STAATSMIMSTERIUM DES 1NNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17344 Thema: Versuchte Abschiebung einer Familie mit hochfiebrigem Kind Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Eine vierköpfige Familie libyscher Staatsbürgerschaft, bestehend aus Vater, Mutter, achtjähriger Tochter und zum Zeitpunkt der versuchten Abschiebung fünfjährigen Tochter, untergebracht im Lager Hamburger Straße 19, Dresden, zwischenzeitlich auf die Stadt Dresden verteilt, sollte am 11. Februar 2019 vom Flughafen Frankfurt am Main abgeschoben werden. Die Abschiebung wurde am Flughafen von der Bundespolizei abgebrochen. Am 10. Februar diagnostizierte eine Ärztin bei der achtjährigen Tochter Streptokokkenanagina, einhergehend mit Fieber. Sie gab „hochfiebernd “ an, das Kind habe sich erbrochen. Angaben zur Reisefähigkeiterfolgten durch die Ärztin nicht. Die Abschiebung musste abgebrochen werden, weil, so die Angabe der Familie, die Tochter zusammengebrochen sei. Auf Anfrage des Sächsischen Flüchtlingsrats e.V. (SFR) bei der Abschiebungsbeobachterin am Flughafen Frankfurt am Main erklärte diese, dass zwischen Polizei und Familienvater eine starke Sprachbarriere bestanden habe. lm Folgenden erhielt die Familie vom Bereitschaftspolizeipräsidium Dresden eine ‚Anlaufbescheinigung aufgrund gescheiterter Abschiebung ‘ ausgestellt. Als Grund für das Scheitern gab die Bundespolizei ‚passiver Widerstand‘ an. Der SFR fragte bei der Bundespolizei an, inwieweit von ‚passivem Widerstand‘ gesprochen werden könne, wenn auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung klar hervorgehe, dass ein Kind unter hohem Fieber als Symptom einer akuten Streptokokkenangina leide. FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/92 Dresden, 6. Mai 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564—3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3,6‚7‚8‚ 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMiNiSTERIUM DES iNNERN Die Bundespolizeidirektion Frankfurt a.M. gab an, die Familie habe lautstark gegen ihre Abschiebung nach Italien protestiert. Deswegen sei ihr passiver Widerstand unterstellt worden. Am 13. Februar suchte die Familie erneut eine Ärztin auf. Diese diagnostizierte ein nach wie vor bestehendes Fieber von vormals 41 Grad Celsius, später 39 Grad Celsius. Recherchen zum Fliegen mit Fieber ergeben Folgendes: ‚Fieber bei lnfektionskrankheiten führt zu verminderter Hypoxietoleranz. Um keine Exazerbation der Erkrankung zu riskieren und die geringe lnfektionsgefahr durch direkten Kontakt mit Sitznachbarn oder Kabinenpersonal zu vermeiden, verbietet sich deshalb bei akuten Infektionen eine Flugreise. Außerdem sind Fluggesellschaften gesetzlich verpflichtet, den Transport von kontagiösen Patienten zu verhindern. Bei Pneumonie kommt eine stark verminderte Gasaustausch -Fläche hinzu, da die betroffenen Lungensegmente von entzündlichem Sekret bedeckt sind und durch Kapillardilatation ein ausgeprägter funktioneller Shunt vorliegt.‘ (https:I/www.allgemeinarzt-online.delalwelchen-patienten-drohtgefahr -1563756, letzter Zugriff 28.03.19) ,Wenn ein Kind aber 39 Fieber hat, besteht schon die Gefahr, dass St6rungen wie Krämpfe drohen.‘ Dann sei vom Flug abzuraten, ‚da lassen wir uns auch nicht beeinflussen‘, sagt Hammel mit Blick auf bettelnde Eltern, die den langersehnten Urlaub nicht missen möchten. ‚Für uns zählt das Wohl des Patienten — und nicht zuletzt auch ein problemloser Flug."' (gps:IIwww.welt.delreiselarticlez317878/Arzt-warnt-Eltern-vor-Flu—egen-mitkranken -Kindern.html letzter Zugriff 28.03.19) Recherchen zum Fliegen mit Krankheiten allgemein dies: ‚Der ärztliche Dienst der Deutschen Lufthansa verzeichnet pro Jahr 30 bis 40 Todesfälle an Bord von Verkehrsflugzeugen. Die American Medical Association (AMA) veröffentlichte jetzt eine Liste mit Krankheiten, bei denen auf keinen Fall eine Flugreise angetreten werden sollte. Genannt werden: ‚.maligne arterielle Hypertonie , ..‚. stabile oder instabile Angina pectoris,. frischer apoplektischer Insult. Von einem Flug sollte ferner abgeraten werden, wenn eine medizinisch nicht übenivachte Epilepsie vorliegt, bei starker Anämie, Sichelzellenanämie oder Hämophilie , bei einer über 240 Tage alten Schwangerschaft und bei drohen-der Fehlgeburt. Als relative Kontraindikation für Fliegen gelten Pneumothorax, akute Mittelohrentzündungen, Hirntumoren und Speiseröhrenvarizen. Patienten mit einem chronischen Emphysem, angeborenen Herzfehlern sowie einem Asthma bronchiale und einer sogenannten Lungenfibrose sollten nur mit Maschinen fliegen , die mit Sauerstoffmasken ausgerüstet sind. Wenn solche Erkrankungen vorliegen , sollte der Fliegerarzt konsultiert werden, der eine passende Maske besorgen kann, die 25-bis 30prozentigen Sauerstoff spendet. Bis zu einer Flughöhe von 7000 Metern kann die Druckkabine eines modernen Jets den Luftdruck im Flugzeug voll ausgleichen. Mit zunehmender Flughöhe fällt der Druck. Eine Flughöhe von 12 000 Metern läßt einen Druck entstehen, der auf der Erde in einer Höhe von 2300 Metern vorliegt. Pathophysiologisch wichtig ist ein weiteres Problem . Luft und Gase dehnen sich in großen Höhen aus. So können vermehrte Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMiNiSTERiUM DES iNNERN Darmgase zu Übelkeit und zu Erbrechen führen. Dieses Phänomen ist auch verantwortlich bei Patienten mit entzündeten Zähnen, die in großen Höhen regelmäßig Zahn-schmerzen bekomme.‘ (https:I/www.aerzteblatt.de/archivl137035lCaptopril-bei-chronischer-Herzzinsuffizienz ) Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wird der Vorwurf, die Familie habe passiven Widerstand geleistet, weiterhin aufrecht gehalten und welche rechtlichen Konsequenzen hat das für die Familie, insbesondere hinsichtlich der ZUständigkeit für das Asylverfahren gemäß Dublinlll -VO? Wenn ja, wie ist zu erklären, dass irgendjemand verstanden haben will, dass die Familie Protest äußerte, wo die Familienmitglieder sich doch ausschließlich auf Arabisch verständigen können? Die Staatsregierung ist nur zu solchen Fragen auskunftspflichtig, für die sie zuständig ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Bundespolizei in Amtshilfe für die Abschiebung ab der Übergabe am Flughafen zuständig war. Der Erbringer von Amtshilfeleistungen ist auch für deren Durchführung zuständig. Frage 2: Ab welchem Zeitpunkt während der laufenden Abschiebung wurde die Zentrale Ausländerbehörde von der Erkrankung informiert und warum erfolgte durch sie kein Abbruch angesichts der Tatsache, dass die Tochter hochfiebrig ist und erwog die Zentrale Ausländerbehörde die Infektionsgefahr, die von der Tochter ausging für andere Passagiere des Flugzeugs und wenn ja, warum brach sie die Abschiebung nicht ab? Der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) wurde ein Arztbrief der Bereitschaftspraxis Dresden vom 10. Februar 2019 übersandt, aus dem weder ersichtlich war, dass das Kind nicht reisefähig ist, noch, dass die Erkrankung ansteckend ist. Darüber hinaus wurde von der ZAB ein Arzt beauftragt, die Reisefähigkeit des Kindes am Flughafen zu prüfen. Dieser kam jedoch auf Grund der bereits vorher abgebrochenen Abschiebung nicht mehr zum Einsatz. Frage 3: Da das Staatsministerium des Inneren bereits in mehreren Anfragen angegeben hat, class eine Gefährdung des Lebens von Geflüchteten, auch von geflüchteten Kindern, nach § 60a Abs. 2c AufenthG legal ist und es auch keine Veranlassung sieht, Menschenleben Geflüchteter zumindest Mittels Erlassen und Verordnungen zu schützen — werden künftig in Hinblick auf angeführte Rechercheauszüge wenigstens andere Passagiere vor kontagiösen Abzuschiebenden geschützt? Die in der Frage zum Ausdruck kommende Unterstellung ist unzutreffend. Auch in zukünftigen Fällen wird, wenn konkreter Anlass besteht, eine ärztliche Prüfung der Reisefähigkeit veranlasst werden. Seite 3 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 4: Lagen nach der versuchten Abschiebung vom 11. Februar weitere Anhaltspunkte , insbesondere ärztliche Diagnosen vor, die vermuten lassen, dass weiteren Abschiebugen gesundheitliche Hindernisse entgegenstehen? Wurden vor den möglicherweise stattfindenden Abschiebeversuchen Informationen zum Gesundheitszustand der Tochter eingeholt? Frage 5: Wurden nach der versuchten Abschiebung weitere Abschiebeversuche vorgenommen und welche Maßnahmen haben die Behörden ergriffen, um die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen, insbesondere der achtjährigen Tochter, zu schützen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5: Es wurden keine weiteren Abschiebungsversuche durchgeführt. Im Übrigen wird auf die Antwort auf die Frage 2 verwiesen. wfe dlichen Grüßen Prof. Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 FreistaatSACHSEN 2019-05-06T11:30:26+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes