STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17462 Thema: Nachfrage zu Drs. 6/16960: Konsequenzen des Urteils des VG Hamburg zum Eindringen in den Wohnraum von Geflüchteten zum Zwecke der Abschiebung Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „ln Drs 6/16960 beruft sich das Staatsministerium des Inneren auf § 6 Sächs VwVG und rechtfertigt damit das Durchsuchen von Wohnungen Geflüchteter im Zuge von Abschiebungen. § 6 SächstVG spricht in Absatz 1 davon, dass die Vollstreckungsbediensteten befugt sind, das Besitztum von Vollstreckungsschuldner*innen zu betreten und zu durchsuchen. ln § 3 SächstVG wird die Figur des*der Vollstreckungsschuldner *in wie folgt definiert: (1) Als Vollstreckungsschuldner kann in Anspruch genommen werden, wer 1. eine Leistung aufgrund des zu vollstreckenden Venfvaltungsaktes schuldet oder 2. für eine Leistung, die ein anderer aufgrund des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes schuldet, persönlich haftet. Das VenNaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes bezieht sich im Weiteren auf die Vollstreckung von Geldforderungen. In seinem Beschluss vom 16. Februar 2018 (VG 19 M 62.18) stellt das Verwaltungsgericht Berlin fest: ‚Auch das Berliner Landesvollstreckungsrecht bietet hierfür keine Grundlage. Denn das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (i.V.m. § 8 Abs. 1 VwVfG Bln) sieht eine Betretens- oder Durchsuchungsbefugnis, unabhängig von der Frage, ob das Verwaltungsvollstreckungsrecht überhaupt anwendbar ist, wenn kein Verwaltungakt, sondern eine gesetzliche Ausreisepflicht vollstreckt wird [...], nicht vor. Eine Vorschrift wie etwa § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 vaVG BW, wonach Vollstreckungsbeamte befugt sind, das Besitztum bzw. - nach richterlicher Anordnungen — Wohnungen zu betreten und zu durchsuchen, gibt es im Vewvaltungsvollstreckungsgesetz gerade nicht.‘ Das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigte die FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/114 Dresden, 21. Mai 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern VWhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8. 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSiVIiNiSTERiUM DES iNNERN Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin am 19. Februar 2018 (OVG 6 L 14.18).“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1 : Inwieweit kann die vollziehbare Ausreisepflicht tatsächlich als Leistung qualifiziert werden, die eine Person zum*zur VolIstreckungsschuldner*in macht? Worin besteht die Schuld? Frage 2: Welche Verwaltungsakte außer die Vollstreckung von Geldforderungen, fallen darüber hinaus in den Geltungsbereich des SächstVG? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Der Vollstreckung nach dem VerwaltungsvolIstreckungsgesetz für den Freistaat Sachsen (SächstVG) unterliegen sowohl Verwaltungsakte, die zu einer Zahlung verpflichten (Leistungsbescheide), als auch Verwaltungsakte, die zu einer sonstigen Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichten, § 2 SächstVG. Nach § 3 Absatz1 Nummer 1 SächstVG ist Vollstreckungsschuldner der Adressat des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes. Der Begriff ,,Leistung“ umfasst die Handlung, Duldung oder Unterlassung , zu der der Vollstreckungsschuldner nach dem Verwaltungsakt verpflichtet ist. Der der Vollstreckung einer gesetzlichen Ausreisepflicht zugrundeliegende Verwaltungsakt ist die Abschiebungsanordnung nach § 343 Asylgesetz (AsyIG) bzw. die Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG. Das VwVG ist auf dieser Grundlage anwendbar (vgl. z.B. KG Berlin 1 W 51/18). Frage 3: Wird der Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ aus Artikel 31 GG bei diesem Sachverhalt von der sächsischen Staatsregierung berücksichtigt, nicht nur in Hinblick auf das bundesdeutsche VwVG, sondern auch auf Art. 13 GG? Der in Artikel 31 Grundgesetz (GG) verankerte Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht “ kommt in dem eingangs geschilderten Sachverhalt nicht zum Tragen. Seine Anwendung setzt voraus, dass Bund und Länder gleichermaßen zur Gesetzgebung befugt sind. Nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung ist der Bund jedoch nicht befugt, das Verwaltungsvollstreckungsverfahren allgemein für die Länder vorzuschreiben. Das VenNaItungsvoIlstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) ist daher auf die BundesvenNaltung beschränkt. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsyIG bzw. die Abschiebungsandrohung nach § 34 AsyIG werden zwar vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassen; § 71 Absatz1 Aufenthaltsgesetz überträgt die Zuständigkeit für den Vollzug der Abschiebungen aber auf die Ausländerbehörden der Länder. Nach § 4 Satz 1 Nummer 1 Säch— sisches Ausländerrechtszuständigkeitsgesetz in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nummer 1 Sächsische Aufenthalts- und Asylverfahrenszuständigkeitsverordnung ist die Landesdirektion Sachsen für die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern zuständig . Seite 2 von 3 FreistaatSACHSEN STAATSMiNiSTERiUiVI DES iNNERN Frage 4: Wie ist das Sächsische VewvaltungsvolIstreckungsgesetz im Vergleich mit den VerwaItungsvollstreckungsgesetzen anderer Bundesländer, beispielhaft wurde hier das Berliner Gesetz angeführt, hinsichtlich des Schutz von Art. 13 GG einzuordnen ? Die Durchsuchung einer Wohnung ohne Einwilligung des Vollstreckungsschuidners darf grundsätzlich nur auf Anordnung des Amtsgerichts erfolgen, § 6 Absatz 2 Satz 1 SächstVG. Dies entspricht den Vorgaben des Artikels 13 Absatz 2 GG. Ferner wird mit § 28 SächstVG dem Zitiergebot nach Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG Rechnung getragen. Die Regelungen des SächstVG zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen im Rahmen einer Vollstreckung genügen damit den Vorgaben des Grundgesetzes hinsichtlich eines Eingriffs in Artikel 13 Absatz 1 GG. Das „Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung" verweist in § 8 für das Voll— streckungsverfahren der Behörden Berlins auf das VenNaltungsverfahrensgesetz des Bundes. Das VenNaltungsverfahrensgesetz des Bundes enthält keine dem § 6 SächstVG entsprechende Regelung, so dass die Rechtslage nicht vergleichbar ist. Demgegenüber enthalten das VerwaltungsvolIstreckungsgesetz für Baden-Württemberg (§ 6) und das Hamburgische Verwaltungsvollstreckungsgesetz (§ 23) dem § 6 SächstVG vergleichbare Regelungen, wonach Wohnräume der pfiichtigen Person ohne deren Einwilligung grundsätzlich nur auf Grund einer gerichtlichen Anordnung durchsucht werden können. Mit fr undiichen Grüßen < % Dr. Ro and‘waner I Seite 3 von 3 FreistaatSACHSEN 2019-05-21T10:43:24+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes