STAATSMlNISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.—Nr.: 6/17460 Thema: Effekte der Wohnsitzauflage in Sachsen gemäß den Zielen des Erlasses Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Laut Erlass des Staatsministerium des Inneren über die ‚Regelung des Wohnsitzes von Personen, die nach § 12 a Abs. 1 AufenthG einer Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Freistaat Sachsen unterliegen‘ soll ,dazu beigetragen werden, dass Wohnraum, Sprachkurse, Integrationsmöglichkeiten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie weitere lntegrationsangebote vor allem im ländlichen Raum genutzt werden und in anderen Räumen, vor allem in Ballungsgebieten der drei kreisfreien Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz, diese weiterhin in ausreichendem Maß vorhanden sind. Dies verbessert auch die Planbarkeit von lntegrationsmaßnahmen. Auch können dadurch Segregationsrisiken , insbesondere eine soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung von der Aufnahmegesellschaft, von vorneherein minimiert werden. lntegrationshemmenden Verwerfungen zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten wird damit entgegengewirkt.“‘ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Sprachkurse und welche weiteren lntegrationsangebote werden jeweils in den Landkreisen und kreisfreien Städten von welchem Träger angeboten und mit welcher Auslastung wurden sie von Betroffenen des Erlasses genutzt? Die Staatsregierung geht im Sinne der Vorbemerkung von Sprachkursen oder Integrationsangeboten in den Landkreisen und Kreisfreien Städten aus, die den unter § 12a Absatz 2 bzw. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) fallenden Personenkreis angeboten und von diesem genutzt werden. FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/108 Dresden, 21. Mai 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnli— nien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck— Str. 2 oder 4 melden. STAATSNHNISTERiUM DES iNNERN Die Staatsregierung weist darauf hin, dass nicht alle Ausländer, die nach Maßgabe des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 16. Februar 2018 einer Wohnsitzauflage nach § 12a Absatz 2 oder 3 AufenthG unterliegen, auch einen An— spruch auf Teilnahme an einem lntegrationskurs haben. Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c), Nr. 2 und § 12a Absatz 1 AufenthG kommen hierfür nur Ausländer in Betracht, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 oder nach § 23 Absatz 2 oder 4 AufenthG besitzen. Hinsichtlich der im Freistaat Sachsen angebotenen Sprachkurse ist zu differenzieren zwischen den über die Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz/Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration zur Förderung der sozialen Integration und Partizipation von Personen mit Migrationshintergrund und der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (Richtlinie integrative Maßnahmen) vom 20. Juni 2017 geförderten Landessprachkursen (dazu a.)) und den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angebotenen Sprachkursen im Rahmen des lntegrationskurses nach § 44 Absatz 3 Satz 1 AufenthG (dazu b.)). a.) Die Richtlinie Integrative Maßnahmen regelt in Teil 3 (Maßnahmen zum EnNerb der deutschen Sprache für Personen mit Migrationshintergrund) in Ziffer II., dass in Lan— dessprachkursen nur die Teilnahme von Personen mit Migrationshintergrund zulässig ist, wenn diese keinen Anspruch auf die Teilnahme in einem Bundesintegrationskurs gemäß § 43 AufenthG haben. Diese Subsidiarität schließt die Teilnahme eines großen Teils der von einer Wohnsitzauflage betroffenen Personen an Landessprachkursen aus. b.) Mit Blick auf die Frage, welche Sprachkurse vom BAMF angeboten und von welchem Träger diese durchgeführt werden, wird von einer Beantwortung abgesehen. Gemäß Artikel 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser lnformationspflicht entspricht das Frage und Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Staatsregierung nach Arti— kel 51 SächsVerf. Die Staatsregierung ist dem Landtag und den Abgeordneten nur für ihre Amtsführung im Sinne einer Rechenschafts- und Einstandspflicht für eigenes Handeln verantwortlich. Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet , die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die Vorgänge oder Umstände außerhalb ihres Verantwortungsbereichs betreffen (vgl. Sachs- AnhVerfG, Urteil vom 17. Januar 2000, NVwZ 2000, 671). Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Staatsregierung nicht zur Auskunft verpflichtet . Gemäß § 1 Satz 1 der Verordnung über die Durchführung von lntegrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (lntegrationskursverordnung — IntV) führt das BAMF als Bundesbehörde die lntegrationskurse durch und gewährleistet ein ausreichendes Kursangebot. Im Übrigen liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse hinsichtlich der Auslastung der Sprachkurse vor. Seite 2 von 5 FreistaatSACHSEN STAATSNIINiSTERiUNI DES iNNERN Für den Begriff „weitere Integrationsangebote“ gibt es keine Definition. Eine Beantwortung kann allein deshalb nicht erfolgen. Es sind der Staatsregierung aber keine Fälle bekannt, in denen der betreffende Personenkreis ausgeschlossen wird. Darüber hinaus findet eine gesonderte Erfassung der Angebote, die der betroffene Personenkreis wahrnimmt, nicht statt. Frage 2: Wie viele der von dem Erlass betroffenen Personen konnten im ihnen zugewiesenen Landkreis! der ihnen zugewiesenen kreisfreien Stadt selbstständig finanzierten Wohnraum finden und] oder auf dem Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsmarkt eine Anstellung finden? (bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln wie nach den Fällen, die nur selbstständig finanzierten Wohnraum gefunden haben, die nur eine Anstellung finden konnten und jenen, für die beide Bedingungen erfüllt sind) Die in der Fragestellung genannten Angaben werden weder durch die Ausländerbehörden statistisch erfasst noch können diese durch eine händische Auswertung der Akten ermittelt werden, da diese in den Ausländerakten nicht enthalten sind. Eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22, 23, 25 Absatz 1 bis 3 AufenthG berechtigt zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, so dass grundsätzlich im Falle einer Zuweisung keine Angaben zur EnNerbstätigkeit und/oder Ausbildung in den Ausländerakten enthalten sind. Gleichfalls ist die selbstständige Finanzierung des eigenen Wohnraumes weder für die Ersterteilung noch die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 22. 23, 25 Absatz 1 bis 3 AufenthG von Bedeutung, so dass auch dahingehende Angaben nicht aktenkundig sind. Frage 3: In welchen Gebieten des Freistaates Sachsen sieht die Staatsregierung das „Risiko der Segregation“ und inwieweit hat der Erlass dazu beigetragen, dieses Risiko zu minimieren beziehungsweise zu eliminieren? Wie und anhand welcher Indikatoren wird das Risiko wie die möglicherweise vorhandene Minimierung beziehungsweise Eliminierung gemessen? Von einer Beantwortung wird abgesehen. Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet, die die Staatsregierung bisher nicht getroffen hat. Zur Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet. Das Fragerecht dient nach Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes nicht dazu, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten, die der Abgeordnete für geboten hält, sondern nur dazu, den Abgeordneten Informationen zu verschaffen (SächsVerfGH, Urteil vom 22. April 2004, Vf. 44-l-03). Im Übrigen wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/15480 verwiesen. Seite 3 von 5 : FreistaatSACHSEN STAATSlVIlNlSTERlUM DES lNNERN Frage 4: In Drs. 6/15480 fragte die Fragestellerin nach der Evaluation der Wirksamkeit der landesinternen Wohnsitzauflage. Staatsminister Prof. Dr. Wöller antwortete, dass eine „über die Abfrage hinaus gehende Evaluation zur Wirksamkeit der Wohnsitzauflage [...] bislang nicht vorgesehen“ sei. Am 12.04.2019 empfahl der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) jedoch in einer Pressemitteilung eine externe Evaluierung der Effekte der Wohnsitzauflage . Sieht die Staatsregierung weiterhin keine Veranlassung eine Evaluation der Wirksamkeit der landesinternen Wohnsitzauflage und wenn ja, weshalb nicht, insbesondere in Bezug auf die Empfehlung des SVR? Wenn nicht, wann wird sie erfolgen und veröffentlicht? Die Staatsregierung sieht auch vor dem Hintergrund der Empfehlungen des SVR vom 12. April 2019 keine Notwendigkeit einer Evaluierung der Iandesinternen Wohnsitzregelung nach Maßgabe des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 16. Februar 2018. Bei den Bewertungen durch den SVR handelt es sich lediglich um eine Empfehlung eines unabhängigen Gremiums, welches die Politik berät und der Öffentlichkeit Infor— mationen zur Verfügung stellt. Einerseits bezog sich die Stellungnahme des SVR auf die von der Bundesregierung geplante Entfristung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBI. I. S. 1939) und nicht auf den o. g. Erlass. Anderseits handelt es sich lediglich um Empfehlungen, an welche die Staatsregierung nicht gebunden ist. Die Staatsregierung sieht indes das integrationspolitische Ziel der landesinternen Wohnsitzregelung als erreicht an. lnsbesondere von Seiten der unteren Ausländerbe— hörden wird in positiver Hinsicht die bessere Planbarkeit und zügige Vermittlung von Integrationskursen sowie die erleichterte Versorgung mit angemessenem Wohnraum hervorgehoben. Seit dem Inkrafttreten der landesinternen Wohnsitzregelung im April 2018 verringert sich daneben der Zuzug bzw. die Konzentration der betroffenen Ausländer in Dresden, Leipzig und Chemnitz, so dass eine Überlastung der dort vorhandenen Integrationskapazitäten verhindert werden kann. Frage 5: Laut Innenminister Prof. Dr. Wöller wird die „lntegrationsarbeit durch die Einschränkung der Mobilität [...] erleichtert (z.B. Reduzierung von dauerhaften Aufenthalten bei Verwandten). Inwieweit sieht die Staatsregierung hier einen Konflikt zu Artikel 6 (Abs 1) GG und inwiefern sieht die Staatsregierung Integration gefährdet durch Verhinderung von familiärem Kontakt? (bitte unter Berücksichtigung von Lebenspartner*innenschaften‚ Verlobten, nicht durch Ehe normierte Partner*innenschaften‚ Geschwister und Großelternbeziehungen beantworten) Die Staatsregierung sieht in der Anordnung von Wohnsitzauflagen auf der Grundlage des § 12a Absatz 2 und 3 AufenthG, durch die auch die Integrationsarbeit in den Landkreisen erleichtert werden soll, keinen Eingriff in den Schutzbereich von Artikel 6 Grundgesetz (GG) bzw. Artikel 22 SächsVerf (Ehe und Familie). Im Gegensatz zu einer räumlichen Beschränkung schreibt eine (landkreisbezogene oder eine auf eine Kreisfreie Stadt bezogene) Wohnsitzauflage nach § 12a Absatz 2 oder 3 AufenthG dem Ausländer lediglich vor, dass er seinen Wohnsitz in dem jeweiligen Landkreis oder der Kreisfreien Stadt zu nehmen hat. Eine Beschränkung des Aufenthaltsortes ist damit Seite 4 von 5 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN FreistaatSACHSEN gerade nicht verbunden. Durch die Wohnsitzauflage wird die Möglichkeit, sich im Bun— desgebiet im Übrigen frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht eingeschränkt. Der Aus— länder kann damit durchaus den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort für die Wohnsitznahme ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde vorübergehend verlassen und auch seine familiären Kontakte pflegen. Im Übrigen wird Artikel 6 GG unter dem Aspekt der Wahrung der Familieneinheit bei der Entscheidung über eine Wohnsitzauflage berücksichtigt . ??undlichen Grüßen Prof. oland Wöller Seite 5 von 5 2019-05-21T10:41:33+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes