frage 3: lnwieweit ist das Aufstellen solcherart Schilder im Gerichtssaal, bspw. in Zwickau , gestattet oder verboten? Von einer Beantwortung wird - soweit die Frage auf den o. g. Sachverhalt abzielt - abgesehen. Die Frage ist insoweit auf eine Bewertung gerichtet, die die Staatsregierung bisher nicht getrotfen hal. Zur Abgabe einer solchen Bewertung ist die Staatsregierung auch nicht verpflichtet. Allgemein lässt sich jedoch Folgendes ausführen: Das Aufstellen von Schildern im Gerichtssaal kann im jeweils konkret zu bestimmenden Einzelfall als Störung der Ordnung einer Sitzung bzw. als ungebührliches Verhalten durch den Vorsitzenden im Rahmen der Ausübung der Sitzungspolizeigewalt untersagt werden. Je nach konkreter Situation kann das Aufstellen eines Schildes jedoch auch geduldet bzw. gestattet werden. Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENT Während einer Sitzung steht dem Vorsitzenden die Sitzungspolizeigewalt als Ausfluss der Verhandlungsleitung und der richterlichen Gewalt gemäß S 176 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) zu. lm Rahmen dessen ist der Vorsitzende in richterlicher Unabhängigkeit berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine störungsfreie Ausübung ihrer Funktionen zu ermöglichen, die Aufmerksamkeit der übrigen Anwesenden in der öffentlichen Verhandlung nicht zu beeinträchtigen und den allgemeinen gebührlichen Ablauf zu sichern. Ob hinreichender Anlass für eine sitzungspolizeiliche Maßnahme besteht, entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, soweit nicht die Mitwirkung des Gerichts erforderlich ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO,61. Auflage 2018, S 176 GVG, Rn. 3,6,7). Soweit den Anordnungen des Vorsitzenden keine Folge geleistet wird, sieht S 177 Satz 1 GVG die Möglichkeit vor, bestimmte Personen, zu denen u. a. auch Beschuldigte gehören, aus dem Sitzungszimmer zu entfernen sowie zur Ordnungshaft abzufuhren . Ferner kann nach $ 178 Absatz 1 Satz 1 GVG gegen bestimmte Personen, zu denen ebenfalls auch Beschuldigte gehören, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig gemacht haben, ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Soweit das aufgestellte Schild einen strafbaren lnhalt hat, kann es zugleich z. B. den Tatbestand der Beleidigung gemäß S 185 des Strafgesetzbuches (StGB), der üblen Nachrede nach $ 186 StGB oder der Verleumdung nach S 187 StGB erfüllen. ln geeigneten Fällen kann das Gericht hier nach S 183 Satz2 GVG auch die vorläufige Festnahme des Täters verfügen. Das Aufstellen von Schildern kann zudem auch vorbeugend durch eine aus dem Hausrecht des Gerichtspräsidenten herrührende Sicherheitsverfügung untersagt werden. Außerhalb des Sitzungsbereichs steht dem Gerichtspräsidenten das Hausrecht zu, der es nach pflichtgemäßem Ermessen ausubt. Es kann auch dem Vorsitzenden übertragen werden. Das Hausrecht erstreckt sich auf den gesamten Gebäudekomplex, d. h. ebenfalls auf den Gerichtssaal außerhalb der Sitzung. lnhaltlich berechtigt das Hausrecht zu allen Maßnahmen, die der Sicherung und Ordnung des Hausfriedens, insbesondere der Gewährleistung eines geordneten Geschäftsablaufs dienen. Das Haus- Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freìstaat SACHSENT recht berechtigt auch dazu, durch geeignete vorbeugende Maßnahmen für eine sichere und ungestörte Durchführung der Verhandlung Sorge zu tragen (Bundesverfassungsgericht , Beschluss vom 14. Mär22012, Az.2 BvR 2405111, NJW 2012, S. 1863ff.). Hierzu kann im konkreten Einzelfall auch der Erlass einer Sicherheitsverfügung gehören , nach der z.B. das Aufstellen von Schildern präventiv untersagt wird. Für das Landgericht Zwickau hat dessen Präsident am 28. Md 2018 mit Wirkung vom 1. Juni 2018 eine,,Hausordnung für das Landgericht Zwickau" in Kraft gesetzt, nach deren Punkt 5 Absatz 2 es untersagt ist, zur Störung geeignete Gegenstände, wie z. B. Transparente in das Gericht mitzubringen und dort mitzuführen. Frage 4: Welche konkreten Maßnahmen wurden und werden nach diesem Vorfall von welcher Stelle getroffen, um die Würde des Gerichts (künftig) zu wahren? Es wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 Bezug genommen. lnwieweit zukünftig solche Maßnahmen getroffen werden, obliegt ebenfalls richterlicher Entscheidung und fällt in den Kernbereich der verfassungsrechtlich geschirtzten Unabhängigkeit der Richter . Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4 2019-03-29T11:16:04+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes