STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bemhard—von—Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17162 Thema: Durchsuchungen von Wohnungen Geflüchteter in Erstaufnahmeeinrichtungen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Auf Anfrage der Fragestellerin in Drs. 6I16060 antwortet das Staatsministerium des lnneren: ,Soweit zur Vollstreckung von vollziehbarer Ausreisepflicht oder aus Strafverfolgungsgesichtspunkten seitens der zuständigen Behörden im Einzelfall ein Betreten oder Durchsuchen der hier in Rede stehenden Unterkünfte enNogen wird, ist durch die Vollstreckungs- oder Strafverfolgungsbehörden die Frage des Bestehens eines grundgesetzlichen Schutzes als Wohnung jeweils individuell zu prüfen und anhand des jeweiligen Fachrechts zu entscheiden.‘ In selbiger Drucksache beigefügter Hausordnung für Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen heißt es weiterhin auf Seite 3: ‚Der Betreiber behält sich vor, durch stichprobenartige Kontrollen die Einhaltung der Zimmerhygiene zu überprüfen.‘“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Es wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 1 Absatz 1 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/16060 verwiesen. Frage 1: In wie vielen Fällen wurden seit 01. Januar 2015 Wohnungen von Geflüchteten in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen von Vollstreckungs - oder Strafverfolgungsbehörden durchsucht, warum erfolgte die jeweilige Durchsuchung und lag im Einzelfall ein richterlicher Beschluss undl oder die Einladung der Bewohner*innen vor (bitte aufschlüsseln auf die einzelnen Aufnahmeeinrichtungen)? FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/79 Dresden, 25. April 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi‘sachsende Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 2: Welche Tatverdachte ergaben sich aus den jeweiligen Durchsuchungen, in wie vielen Fällen stellte ein Gericht auf Grundlage der Wohnungsdurchsuchungen eine Straftat fest, um welche handelte es sich im Einzelfall? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Von einer Beantwortung wird abgesehen. Die zur Beantwortung der Fragen notwendigen Erkenntnisse liegen der Staatsregierung nicht unmittelbar vor. Sie müssten aufwändig recherchiert werden. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet. Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann. Im vorliegenden Fall wäre durch eine vollständige Beantwortung die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung gefährdet. Bei den Staatsanwaltschaften und den Polizeidienststellen werden keine Statistiken dazu geführt, in wie vielen Fällen seit 1. Januar 2015 Wohnungen von Geflüchteten in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen von Voilstreckungs- oder Strafverfolgungsbehörden durchsucht worden sind. Eine Beantwortung der Fragen ist auch nicht durch eine elektronische Recherche in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften oder der sächsischen Polizeidienststellen möglich. Eine vollständige Beantwortung der Fragen wäre daher nur möglich , wenn man sämtliche relevante Verfahrensakten händisch auswerten würde. Dies würde zunächst eine manuelle Aktenauswertung sämtlicher Ermittlungsverfahren gegen ausländische Beschuldigte im angefragten Zeitraum erfordern. lm angefragten Zeitraum wurde im Zuständigkeitsbereich der sächsischen Staatsanwaltschaften gegen 251.250 bekannte Beschuldigte ausländischer Nationalität ermittelt. Eine Auswertung allein dieser Vorgänge zu 251.250 Beschuldigten wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwändige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, des Auswerten der Akten und die schriftli- Seite 2 von 6 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN che Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entsprechende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den Staatsanwaltschaften für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 251.250 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 15.703 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der tatsächliche Aufwand zur Beantwortung der Fragen noch wesentlich höher ist, da Durchsuchungen nicht nur bei Beschuldigten (§ 102 der Strafprozessordnung [StPO]), sondern — bei Vorliegen der Voraussetzungen — auch bei anderen Personen (§ 103 StPO) zulässig sind. Auch im Zuständigkeitsbereich der Polizei müssten zur vollständigen Beantwortung der Fragen alle in Frage kommenden Vorgänge händisch danach ausgewertet werden, ob eine Durchsuchung stattgefunden hat. Eine Recherche in der lntegrierten Vorgangsbe— arbeitung (IVO) unter dem Stichwort ,,Durchsuchung“ als Einzelmaßnahme führte zu 14.961 Vorgängen. Diese Rechercheergebnisse müssten zur vollständigen Beantwor— tung händisch durchgesehen werden. Anschließend wären unter Umständen weitere Recherchen in Papierakten notwendig, um die Fragen vollumfänglich zu beantworten. Wenn man für die Durchsicht aller 14.961 Vorgänge einen Zeitansatz von 15 Minuten für die Auswertung eines Vorganges ansetzt, wären dies mehr als 3.740 Stunden für die Auswertung aller Vorgänge. Bei einer 40-Stunden-Woche wäre ein Sachbearbeiter mehr als 93 Wochen mit dieser Auswertung befasst. Dieses Personal stünde dann für Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zur Verfügung . Die Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung andererseits führt zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts innerhalb der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zumutbar ist. Frage 3: In wie vielen Fällen durchsuchten Mitarbeiter*innen privater Sicherheitsunternehmen beziehungsweise die Mitarbeiter*innen von Betreibern der Erstaufnahmeeinrichtungen die Wohnungen von Geflüchteten, in wie vielen Fällen wurden auf Basis der Durchsuchung ein Ermittlungsverfahren mit welchem Ausgang eingeleitet, warum erfolgte die jeweilige Durchsuchung und lag im Einzelfall ein richterlicher Beschluss undl oder die Einladung der Bewohner*innen vor (bitte aufschlüsseln auf die einzelnen Aufnahmeeinrichtungen)? Die Mitarbeiter des Betreibers und des Wachschutzes führen keine Durchsuchungen im Sinne polizei— bzw. strafrechtlicher Vorschriften durch. Die Räume der Bewohner werden in allen Aufnahmeeinrichtungen (AE) regelmäßig im Rahmen der Brandschutzbegehungen durch Mitarbeiter des Betreibers mit Unterstützung des Sicherheitsdienstes betreten. Dabei wird die Einhaltung von Hausordnung, Seite 3 von 6 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Hygiene- und Brandschutzbestimmungen kontrolliert. Dazu gehört die Freihaltung von Fluchtwegen, die Einhaltung des Rauchverbots und des Verbots bestimmter gefährli— cher Gegenstände wie Messer oder kühlpflichtiger Lebensmittel nach Hygieneplan. Bei der Brandschutzbegehung finden keine Taschen- oder Personenkontrollen statt, geprüft werden lediglich offen liegende Gegenstände. Besteht auf Grundlage der Brandschutzbegehung ein Verdacht auf Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz oder eine andere Straftat, wird die Polizei verständigt. Eine Durchsuchung, die über die Brandschutzbegehung hinausgeht, wird von Betreiber und Wachschutz nicht vorgenommen . Frage 4: In welchen der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen sind die Wohnungstüren mit eigenem Schlüssel abschließbar, besitzen in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen Betreiber, Security und] oder Landesdirektion Ersatzschlüssel und in welchen Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es keine Möglichkeit, die Wohnung abzuschließen ? Gibt es andere Lösungen des Verschließens von Türen (Riegel, Türkette, ...)? AE in der Region Chemnitz AE Adalbert-Stifter—Weg/Thüringer Weg: Beim Betreten und Verlassen der Bewohnerzimmer schließen die Mitarbeiter des Be— treibers die Zimmer auf bzw. wieder zu. Die Bewohner besitzen keinen eigenen Schlüssel, können jedoch ihr Zimmer von innen per Schließsystem mit Knauf verschließen . AE SFZ CoWerk: _ Die Türen der Wohneinheiten und Zimmer sind abschließbar, die Einrichtungsleitung bzw. die Mitarbeiter des Wachschutzes besitzen die Ersatzschlüssel. AE Schneeberg: Beim Betreten und Verlassen der Bewohnerzimmer schließen die Mitarbeiter des Betreibers die Zimmer auf bzw. wieder zu. Die Bewohner besitzen keinen eigenen Schlüssel, können jedoch ihr Zimmer von innen per Schließsystem mit Knauf verschließen . AE in der Region Dresden AE Hamburger Straße: Die Zimmer der Bewohner sind nicht abschließbar. Es gibt auch keine andere Möglichkeit der Verriegelung. AE Bremer Straße: Die Wohnräume lassen sich von innen mit einem Riegel verschließen. Die Bewohner besitzen keinen Schlüssel. Betreiber und Sicherheitsdienst besitzen Schlüssel zu den Wohnräumen. Seite 4 von 6 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Grillenburg: Riegel, Türketten und Schlüssel stehen den Bewohnern nicht zur Verfügung. Beim Verlassen der Zimmer besteht die Möglichkeit, über den Betreiber die Zimmer zu verschließen . AE in der Region Leipzig AE Max-Liebermann-Straße: Die Wohnräume lassen sich von innen mit einem Riegel verschließen. Die Bewohner besitzen keinen Schlüssel. Betreiber und Sicherheitsdienst besitzen Schlüssel zu den Wohnräumen. AE Dölzig: Die Türen der Unterkunftszimmer sind per Schließsystem mit Knauf von den Bewoh— nern selbst von innen zu verschließen. Für Notlagen besteht für den Betreiber und den Wachschutz die Möglichkeit, die Türen von außen mittels Schlüssel zu öffnen. Frage 5: In welchen der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen sind die Sanitärräume, insbesondere die Nasszellen, von innen abschließbar? AE in der Region Chemnitz AE Adalbert-Stifter—Weg/Thüringer Weg: Die Waschräume haben im Bereich der Duschen jeweils einen Schließknauf für den gesamten Duschbereich. AE SFZ CoWerk: Die Duschbereiche und Toiletten sind von innen verschließbar. AE Schneeberg: Die Duschbereiche und Toiletten sind von innen verschließbar. AE in der Region Dresden AE Hamburger Straße: Die Duschen in der Einrichtung sind nicht abschließbar. Vor den Sanitärräumen (Duschen ) der Frauen befinden sich daher zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, damit ausschließlich Bewohnerinnen Zutritt zu den Sanitärräumen erhalten können. Die Toiletten sind von innen verschließbar. AE Bremer Straße: Die Toiletten können von innen verschlossen werden, die Duschen nicht. AE in der Region Leipzig AE Max-Liebermann-Straße: In den Bewohnerhäusern sind die Sanitärräume bzw. die Nasszellen nicht von innen abschließbar. Die Toiletten sind verriegeibar. Seite 5 von 6 FreistaatSACHSEN FreistaatSACHSENSTAATSMINISTERIUMDES 1NNERN AE Dölzig: Die Duschbereiche und Toiletten sind von innen verschließbar. Pro . Dr. Roland Wöller Seite 6 von 6 2019-04-25T11:02:50+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes