SACHSISCHES STMTSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage deg Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BUNDNIS gO/DIE GRUNEN, Drs.-Nr.: 6/1760 Thema: Aufhebung von Bußgeldentscheidungen des Sächsischen Date nsch utzbeauftragte n Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: ln wie vielen Fällen und aus welchen konkreten rechtlichen oder sonstigen Gründen haben welche sächsischen Staatsanwaltschaften Bußgeldentscheidungen des Sächsischen Datenschutzbeauftragten (DSB) seit dem Übergang der Bußgeldzuständigkeit auf den DSB aufgehoben ? ln einem Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Dresden den Bußgeldbescheid des Sächsischen Datenschutzbeauftragten nach hiergegen gerichtetem Einspruch aufgehoben und das Verfahren gemäß SS 46 Abs.1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OW|G), 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (SIPO) eingestellt. Der Betroffenen des Bußgeldbescheides lag zur Last, entgegen $$ 42a Satz 1, 43 Abs. 2 Nr. 7 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten nicht mitgeteilt zu haben, dass an zwei Geldautomaten durch das kriminelle Handeln Dritter im Wege einer STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSE'i\ Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-KLR-1 51 0/1 5 Dresden, 2h Juni2o15 Hausanschrlft: Såchslsches Staatsmlnlsterlum der Justlz Hospltalstraße 7 0'1097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverblndung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinlen 3,6,7,8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Elnfahrt Hospitalstraße 7 *zugsng für elektronlsch slgniertô sowie für verschlüsselte elektron¡sche Ookumente nur iiber das Elektronlsche Gerichts- und Verw6ltungspostfach; nähere lnformstionen unler www.êgvp.deSeite 1 von 4 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEI\ sogenannten Skimming-Attacke die Debitkarten-Magnetstreifen der Nutzer kopiert und deren Geheimzahlen (PlNs) ausgespäht worden waren. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat das Verfahren eingestellt, weil eine Bankleitzahl mit zugehöriger Kontonummer ohne den Namen des Kontoinhabers - jedenfalls für den Skimming-Täter - nicht personenbezogen im Sinne von $ 3 Abs. 1 BDSG sei, so dass es schon tatbestandlich am Personenbezug der Bank- und Kreditkartendaten fehle. Frage 2= lnwieweit wurde der DSB in den unter Ziller 1. genannten Fällen vor der Entscheidung angehört? ln dem zu Frage 1 genannten Verfahren der Staatsanwaltschaft Dresden wurde der Sächsische Datenschutzbeauftragte vor Erlass der Einstellungsverfügung angehört und seine Einwendungen wurden im Rahmen der Entscheidung berücksichtigt. Frage 3: Wäre es aus Gründen der Umsetzung der EU-Datenschutz-Richtlinie möglich, die Bußgeldsache im Zwischenverfahren im Falle eines Einspruchs dem Gericht immer vorzulegen? Wie stellt sich insbesondere der Diskussionsstand arischen dem DSB und dem Justizministerium zu dieser Frage dar? Das geltende Recht sieht nicht vor, dass datenschutzrechtliche Bußgeldsachen stets durch die Staatsanwaltschaft dem Gericht vorgelegt werden. Übersendet die Verwaltungsbehörde im Zwischenverfahren gemäß $ 69 Absatz 3 Satz 1 OW|G die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht, gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde gemäß $ 69 Absatz 4 Satz 1 OW|G mit dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft auf diese über. Die Staatsanwaltschaft erlangt dadurch die Verfahrensherrschaft und prüft anschließend gemäß $ 69 Absatz 4 Satz 2 OW|G in eigener Zuständigkeit, ob sie die Akten dem Richter beim Amtsgericht vorlegt, das Verfahren einstellt oder weitere Ermittlungen durchführt. Die geschilderte Regelung des OW|G steht gemäß der Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden (Beschluss vom 25. November 2014, Az.: OLG 25 Ss 640114) und des Landgerichts Dresden (Beschluss vom 5. Januar.2015, Azl5 Qs 63/14) im Einklang mit Seite 2 von 4 STAATSI\4INISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEI\ der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Richtlinie). Eine enveiternde europarechtskonforme Auslegung mit dem Ziel einer Gebundenheit der Staatsanwaltschaft an die Entscheidung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten als Bußgeldbehörde ist gemäß der genannten gerichtlichen Entscheidungen nicht zulässig, zumal der lnhalt der genannten Verfahrensvorschriften eindeutig und damit nicht auslegungsfähig ist. Artikel 28 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie verlangt, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen der Mitgliedstaaten als Kontrollstellen die datenschutzrechtlichen Vorschriften übenryachen. Jeder Kontrollstelle muss gemäß Artikel 28 Absatz 3, 3. Spiegelstrich der Richtlinie u. a. das Klagerecht oder eine Anzeigebefugnis bei datenschutzrechtlichen Verstößen zustehen. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte als Kontrollstelle in Sachsen hat gemäß $ 25 Absatz 8 SächsDSG die Befugnis zur Anzeigeerstattung bei datenschutzrechtlichen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Dass er gemäß $ 38 Absatz 3 SächsDSG auch als bußgeldrechtliche Venrualtungsbehörde gemäß 36 Absatz 1 Nr. 1 OW|G eingesetzt ist und damit eine Verfolgungszuständigkeit bis zum Erlass des Bußgeldbescheides hat, geht bereits über die Forderungen der Richtlinie hinaus. Die Richtlinie verlangt erst recht nicht, dass dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten eine Weisungsbefugnis gegenüber der im Zwischenverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft zusteht (vgl. OLG Dresden, a.a.O.). Aufgrund der ergangenen gerichtlichen Entscheidungen ist die Frage der Verfahrensstellung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten geklärt. lnsoweit ist das Sächsische Staatsministerium der Justiz mit dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten derzeit nicht in einem Dialog. Änderungen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten fallen im Übrigen in die Zuständigkeit des Bundes. Frage 4: lnwieweit findet die nach EU-Recht zu gewährleistende völlige Unabhängigkeit des DSB und seine Auffassung zu Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen generell Eingang in die Ordnungswidrigkeitenverfahren zu Datenschutzangelegenheiten , insbesondere bei den Entscheidungen nach $$ 69, 72,75,77 und 79 ow¡G? Seite 3 von 4 STAATSN4INISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEh Gemäß Artikel 28 Absatz 1 Unterabsatz2 der Richtlinie nehmen die von den Mitgliedstaaten als Kontrollstellen beauftragten öffentlichen Stellen die ihnen zugewiesenen datenschutzrechtlichen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr. Die Unabhängigkeit des Sächsischen Datenschutzbeauftragten gilt somit nur im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben, führt aber nicht dazu, dass andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit und im Bereich ihrer Aufgaben an die Auffassung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten gebunden wären (vgl. OLG Dresden a.a.O.). lm Zwischenverfahren ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, gemäß $ 69 Absatz 4 Satz 2 OW|G eine Entscheidung nach eigener Rechtsauffassung zu treffen. Dasselbe gilt im Hauptverfahren für die Entscheidungen gemäß S 75 OW|G über die Teilnahme an der Hauptverhandlung sowie gemäß S 79 OW|G über die Einlegung der Rechtsbeschwerde. Das zuständige Gericht entscheidet in verfassungsrechtlich garantierter richterlicher Unabhängigkeit. Dies betrifft sowohl die Entscheidung im Zwischenverfahren gemäß $ 69 Absatz 5 OW|G über die Zurückweisung oder Rückgabe an die Venrvaltungsbehörde als auch die Entscheidungen im Hauptverfahren gemäß S 72 OW|G über den Einspruch durch Beschluss sowie gemäß $ 77 OW|G über den Umfang der Beweisaufnahme. Weiterhin sieht $ 63 Absatz 3 OW|G vor, dass die Staatsanwaltschaft, falls sie in den Fällen des S 40 OW|G oder $ 42 OW|G (Zusammenhang von Straftat und Ordnungswidrigkeit ) das Verfahren einzustellen beabsichtigt, vorab die Venryaltungsbehörde zu hören hat (vgl. auch Nummer 275 Absalz 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren - RiStBV). Vergleichbare Beteiligungsrechte der Venrualtungsbehörde sind in S 76 OW|G für das gerichtliche Verfahren verankert. lm Allgemeinen wird die Rechtsauffassung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten von der Staatsanwaltschaft und vom Gericht nach den verfahrensrechtlichen Grundsä2en des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens zur Kenntnis genommen und gewürdigt wie die Rechtsauffassung eines jeden anderen Verfahrensbeteiligten. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4 2015-06-25T15:46:15+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes