STAATSMINISTERIUM DES lNNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNIS 90IDIE GRÜNEN) Drs.-Nr.: 6/17066 Thema: Polizeiliche Beobachtungen, Observationen, Einsatz von V-Personen gegen sog. Gefährder und Relevante Personen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Personen sind in den letzten zwölf Monaten durch die sächsische Polizei zur verdeckten polizeilichen Beobachtung bzw. gezielten Kontrolle in Landes- oder Bundessystemen oder dem Schengeninformationssystem ausgeschrieben worden? Ausschreibungen zur polizeilichen Beobachtung bzw. gezielten Kontrolle werden im Polizeilichen lnformationssystem (INPOL) bzw. dem Schengener Informationssystem (SIS) hinterlegt. Durch laufende Zuspeicherungen und Löschungen unterliegen die Einträge einer ständigen Aktualisierung. INPOL und SIS bilden insoweit immer nur die bestehenden Ausschreibungen ab und ermöglichen der Polizei diesbezügliche Abfragen im Rahmen ihrer Fahndungstätigkeit. Beide Systeme verfügen jedoch über kein Ausschreibungsarchiv , sodass eine retrograde Auswertung hinsichtlich der Anzahl der Personen, die in den letzten zwölf Monaten durch die sächsische Polizei zur polizeilichen Beobachtung bzw. gezielten Kontrolle im INPOL bzw. im SIS ausgeschrieben worden sind, nicht möglich ist. Frage 2: Für wie viele Personen sind in den letzten zwölf Monaten längerfristige Observationen angeordnet worden? Frage 3: Für wie viele Personen ist in den letzten zwölf Monaten der Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen angeordnet worden? FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 3-1053/76/7813 Dresden. 16. April 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck—Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnii— nien 3, 6. 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSNIiNiSTERiUM DES iNNERN Frage 4: Wie viele Personen wurden in den letzten zwölf Monaten durch den Einsatz von Vertrauenspersonen undloder durch Einsatz von Verdeckten Ermittlern beobachtet ? Frage 5: Wie viele der Betroffenen nach Ziffer 1 bis 4 sind als Gefährder oder Relevante Person eingestuft? (Bitte nach Phänomenbereich und Kategorie aufgliedern und auch angeben, in wie vielen Fällen eine Anordnung der oben genannten Maßnahmen gerichtlich aufgehoben bzw. nachträglich für rechtswidrig erklärt bzw. in wie vielen Fällen gerichtlich bestätigt wurde.) Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 bis 5: Von einer Beantwortung wird abgesehen. Die zur Beantwortung der Fragen notwendigen Erkenntnisse liegen der Staatsregierung nicht unmittelbar vor. Sie müssten aufwändig recherchiert werden. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt ist. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann. Im vorliegenden Fall wäre durch eine vollständige Beantwortung die Arbeits— und Funk— tionsfähigkeit der Staatsregierung gefährdet, weil die erfragten Maßnahmen in der präventiv -poiizeilichen Vorgangsbearbeitung nicht gezielt im Sinne der Fragestellung erfasst werden, sodass dazu grundsätzlich keine Aussagen getroffen werden können. In Anbetracht von schätzungsweise rd. 700.000 mittels der Integrierten Vorgangsbearbeitung bei der sächsischen Polizei in den letzten zwölf Monaten erfassten Sachverhalten (vgl. Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/16188), die manuell auf die erfragten Umstände hin gesichtet werden müssten, wird von einer solchen Auswertung wegen des hierfür erforderlichen unverhäitnismäßigen Aufwandes abgesehen. Auf die kalenderjährliche Unterrichtung gemäß § 38 Abs. 13 Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (ng. zuletzt Drs.- Nr. 6/15509) wird wegen der zum Teil inhaltlichen Überschneidungen vorsorglich hingewiesen . In der repressiven Vorgangsbearbeitung werden ebenfalls keine Statistiken dazu geführt , bei wie vielen Personen im Sinne der Frage 2 in den letzten zwölf Monaten län— gerfristige Observationen gemäß § 163f Strafprozessordnung (StPO), der Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen im Sinne der Frage 3 (Maßnahmen gemäß §§ 100f, 100h und 100i StPO) oder der Einsatz von Vertrauenspersonen oder von Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMiNiSTERiUM DES INNERN Verdeckten Ermittlern im Sinne der Frage 4 angeordnet worden sind. Eine Beantwortung der Fragen ist auch nicht durch eine elektronische Recherche in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften möglich, da vorgenannte Konstellationen auch in den Datenbanken nicht erfasst werden. Eine vollständige Beantwortung der Fragen wäre daher nur möglich, wenn man sämtliche relevante Verfahrensakten händisch auswerten würde. Maßnahmen nach § 163f StPO sind nur zulässig, wenn eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt. Straftaten von erheblicher Bedeutung stellen zumindest die im Katalog des § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Straftaten dar (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 61. Auflage 2018, § 163f, Rn. 4). Maßnahmen nach § 100f StPO sind (ebenfalls) nur zulässig, wenn eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete, auch im Einzelfall schwenNiegende Straftat gegeben ist. Bezüglich der Fragen 2 und 3 würde dies jeweils zumindest die manuelle Einzelaus— wertung aller Verfahrensakten, die die in § 100a Absatz 2 StPO aufgelisteten Straftatbestände betreffen, erfordern. Bereits die Auswertung aller Akten von Verfahren gemäß § 100a Abs. 2 Nummer 1k) StPO (Straftaten des Raubes und der Erpressung, §§ 249 bis 255 Strafgesetzbuch [StGB]) würde die händische Auswertung von 1.355 Verfahrensakten erfordern, die bei den sächsischen Staatsanwaltschaften gegen bekannte Beschuldigte im abgefragten Zeitraum eingegangen sind. Eine solche Auswertung wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwändige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, zur Beiziehung versendeter Akten, des Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entsprechende Auswertung der 1.355 Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den Staatsanwaltschaften für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 1.355 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 85 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur vollständigen Beantwortung der Fragen erforderliche Aufwand nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Die händische Auswertung würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten in den sächsischen Staatsanwaltschaf— ten, die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsre— gierung kam bei derAbwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits daher zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Fragen unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu leisten ist. Seite 3 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMiNiSTERiUM DES iNNERN Bezüglich der Frage 4 würde eine Beantwortung allein in Bezug auf angeordnete Maßnahmen gemäß § 110a StPO (Verdeckter Ermittler) die manuelle Einzelauswertung aller Verfahrensakten, die die in § 110a Abs. 1 Satz 1 Nummern 1 bis 4 StPO aufgelisteten Straftaten betreffen, erfordern. Allein die Auswertung der Akten zu den Verfahren gemäß § 110a Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Fall 1 StPO (Straftaten auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittelverkehrs ) würde die händische Auswertung von 1.659 Ermittlungsakten erfordern, die allein im Berichtsjahr 2018 bei den sächsischen Staatsanwaltschaften eingegangen sind und den Sachgebietsschlüssel 60 (Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, für die das Gesetz eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vorsieht) betreffen. Bereits die notwendige händische Auswertung dieser 1.659 Verfahrensakten wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Der bei den Staatsanwaltschaften für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 1.659 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand wird auf mindestens 104 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. im Hinblick auf die Darlegungen zu den Fragen 2 bis 4 ist auch eine Beantwortung von Frage 5 für den staatsanwaltschaftlichen Bereich nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Mit freundlichen Grüßenzu& Pr f. Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 FreistaatSACHSEN 2019-04-16T09:34:38+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes