STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bemhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 23b-0141.51/7616 Dresden,<7 Juni 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Uwe Wurlitzer, AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/1781 Thema: Regelung offener Vermögenfragen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Wurden Unternehmen, land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder Privatpersonen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in der Zeit zwisehen 1945 und 1949 entschädigungslos enteignet, konnten die Betroffenen bzw deren Rechtsnachfolger nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) einen Antrag auf RückÜbertragung der enteigneten Vermögenswerte stellen. Der Anspruch auf Rückübertragung ist jedoch gemäß § 1 Abs. 8a) 1. HS Vermogensgesetz ausgeschlossen, soweit die Enteignung der Vermögenswerte auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte . Nach der Auffassung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth (München), die er in seinem Aufsatz mit dem Titel .Notwendige KlarStellungen zu den SMAD-Befehlen Nr. 124 und 64' in der Zeitschrift für offerle _ . __ __ Vermögensfragen (ZOV 3/2011, S. 102 -105, https://wirozweb.files.wordDress.com/20ll/11/2011 06 30a0 brx 5a6 brii wasm klarstellungen zu den befehlen nr 124 und 64. pdf ?starl.d: 15-05-2015]) darlegt, bestehen in der Rechtsprechung der Rehabilitierungsgerichte weiterhin Fehlvorstellungen 'über Inhalt und Funktion der SMAD-Befehle Nr. 124 [vom 30. Oktober 1945] und 64 [vom 17. April 1948] in Bezug auf die als ,Kriegs- und Naziverbrecher' verfolgten Personen. So dass Gerichte weiterhin die SMAD-Befehle Nr. 124 und Nr. 64 als maßgebliche Rechtsgrundlage heranziehen, um (?a.n1.!t.Tine entschädig""9slose Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 8a) 1. HS Vermögensgesetz zu behaupten.'" Hausanschrift; Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564.0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3. 6, 7. 8. 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilhelmBuck -Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTEKIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Sind das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen in Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie die sächsischen Verwaltungsgerichte bei ihren Entscheidungen über AnSprüche nach dem Vermögensgesetz bisher davon ausgegangen, dass mit dem SMAD-Befehl Nr. 124 Vermögenswerte sequestriert wurden, diese Vermögenswerte in Sachsen durch den Sächsischen Volksentscheid vom 30. Juni 1946 enteignet und diese Enteignungen durch den SMAD-Befehl Nr. 64 bestätigt wurden? Von einer Beantwortung wird, soweit die sächsischen Verwaltungsgerichte betroffen sind, abgesehen. Nach allgemeinen Grundsätzen bezieht sich der InformationsanSpruch des Landtages und der einzelnen Abgeordneten von vornherein nicht auf Angelegenheiten , die nicht in die Zuständigkeit der Staatsregierung fallen. Denn insoweit fehlt es an einer Verantwortlichkeit der Staatsregierung gegenüber dem Landtag. Die rechtsprechende Gewalt obliegt nicht der Staatsregierung und den ihr nachgeordneten Behörden, sondern unabhängigen Richtern (Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 77 SächsVerf). Die rechtsprechende Tätigkeit der Gerichte ist daher nicht Gegenstand der AntwortPflicht nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf. Die genannten Behörden (im Folgenden: die Vermögensämter) gehen davon aus, dass in Sachsen gemäß Befehl der sowjetischen Militäradministration (SMAD) Nr. 124 vom 30. Oktober 1945, betreffend "die Auferlegung der Sequestration und Übernahme in zeitweilige Verwaltung einiger Vermögenskategorien" Vermögenswerte in besonderen Verzeichnissen als unter Sequester befindlich erklärt wurden. Weiterhin gehen die Vermögensämter davon aus, dass in Sachsen Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen auf der Grundlage des "Gesetzes über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes" als enteignet erklärt und in das Eigentum des Bundeslandes Sachsen überführt worden sind. Schließlich gehen die Vermögensämter davon aus, dass die Enteignungen in Sachsen, und zwar sowohl der Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen als" auch der sonstigen Vermögenswerte, gemäß Befehl der SMAD Nr. 64 vom 12. April 1948 "über die Beendigung der Sequesterverfahren in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ)" auf der Grundlage der Beschlüsse der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) Nummern S 9/48 vom 17. April 1948 und S 222/28 vom 21. September 1948 bestätigt wurden . Die vorbeschriebenen Rechtsansichten hat auch Herr Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth in einem Aufsatz mit dem Titel "Missbrauch der KRD Nr. 38 zur Durchführung der demokratischen Wirtschaftsreform in Ost - Berlin", abgedruckt in der Zeitschrift für offene Vermögensfragen (ZoV), Heft 6, Seite 290 ff., ausdrücklich als zutreffend bestätigt . Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 2: Welche besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Dokumente wurden und werden von dem Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen , den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen In Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie den sächsischen Verwaltungsgerichten als Rechtsgrundlage zum Nachweis von Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die eine Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte"ausschließt , verwendet? (Bitte geben Sie die Bezeichnung sowie die Nummer der Dokumente, das Ausstellungsdatum, die Ausstellungsbehörde und die Namen der Unterzeichner an.) Soweit die sächsischen Verwaltungsgerichte betroffen sind, wird aus den in der Antwort auf die Frage 1 genannten Gründen von der Antwort abgesehen. Die Vermögensämter sehen als Nachweis einer besatzungshoheitlichen Enteignung gemäß § 1 Abs. 8 Buchstabe a des Vermögensgesetzes (VermG), der die Anwendbar keit des Gesetzes und damit eine Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte ausschließt , bei Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen die Eintragung der Enteignung und die Uberführung in das Eigentum des Volkes im Handelsregister (soweit vorhanden ) und bei Grundstücken die Eintragung der Enteignung und die Überführung in Volkseigentum im Grundbuch (gegebenenfalls unter Bezugnahme auf den "Volksentscheid "_vom 30. Juni 1946, den Befehl der SMAD Nr. 64 oder die genannten Beschlüsse der Deutschen Wirtschaftskommission) an. Außerdem kommen als Nachweise einer Enteignung die "Übertragungs- (d. h. Enteignungs -)urkunden" der Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern, Amt zum Schütze des Volkseigentums, in Betracht, aus denen sich der Name der enteigneten Person und der enteignete Vermögenswert ergeben. Ferner sind als Nachweis der Enteignung die als endgültig anzusehenden, im Staatsarchiv Dresden als Kopie vorliegenden Enteignungslisten A des Landes Sachsen zum Befehl der SMAD Nr. 64 ("Betriebe/sonstige Vermögenswerte") geeignet. Diese nach Städten bzw. Kreisen zusammengefassten Listen enthalten ebenfalls den Namen des Enteigneten und die Bezeichnung des enteigneten Vermögenswertes. Schließlich ergibt sich im Einzelfall auch aus sonstigen Dokumenten, wie zum Beispiel dem Schriftverkehr zwischen dem bisherigen Eigentümer und den Enteignungsbehörden , oder der Erhebung eines Widerspruchs des Enteigneten gegen die Enteignung, oder aus beigezogenen Altunterlagen aus dem Hauptstaatsarchiv Dresden, den Staatsarchiven Chemnitz und Leipzig oder sonstigen einschlägigen Archiven der Nachweis einer besatzungshoheitlichen Enteignung. Frage 3: Gab es bisher Hinweise an das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, an die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen in Chemnitz, Dresden und Leipzig, an die sächsischen Verwaltungsgerichte oder an andere Stellen, dass die SMAD-Befehle Nr. 124 und 64 nicht zum'Nachweis einer Enteignung von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage geeignet sind, da der SMAD-Befehl Nr. 124 nur die vorlaufige Sicherung bestimmter Vermögenswerte, die auf keinen konkreten SchuldSeite 3 von 5 STAATSMINISTER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN vorwurf gestützt waren, regelte, aber keinen endgültigen Eigentumszugriff anordnete und die in Ziffer 1 des SMAD-Befehts Nr. 64 geregelte Bestätigung der Listen der Kriegs- und Naziverbrecher sich nicht auf die von den örtlichen Selbstverwaltungsorganen nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 124 vorgenommene Sequestrierung und die dadurch geschaffene Rechtslage bezieht, sondem ausschließlich auf die strafrechtliche Verfolgung der Betroffenen im Rahmen des sächsischen Volksentscheides Bezug nimmt und soweit die Sanktion der Vermögenseinziehung damit verbunden war, lediglich diese bestätigt wurden ? Hinweise an die sächsischen Verwaltungsgerichte wurden - bereits wegen der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richter (Art. 3 Abs. 2 Satz 3, Art. 77 Abs. 2 SächsVerf) - seitens des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz nicht erteilt . zu der Fra?el ?b ~ und in welchem umfan9 - den Vermögensämtern die anfragegegenständliche Rechtsansicht durch Hinweise bekannt geworden ist, liegen der Staatsregierung _keine Informationen vor. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der dort getroffenen Entscheidungen zu § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG kommfes hierauf jedoch nicht an: Für die Bejahung des Ausschlusstatbestandes des § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG reicht das Vorliegen einer besatzungshoheitlichen bzw. besatzungsrechtlichen Enteignung - das heißt die Feststellung, dass der Vermögenswert in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 7. Oktober 1949 enteignet worden ist - aus. Eine solche Enteignung liegt nach der Rechtsprechung der sächsischen Verwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn der frühere Eigentümer durch staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist und die Verdrängung in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck kam. Dieser faktische Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes umfasst alle mit Willen der Besatzungsmacht erfolgten Enteignungen, und zwar auch solche, bei denen deutsche Stellen die einschlägigen Grundlagen des Besatzungsrechts exzessiv ausgelegt oder willkürlich angewendet haben Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Besatzungsmacht generell oder im Einzelfall die Enteignung missbilligt oder ein entsprechendes Verbot verhängt hatte - so bereits Verwaltungsgericht (VG) Dresden, Urteile vom 17. November 1998 - 4 K 2288/95 -, vom 9. Dezember 1998 - 5 K 70/95 -. und vom 18. Juli 2001 - 4 K 3055/98 -, sowie Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 6. April 1995 - 7 C 5/94 -, vom 25. Mai 2005 - 8 C 7/04 - und vom 7. März 20012 - 8 C 1/11 -, und Beschluss vom 28. Juni 2013 - 3 B 85/12 - sämtlich in juris. Die Anwendung des § 1 Abs_ 8 Buchstabe a VermG erfordert demnach keine Prüfung des besatzungsrechtlichen Sachverhalts. Der Ausschluss der Rückübertragung ist demzufoige auch zu bejahen, wenn der Zugriff auf den gegenständlichen Vermögenswert durch das Besatzungsrecht nicht gedeckt war, also beispielsweise auch dann, wenn die enteignete Person tatsächlich nicht zum Kreis der Nazi- oder Kriegsverbreeher gehörte - so auch VG Dresden, Urteile vom 9. Dezember 1998 - 5 K 70/95 - und vom 18. Juli 2001 - 4 K 3055/98 - beide in juris). Seite 4 von 5 STAATSM1NISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 4: Wie wurde mit solchen Hinweisen gemäß Frage 3 umgegangen und wie waren die Reaktionen der Entscheidungsträger darauf? Frage 5: Wie viele bereits (rechtskräftig) abgeschlossene und derzeit noch zur Entscheidüng ausstehende Verwaltungsverfahren über vermögensrechtliche Ansprüche an Vermögenswerten gemäß dem Vermögensgesetz, die in den Zuständigkeitsbereich des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen oder der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen in Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie der sächsischen Verwaltungsgerichte fallen, wären von einer Änderung des Rechtsverständnisses über Inhalt und Funktion der SMAD-Befehle Nr. 124 und 64 gemäß Frage 3 betroffen? Zusaryli/ienfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5: Entf^t aufgrund der Ausführungen zu Frage 3. Mit ftfeunülichen Grüßen M