STAATSMINISTERiUM DES iNNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Iris Raether-Lordieck (SPD) Drs.-Nr.: 6/17606 Thema: Verhalten der Kommunalaufsicht des Landkreises Zwickau hinsichtlich der Haushaltsabschlüsse Limbach-Oberfrohna 2011 — 2014 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In der Chemnitzer ‚Freien Presse‘ vom 10.01.2019 findet sich ein lnterview mit dem Leiter des Amtes für Kommunalaufsicht des Landkreises Zwickau. Der Landkreis nimmt die Aufgabe der Kommunalaufsicht als untere staatliche Aufsichtsbehörde wahr. In dem Interview geht es um das finanzielle Gebaren des Kämmerers der Stadt Limbach- Oberfrohna; in den Jahren 2011 bis 2014 hat er nach der Berichterstattung ca. 30 Millionen Euro an Haushalt und Stadtrat vorbei zurückgelegt , dabei aber zugleich für das laufende Geschäft Haushaltssperren verhängt. Weitere Unregelmäßigkeiten sollen sich bei der Umschuldung der Kommune und beim Mahnwesen ergeben haben. Der Prüfbericht der Kommunalaufsicht wurde 2018 gefertigt. Nach § 88 SächsGemO hat die Stadt zum Schluss eines jeden Haushaltsjahres einen Jahresabschluss aufzustellen, der unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-‚ Finanz- und Ertragslage der Stadt zu vermitteln hat. Die Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses beträgt sechs Monate nach Ende des Haushaltsjahres. Die Abschlüsse für die betreffenden Jahre 2011 bis 2014 lagen aber offensichtlich erst 2018 vor.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1 053/71/122 Dresden. 6. Juni 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßen— bahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 1: lst es zutreffend, dass der Prüfbericht erhebliche Abweichungen zwischen den Ausführungen im Vorbericht zur tatsächlichen Darstellung im Rechenschaftsbericht feststellt? Beziehen sich diese Abweichungen auf Unterschiede zwischen Plansoll und Ist beim ordentlichen Ergebnis, bei der ordentlichen Kredittilgung sowie bei der Angabe zur Liquidität? Es existiert kein vom Landratsamt des Landkreises Zwickau als Rechtsaufsicht über die Stadt Limbach-Oberfrohna angefertigter Prüfbericht. Unabhängig davon wären aber Abweichungen zwischen Ausführungen in einem Vorbericht und einem Rechenschaftsbericht nicht ungewöhnlich, weil beiden Berichte grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungszeitpunkte der gemeindlichen Haushaltswirtschaft zugrunde liegen. Bei einem Vorbericht handelt es sich um eine Anlage, die dem Haushaltsplan beizufü— gen ist. Er betrifft die Pianungsphase und gibt einen Überblick über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Haushaltswirtschaft in einer Gemeinde. Demgegenüber stellt ein Rechenschaftsbericht ein ergänzend zum Jahresabschluss aufzustellendes Dokument dar, das die Abrechnungsebene nach Ablauf des haushaltswir‘tschaftlich relevanten Betrachtungszeitraumes betrifft. Es beinhaltet die Darstellung des Verlaufs der Haushaltswirtschaft und vermittelt ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild; in ihm sind u. a. erhebliche Abweichungen der Jahresergebnisse von den Haushaltsansätzen zu berücksichtigen. Gerade in der Frühphase der Doppik konnten, auch bedingt durch die noch fehlenden Erfahrungen der Gemeinden bei der Anwendung des doppischen Haushaltsrechts, zum Teil nicht unerhebliche Diskrepanzen zwischen Planung und Jahresabschluss festgestellt werden, die zum Teil durch die vollzogene Fortentwicklung doppischer Regelungen zwischen dem Zeitpunkt der Haushaltsplanung und dem Zeitpunkt des Jahresabschlusses noch verstärkt wurden. Mit Blick auf die Stadt Limbach-Oberfrohna beziehen sich die Abweichungen vor allem auf das ordentliche Ergebnis und die Liquidität, weniger auf die ordentliche Kredittilgung. Frage 2: Der Leiter des Amtes für Kommunalaufsicht erklärt sowohl Verzögerungen als auch Abweichungen zwischen Vorgaben und Abschlüssen mit Schwierigkeiten bei der Einführung der Doppik. Lässt sich nach Einschätzung der Staatsregierung die Verzögerung von Jahresabschlüssen um bis zu 6 Jahre mit der Einführung der Doppik erklären? Kann die Einführung der Doppik Rücklagen eines Kämmerers an Haushalt und Stadtrat vorbei in der Größenordnung von 30 Millionen Euro erklären? Kann die Verhängung einer Haushaltssperre gem. § 30 SäcthomHVO mit den Erfordernissen der Einführung der Doppik gerechtfertigt werden? Ist dies insbesondere dann möglich, wenn die Stadt über Rücklagen in Höhe von 30 Millionen Euro verfügt? Die angesprochenen Vorkommnisse betreffen die Jahre 2011 bis 2014. Während die Umstellung der Haushaltswirtschaft auf die Doppik erst mit dem Jahr 2013 verpflichtend war, führte die Große Kreisstadt Limbach-Oberfrohna die Doppik als sogenannter „Frühstarter“ bereits mit dem Jahr 2008 ein. Von Anfang an waren Probleme im Zu- Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSNHNISTERiUM DES iNNERN sammenhang mit der Anlagenbuchhaltung festzustellen, die aber von grundlegender Bedeutung für die Aufstellung sowohl der Eröffnungsbilanz als auch der Jahresabschlüsse ist. Ohne funktionierende Anlagenbuchhaltung und damit letztlich ohne Jahresabschlüsse können sich Gemeinden letztendlich nicht auf gesicherte Werte von wesentlichen Aufwendungen, wie beispielsweise den Abschreibungen, stützen. Deren Höhe hat aber unmittelbaren und wesentlichen Einfluss auf das ordentliche Ergebnis des Ergebnishaushaltes und damit letztlich auch auf den Stand der Rücklagen aus den Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses. Wenn eine Gemeinde — aus welchen Gründen auch immer — über mehrere Jahre keine Jahresabschlüsse aufstellt und stattdessen ihre Haushaltsplanung Iediglich auf Basis fortgeschriebener Planansätze vor— genommen hat, kann es in der Folge bei der Feststellung der Jahresabschlüsse allein aufgrund der Abweichungen bei den Abschreibungen in Summe zwischen Planung und Jahresabschluss zu erheblichen Abweichungen beim ordentlichen Ergebnis und den daraus resultierenden Rücklagen kommen. Über die Jahre traten umstellungsbedingte technische Probleme auf, die nur zusammen mit dem Softwareanbieter zu Iösen waren. Für die Stadtverwaltung hatte dies zur Konsequenz, dass es ihr nicht möglich war, Jahresabschlüsse aufzustellen und sie zeitnah dem Stadtrat zur Feststellung vorzulegen. Was die erfolgte Verhängung der Haushaltssperre angeht, stellt diese ein Instrument des Haushaltsvollzugs der. Dadurch, dass die Jahresabschlüsse zeitversetzt aufgestellt bzw. festgestellt wurden, ist der tatsächliche Bestand der Liquidität seitens der Rechtsaufsichtsbehörde nicht erkennbar gewesen und auch nicht dokumentiert. Frage 3: Die Rechtsaufsicht wurde laut Berichterstattung über die Probleme bei der Aufstellung und die Fristüberschreitung erforderlicher Haushaltsabschlüsse regelmäßig informiert. Für die Überschreitung der Aufstellfristen wurden seitens der Rechtsaufsicht Terminverlängerungen gewährt. Der Leiter der Kommunalaufsicht erklärt, die Terminverlängerungen seien berechtigt gewesen; er habe im Hinblick auf die Bildung von Rückstellungen am Haushalt vorbei wie auch in Bezug auf Unregelmäßigkeiten bei Umschuldung und Mahnwesen keine Handhabe, Beanstandungen auszusprechen. Sind diese Angaben zutreffend? Waren Terminverlängerungen um bis zu sechs Jahre möglich, notwendig und geboten? Wenn ja: Sieht die Staatsregierung diese rechtliche Situation aufgrund der Unabhängigkeit der kommunalen Selbstverwaltung verfassungsrechtlich als geboten an? Wenn nicht: Beabsichtigt die Staatsregierung, ggf. notwendige gesetzliche Änderungen vorzuschlagen, die solchen Missbrauch kommunaler Handlungsmacht erfassen? Die Rechtsaufsichtsbehörde hat anlässlich der Haushaltsprüfungen Terminverlängerungen bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse gewähren müssen, da die Jahresabschlüsse infolge der oben dargestellten technischen Probleme bei der Doppikeinführung nicht eher erstellt werden konnten. Die gewährten Terminverlängerungen bezogen sich jedoch nicht von vorneherein auf den gesamten Zeitraum von sechs Jahren, sondern nur auf ein einzelnes Haushaltsjahr. Seite 3 von 4 Freista atSACHSEN STAATSMIN1STER1UM DES INNERN Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der durch die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen vorgegebene Gestaltungsspielraum durch die Stadt Limbach- Oberfrohna rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Vor diesem Hintergrund werden aus Sicht der Staatsregierung gesetzliche Änderungen nicht als erforderlich angesehen. Die Rechtsaufsichtsbehörden sind gehalten, weiterhin mit dem gebotenen Nachdruck auf die Einhaltung der Fristen in Bezug auf die Aufstellung der Jahresabschlüsse und den Abbau von Bearbeitungsstaus hinzuwirken. Frage 4: Können Handlungen des Kämmerers an Stadtrat und Haushalt vorbei von strafrechtlicher Relevanz sein (§ 266 StGB)? Wenn ja: Droht bei derartigen Terminverlängerungen strafrechtliche Verfolgungsverjährung? Kann dies ggf. den VonNurf der Strafvereitelung gem. § 258 StGB rechtfertigen? Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Relevanz der Vorgänge sind nicht ersichtlich. Mit ndlichen Grüßen „J _/L P f. Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 FreistaatSACHSEN 2019-06-06T12:37:20+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes