STAATSMiNiSTERiUM DES iNNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES iNNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard—von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Sarah Buddeberg (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17487 Thema: Digitale Gewalt gegen Frauen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die stetig zunehmende Digitalisierung fast aller Lebensbereiche bringt es mit sich, dass auch häusliche Gewalt sowie andere Formen der Gewalt gegen Frauen neue, digitale Ausprägungsformen erfahren. Der Begriff ‚digitale Gewalt‘ bezeichnet alle Formen von Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel oder digitaler Medien bedienen, sowie Gewalt , die im digitalen Raum stattfindet, also bspw. im Rahmen von Online -Portalen oder sozialen Plattformen. Das Hilfetelefon ‚Gewalt gegen Frauen‘ des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten zählt zu den Formen digitaler Gewalt etwa den Ausschluss aus (Messenger-)Gruppen, Beleidigungen und Beschimpfungen, Bloßstellen und Anschwärzen, ,Doxing‘ (das Veröffentlichen von personenbezogenen Daten im Netz), Cyber- Stalking (bis hin zur lnstallierung von Spy-Apps, Kameras oder anderen Aufnahmegeräten in privaten Räumen oder auf Geräten), Nötigung und Erpressung (dazu zählt auch ‚Revenge Porn‘, also bspw. das Erpressen mit der Drohung, intime Bilder zu veröffentlichen), das Verbreiten von Gerüchten und Diffamierungen, ldentitätsmissbrauch und -diebstahl sowie die offene Androhung von Gewalt. Weitere Formen sind bildbasierte sexualisierte Gewalt, etwa das Filmen von Vergewaltigungen und das Veröffentlichen dieser Aufnahmen , Bildmontagen mit pornografischen Inhalten und das Hochladen dieser Montagen auf Dating- und Sex-Websites, das Veröffentlichen von Kontaktdaten auf Dating-Websites oder das Zusenden von pornografischen lnhalten und sexualisierten Bedrohungen.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 3-1053/77/140 Dresden, 22. Mai 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnli— nien 3,6‚7‚8‚ 13 Besucherparkpiätze: Bitte beim Empfang Wilheim-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMiNiSTERiUM DES iNNERN Frage 1: Wie werden die in der Vorbemerkung aufgeführten Formen digitaler Gewalt nach Kenntnis der Staatsregierung in Sachsen statistisch durch die Polizei und] oder andere Behörden erfasst (bitte getrennt nach Straftat und, soweit erfasst, nach Geschlechtern aufführen)? Frage 2: Wie oft wurden in Sachsen Formen digitaler Gewalt nach Kenntnis der Staatsregierung im Zeitraum 2014-2019 angezeigt, und wie oft kam es zu Verurteilungen (bitte getrennt nach Jahren, Straftat und, soweit erfasst, nach Geschlechtern aufführen )? Frage 3: Wie viele Betroffene von digitaler Gewalt gab es nach Kenntnis der Staatsregierung im Zeitraum 2014-2019 (Mehrfachbetroffene bitte extra kennzeichnen und, soweit erfasst, getrennt nach Geschlechtern aufführen)? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 3: Von einer Beantwortung seitens der Staatsregierung wird abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht der Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions— und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Es erfolgt keine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellungen. Die vollständige Beantwortung der Fragen durch die sächsischen Staatsanwaltschaften würde die Durchsicht und händische Auswertung der Papierakten aller in Betracht kommenden Ermittlungsverfahren erfordern. Handlungen, die der digitalen Gewalt gegen Frauen zuzurechnen sind, sind aufgrund zahlreicher Straftatbestände, so zum Beispiel §§ 185, 238b, 240, 253 des Strafgesetzbuches und § 33 des Kunsturheberrechtsgesetzes , unter Strafe gestellt. Allein wegen dieser fünf Tatvorwürfe ermittelten die sächsischen Staatsanwaltschaften im Berichtszeitraum gegen 63.435 bekannte Beschuldigte und 15.065 unbekannte Beschuldigte. Es wären daher umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, z. B. von Verteidigern, Gerichten, Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMiNiSTERiUM DES iNNERN zu berücksichtigen. Für die entsprechende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den sächsischen Staatsanwaltschaften für die händische Auswertung der Akten zu den insgesamt 78.500 Vorgängen anfallende zeitliche Auf— wand auf mindestens 981 Wochen für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Für die Beantwortung der Fragen wäre auch durch die Polizei eine Einzelfallprüfung mindestens aller erfassten Straftaten mit dem Tatmittel „Internet" erforderlich. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. März 2019 handelt es sich dabei um 53.739 Vorgänge . Bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 30 Minuten je Vorgang wäre ein in Vollzeit tätiger Mitarbeiter über 670 Arbeitswochen damit befasst. Dieses Personal stünde dann für Kernaufgaben der Justiz und des Polizeivollzugsdienstes nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr zugeordneten Ermittlungs— und Poiizeibehörden andererseits zu dem Ergebnis , dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege und der Funktionsfähigkeit der sächsischen Polizei nicht zu leisten ist. Frage 4: Ist das Thema „digitale Gewalt insbesondere gegen Frauen“ nach Kenntnis der Staatsregierung Teil der Aus- und Weiterbildung der sächsischen Polizei, wenn nein sind entsprechende Ergänzungen geplant und wenn ja, wie? Im Rahmen der Aus- und Fortbildung der sächsischen Polizei werden rechtliche Grundlagen und ermittlungstaktische Fragen bezüglich der Bearbeitung von Straftaten unter dem Aspekt der Begehung mit Hilfe von digitalen Medien gelehrt. Darüber hinaus werden bei Fortbildungen für den Präventionsbereich, insbesondere in der Veranstaltung „Gefahren und Risiken im Umgang mit digitalen Medien“ (Tatmittel sind digitale Medien ), Täterstrategien thematisiert. Das Geschlecht des Opfers spielt dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Weiterhin wird im Rahmen der Vermittlung von Belangen des Opferschutzes auf spezielle Hilfsangebote für Kinder, Frauen und Männer hingewiesen. Seite 3 von 4 FreistaatSACHSEN FreistaatSACHSENSTAATSMINISTERIUMDES INNERN Frage 5: Gibt es in Sachsen Beratungsangebote für Betroffene undloder für Beratungsstellen im Bereichder Opferberatung speziell zu den Themen Spy-Apps oder Manipulation von Geräten oder Software, die das Ziel oder jedenfalls die Funktion haben, Opfer auszuspionieren? Die lnterventions- und Frauenberatungsstellen begleiten Betroffene psychosozial und arbeiten in diesen Fällen nach Möglichkeit eng mit der Polizei zusammen. Mit freundlichen Grüßen Pr f/Dr. Roland Waller Seite 4 von 4 2019-05-22T11:44:40+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes