STAATSMINISTERIUM DES 1NNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau—Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Bartl und Rico Gebhardt (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17805 Thema: Urteil des LSG Erfurt: Konsequenzen der Staatsregierung bei der Berücksichtigung von Bekleidungs- und Verpflegungsgeld der Angehörigen der Deutschen Volkspartei der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt nach dem AAUG Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Ausweislich Pressemitteilung des LSG Erfurt Nr. 4/19 vom 16.05.2019 hat nunmehr auch das Thüringer Landessozialgericht — ebenso wie zuvor die Landessozialgerichte der anderen ostdeutschen Länder, einschließlich des Sächsischen Landesozialgerichtes — entschieden, dass Verpflegungsgeld für Angehörige der Deutschen Volkspolizei als Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Absatz 1 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) zu qualifizieren ist. Das Gericht eine Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus der Tatsache, dass mit dem o. 9. Urteil des Thüringer Landessozialgerichtes nunmehr in allen ostdeutschen Bundesländern entweder durch ministerielle Entscheidung (Land Brandenburg) oder durch Urteile der Landessozialgerichte festgestellt worden ist, dass das Bekleidungs- und Verpflegungsgeld der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt im Bereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes zu berücksichtigen ist, für die eigene künftige Entscheidungs- und Leistungspraxis gegenüber den Betroffenen sowie zur Korrektur der bisher ergangenen Feststellungsbescheide der Betroffenen? FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 3-1053/79/92 Dresden, 25. Juni 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7. B. 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES iNNERN Frage 2: Mit welcher Verfahrensweise, mit welchen konkreten Maßnahmen und mit weichen getroffenen Vorkehrungen wird die Staatsregierung sicherstellen, dass der Freistaat Sachsen — als das nunmehr letzte ostdeutsche Bundesland — den betroffenen Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR die bisher vorenthaltenen, nach wiederholten höhergerichtlichen Entscheidungen der Landessozialgerichte in Sachsen und den ostdeutschen Ländern als weitere Entgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anerkannt und bei der Rentenberechnung angerechnet werden? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Die Staatsregierung vertritt auch nach der aktuellen Entscheidung des Landessozialge— richtes (LSG) Thüringen vom 15. Mai 2019 weiterhin die Rechtsauffassung, dass das Verpflegungs— und Bekleidungsgeld als Surrogat für die kostenlose Vollverpflegung bzw. als Surrogat für die frei zur Verfügung gestellte Dienstkleidung jeweils kein be— rücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt darstellt und mithin auch nicht als erzieltes Arbeitsentgeit an die zuständige Rentenversicherung zu überführen ist. Insofern erfolgen seitens der Staatsregierung keine aktuellen Konsequenzen oder geänderten Verhal— tensweisen in Bezug auf die Anerkennung von weiteren Zahlungen als Arbeitsentgeltbestandteile nach dern AAÜG. lm Ubrigen wird darauf hingewiesen, dass das LSG Thüringen das Bekleidungsgeld ausdrücklich nicht als berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt festgestellt hat. Die fonbestehende Rechtsauffassung und Verfahrensweise der Staatsregierung begründet sich dabei insbesondere auf der aus hiesiger Sicht nach wie vor nicht einheitlichen und insbesondere nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsanwendung. Eine den Entscheidungen der Landessozialgerichte zugrunde liegende Beschränkung auf den Befehl des Ministers des Inneren Nr. 24/60 vom 22. April 1960 (Durchführungsbefehl ) sowie den Beschluss des Ministerrats der DDR über die Einführung des Wohnungs- und Verpflegungsgeldes für die Angehörigen der bewaffneten Organe des Mdl vom 21. April 1960 (Einführungsbeschluss) ohne die konkrete Feststellung, für welche Zeiträume diese Regelungen überhaupt konkret anwendbar waren, widerspricht zudem den vom Bundessozialgericht gestellten Anforderungen. Aktuell ist zudem auf die Entscheidungen des Sozialgerichts Leipzig vom 29. Mai 2019 zu verweisen. Das Sozialgericht Leipzig hat in beiden Verfahren keinen Arbeitsentgeltcharakter des Verpflegungs- und Bekleidungsgeldes festgestellt. Im Übrigen wird auf die zahlreichen |andessozialgerichtlichen Urteile für den Bereich des Sonderversorgungssystems der ZollvenNaItung verwiesen, wonach ausgezahltes Verpflegungs— und Bekleidungsgeld kein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt darstellt (zuletzt Urteile des LSG Berlin—Brandenburg vom 12. Juli 2016, vom 21. September 2017 und vom 13. Januar 2016, Urteil des SächsLSG vom 5. Januar 2016 und Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 19. November 2015). Nicht zuletzt unter Gesichtspunkten einer notwendigen und grundrechtsgemäßen Gleichbehandlung gleicher oder jedenfalls vergleichbarer Sachverhalte können aus hiesiger Sicht im Bereich der Volkspolizei keine anderen Maßstäbe in Bezug auf das Seite 2 von 3 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN Verpflegungs- und Bekieidungsgeld gelten. Zollangehörige wie auch Angehörige der Volkspolizei hatten, sofern sie nicht in Gemeinschaftsunterkünften oder Wohnheimen wohnten, Anspruch auf Verpflegungsgeid. Das Verpflegungsgeld als Surrogat der Voll— verpflegung stand den Angehörigen der Zollverwaltung auch nicht als Entgelt zur freien Verfügung, sondern war zwingend und uneingeschränkt für die Durchführung der Voll— verpflegung (sogenannte Verpflegungsverpfiichtung) einzusetzen. Die Regelungen der Zollverwaltung entsprechen nahezu wortgleich den Regelungen der Volkspolizei. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, dass eine Personengruppe im Vergleich zu einer anderen Personengruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen , dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Eine Andersbehand— lung führt hierbei zudem auch zu unterschiedlicher Behandlung gleicher Sachverhalte (Zahlung von Verpflegungsgeld als Surrogat für die Nichtteilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung ) ohne sachlichen Grund. Es wird an dieser Stelle abschließend auch klargestellt, dass neben dem Freistaat Sachsen auch der Freistaat Thüringen das Verpflegungs- und Bekleidungsgeld sowie weitere Zahlungen nicht als Arbeitsentgelt berücksichtigt. Frage 3: Wie lange müssen die Betroffenen nach dem derzeitigen Entscheidungsstand der Staatsregierung noch warten, bis die Staatsregierung eine abschließende Festlegung über das weitere Vorgehen zur Berücksichtigung des Bekleidungs- und Verpflegungsgeldes der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt im Bereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes trifft? Frage 4: Mit welcher Rechtfertigung, gestützt auf welche konkrete Rechtsgrundlage und mit welchen zulässigen rechtlichen Erwägungen enthält die Staatsregierung den Betroffenen, die diesen nach bereits mehreren vorliegenden rechtskräftigen Urteilen der Landessozialgerichte in Sachsen und den anderen ostdeutschen Bundesländern zustehenden Ansprüche zur Anrechnung von Bekleidungs- und Verpflegungsgeld der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt im Bereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes weiterhin unverändert vor? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: So lange noch keine abschließende gerichtliche Klärung erfolgt ist, besteht aus jetziger Sicht keine Veranlassung, die bisher vertretene Rechtsauffassung zu ändern. ' fr ndlicherj Grüßen& Pro Dr. Roland Wöller Seite 3 von 3 FreistaatSACHSEN 2019-06-25T08:40:29+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes