STAATSI\IINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT Postfach 100510 | 01076Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold, Fraktion BUNDNIS 90/DlE GRUNEN Drs.-Nr.: 611719 Thema: Wissenschaftliche Untersuchungen der im nordböhmischen I ndustrierevier mitverursachten Geruchsbelastung Sehr geehfter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,ln grenznahen Gebieten von Erzgebirge und Vogtland treten bei bestimmten Luftströmungen und Wetterlagen Geruchsbelastungen auf. Dabei werden zumindest kurzzeitig auch hohe Konzentrationen verschiedener Luftschadstoffe gemessên. Anwohner klagen seit Jahren über den sogenannten,,Katzendreck"-Geruch. Es unbestritten, dass diese Belastungen aus dem nordböhmischen lndustrierevier stammen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage l: Welche der einzelnen festgestellten Hauptkomponenten der Luftverunreinigung lassen sich nach Erkenntnissen der Staatsregierung auf konkrete Emissionen aus einzelnen Anlagen in der Tschechischen Republik rückführen (sei es durch direkten Nachweis oder indirekt über Kenntnis der dort hergestellten Stoffe und genutzten Verfahren) und welche der einzelnen festgestellten Hauptkomponenten der Luftverunreinigung lassen sich keiner der tschechischen Anlagen zuordnen, da sie dort nicht emittiert werden? Es wird davon ausgegangen, dass mit ,,Hauptkomponenten der Luftverunreinigung " die Luftschadstoffe gemeint sind, für die europäische Grenzwerte nach der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europal existieren, wie zum Beispiel Schwefeldioxid, Benzol, Stickstoffdioxid und Feinstaub PM 10. 1 umgesetzt in der Bundesrepublik Deutschland mit der 39. Verordnung zum BundesI mmissionsschutzgesetz Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564-2000 Telefax +49 351 564-2009 poststelle@ smul sachsen.de* lhr Zeichen PD 2-2012 Palïo lhre Nachricht vom 21. Mai 2015 Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) z-014't.50t19t4869 Dresden, (Ð Ns@ rf) o(\ IANDESGARTENSCHAU oErsNrrr/ERrGEBrncr 201 5 Hausanschrift: Sächs¡sches Staatsministerium Archivstraße 1 01097 Dresden www smul sachsen de Verkehrsverb¡ndung: Zu erreichen m¡t den Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 13 Für Besucher mit Behinderungen befinden sich gekennzeichnele Parkplätze am Königsufer FúÍ alle Besucherparkplätze gilt: Bitte beim Pfortendienst melden. . * Kein Zugang fi¡r €lêktronisch s¡gnierte 7, JtJìlL 2o15 Seite 1 von 4 sowie für verschlússelte elektronischeDokumente STAATSMINISTERìUI\4 FÜR UMWELT UND LÀNDWIRTSCHAFT Diese Grenzwerte werden im ErzgebirgeA/ogtland sicher eingehalten. Dies belegen die zahlreichen Messungen und Analysen, die in der Vergangenheit vorgenommen wurden. Nach Angabe im European Pollutant Release and Transfer Register befinden sich im Nordwesten der Tschechischen Republik circa 100 berichtspflichtige lndustrieanlagen, die Schadstoffe freisetzen. Die Staatsregierung hat keine Erkenntnisse, dass in den lndustrieanlagen in Nordböhmen EU-Richtlinien zur Begrenzung der Emissionen nicht eingehalten werden. Stickstoffoxid, Benzol, Feinstaub PM10 (Partikel, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als zehn pm beträgt) und Schwefeldioxid sind für die Geruchsbelastung im ErzgebirgeA/ogtland, die bei südlichen Windrichtungen auftreten, nicht verantwortlich, da deren gemessene Maximalkonzentrationen weit unter den Geruchsschwellen der Stoffe liegen. Ursächlich sind vielmehr organisch-chemische Verbindungen in Spurenkonzentrationen , die messtechnisch schwierig zu erfassen sind. Es gibt keine europäischen Beurteilungs- beziehungsweise Grenzwerte für geruchsintensive Stoffe. Frage 2: Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse zur (Photo)Chemie der emittierten Stoffe in der Atmosphäre und welche Verbindungen (gasförmig , Aerosol, Feinstäube) können nach dem Stand der Forschung aus den einzelnen emittierten Stoffen auf dem atmosphärischen Transportweg entstehen? Aufgrund der Vielzahl von industriellen Emissionsquellen, Haushaltsheizungen insbesondere die mit festen Brennstoffen betrieben werden und Emissionen aus dem Straßenverkehr, treten vielfältige chemische Transport- und Umwandlungsprozesse in der Atmosphäre auf. Der Schwerpunkt in den letzten Jahren lag bei der Bestimmung von circa 50 relevanten Geruchsstoffen an der Luftmessstation auf dem Schwartenberg, um Rückschlüsse auf die Quelle(n) der Geruchsbelastung schließen zu können. Die umfangreichen Analysen und Messungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, sind im lnternet2 veröffentlicht . Nachdem diese Untersuchungen nicht zur ldentifikation führten, liegt nun der Schwerpunkt bei der Entwicklung einer Analysenmethode zut Bestimmung von Merkaptanen. Alle bisherigen Untersuchungen konnten Merkaptane nur im Einzelfall nachweisen, da es an einer geeigneten Analysenmethode fehlt. Merkaptane haben einen Geruchsschwellenwert unter einem Mikrogramm/m' Luft und sind damit schon in extremer Verdünnung organoleptisch erfassbar. Merkaptane können aus dem petrochemischen Komplex im benachbarten böhmischen Becken aufgrund unterschiedlicher Vorgänge emittieft und wegen der geringen Geruchsschwellenwerte noch in der sächsischen Erzgebirgsregion wahrgenommen werden. Sie þesitzen die oft beschriebene Geruchscharakteristik von ,,Katzendreck". Die Analysen der Beschwerden aus der Bevölkerung 2 htto://www. umwelt.sachsen. de/umwelUlufU6479. htm Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSMINISTERìUI\4 FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT haben gezeigt, dass sich die Geruchswahrnehmung jedoch nicht auf den ,,Katzendreck" beschränken lässt. Frage 3: Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Staatsregierung im Zusammenwirken mit tschechischen Behörden, möglicherweise identifizierte , kritische Einzelkomponenten des ,,Chemiecocktails" am Entstehungsort auch dann zu eliminieren/substituieren, wenn bisherige Grenanverte des Einzelstoffs nicht überschritten werden? Da noch keine ursächliche Komponente für die Geruchsbelastung identifiziert wurde, können auch keine Maßnahmen an Emissionsquellen durch die tschechischen Behörden veranlasst werden. Solange der/die Geruchsstoff(e) und die emittierende(n) Anlage (n) noch nicht zweifelsfrei analysiert werden konnten, ist der Sächsischen Staatsregierung keine Aussage zu den rechtlichen Möglichkeiten im Sinne der Fragestellung möglich. Frage 4: Welche Pläne für weiter gehende Forschungsaufträge etc. verfolgt die Staatsregierung zur weiteren Klärung der oben genannten Fragestellungen ? ln der Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft im Freistaat Sachsen (BfUL) ist eine Projektstelle zur Bestimmung geruchsintensiver Merkaptane (siehe Antwort auf die Frage 3) mittels Thermodesorption und Gaschromatographie mit Massenspektrometrie -Kopplung (GC-MS) eingerichtet worden. Es ist beabsichtigt, die Projekt stelle bis zum 30. Juni 2016 zu verlängern. lm Rahmen einer umweltmedizinischen Studie von Herbst 2015 bis Mitte 2017 werden eventuelle Einflüsse der Geruchsbelastung auf die menschliche Gesundheit durch eine sächsische Universität untersucht. Frage 5: In welchem Umfang sind für die weitere Erforschung des Phänomens finanzielle Mittel durch die Staatsregierung eingeplant und wie sind diese aufgeteilt (bitte aufschlüsseln nach Mittel für Betrieb der derzeitigen Messkapazitäten und Mittel für Gewinn neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Ursachen der Geruchsbelastung?) Die BfUL vefügt zum Betrieb des stationären Luftmessnetzes einschließlich der Aufgaben zur Edassung und Untersuchung von Geruchsereignissen über Personal- und Sachmittel in Höhe von 1,616 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2015. Mittel in gleicher Höhe sind auch für den Haushalt 2016 eingeplant. Eine weitere Aufschlüsselung nach Mittel für Betrieb der der-zeitigen Messkapazitäten und Mittel für Gewinn neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist nicht möglich. Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT Freistaat SACHSEN Für die in der Antwort auf Frage 4 genannte Projektstelle in der BfUL wurden Personalkosten für die Jahre 2014 und 2015 in Höhe von 58.656 Euro eingeplant. Die Personalkosten werden zu 75 Prozent vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit getragen. Mit freundlichen Grüßen Thomas Schmidt Seite 4 von 4 2015-06-18T11:20:44+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes