STAATSM1N1STER1UM FUR SOZ1ALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FOR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Wilke (AfD) Drs.-Nr.: 6/17900 Thema: Rechtsextreme Unterwanderung von sächsischen Vereinen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die LVZ berichtet am 04. Juni 2019, dass nach Einschätzung von lntegrationsministerin Petra Köpping „Rechtsextreme" zunehmend über Vereine und „anderes bürgerliches Engagement" versuchten, Wirkung zu entfalten. Sie versteckten sich „in vorhandenen Strukturen", solche Aktivitäten nähmen auch in Sachsen zu. Als Beispiele nennt sie Hoffeste, Dorffeste oder die Renovierung von Drel-Seiten-Höfen. Außerdem seien „die neuen Mitbewohner enders", auch Schulkinder sähen „enders" aus und verhielten sich „auffällig". Sie empfahl zugleich das Demokratie- Zentrum Sachsen als Ansprechpartner, das sich mit sieben Mitarbeitern gegen extremistische und menschenfeindliche Umtriebe engagiere und für Fragen und Beratung bereit stünde." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele wegen Rechtsextremismus rechtskräftig verurtellte Straftäter haben sich seit 2013 in Vereinen engagiert bzw. solche gegründet (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Verein.)? Frage 2: Wie viele wegen Rechtsextremismus rechtskräftig verurtellte Straftäter haben seit 2013 Hof- und Dorffeste organisiert oder lmmobillen im ländlichen Raum erworben (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Straftet.)? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Der Sächsischen Staatsregierung liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor. Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin für Gleichstellung und Integration Durchwahl Telefon +49 351 564-54905 Telefax +49 351 564-54909 lhr Zelchen lhre Nachricht vom Aktenzelchen (bitte bei Antwort angeben) DZ-0141.51-19/402 Dresden, .Juni 2019 Hausanschrlft: Sächs !aches StaatsmInleterlum für Sozlales und Verbraucherschutz Albertstraße 10 01097 Dresden Bel ucherad resse: Bautzner Straße 19a 01099 Dresden www.sms.sachsen.de STAATSM1N1STER1UM FÜR SOZ1ALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Voranzustellen ist, dass kein Straftatbestand „Rechtsextremismus" existiert und es dementsprechend keine wegen Rechtsextremismus rechtskräftig verurteilten Straftäter in Sachsen gibt. Die Fragen werden daher in dem Sinne ausgelegt, dass die Abgeordnete lnformationen über Straftäter begehrt, die wegen rechtsextremistischen Straftaten wie z.B. Volksverhetzung oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen rechtskräftig verurteilt wurden. Freistaat SACHSEN Die in den vorgenannten Fragen begehrten lnformationen (Engagement bzw. Gründung von Vereinen, Organisation von Hof- und Dorffesten, Kauf von lmmobilien im ländlichen Raum durch wegen rechtsextremistischen Straftaten verurteilte Straftäter) werden weder statistisch noch regelmäßig in den Akten der betreffenden Strafverfahren erfasst. Daher ist auch eine händische Auswertung der betreffenden Verfahrensakten nicht zweckdienlich . Allenfalls punktuell könnten einzelne Strafverfahrensakten zufällig erlangte lnformationen über einzelne der abgefragten Punkte enthalten. Ein aussagekräftiges Bild lässt sich hierdurch jedoch nicht entnehmen. lm Übrigen wäre eine händische Auswertung der betreffenden Verfahren jedenfalls unverhältnismäßig. Allein für den Zeitraum von 2013 bis 2018 wäre die händische Auswertung von 1.010 Verfahren von wegen rechtsextremistischer Straftaten verurteilter Straftäter notwendig. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften und Gerichte erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entsprechende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 1.010 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 63 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur Beantwortung der Fragen erforderliche Aufwand jedenfalls nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Eine Beantwortung würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten in sächsischen Staatsanwaltschaften und Gerichte, die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits kommt das Sächsische Staatsministerium der Justiz daher jedenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Fragen unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu leisten ist. Frage 3: Wie definiert die Staatsregierung „anderes Aussehen" sowie „auffälliges Verhalten " bel Schulkindern und Erwachsenen, und welche Kriterien werden diesen Definitionen zugrunde gelegt, die nicht der Kategorie der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zuzuschlagen sind? Sae 2 von 5 STAATSM1N1STER1UM FÜR SOZ1ALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Voranzustellen ist, dass die Staatsregierung keine Definition für „anderes Aussehen" sowie „auffälliges Verhalten" bei Schulkindern und Erwachsenen führt. Bei der Einschätzung, ob es sich bei den betreffenden Schulkindern und Erwachsenen um Personen handelt, die einer rechtsextremistischen Gruppierung oder Bewegung verbunden fühlen, sind neben der direkten Eingebundenheit in und der Agitation für die Szene auch individuelle Faktoren einer politisch motivierten Radikalisierung zu berücksichtigen . Dabei ist eine Radikalisierung im politisch motivierten Sinne vor allem ein Zusammenwirken mehrerer Merkmale. Dazu gehören auch äußerlich bemerkbare Hinweise sowie Wesens- und Verhaltensveränderungen: So fallen radikalisierte Betroffene oft dadurch auf, dass sie versuchen, ihr persönliches Umfeld in der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit zu beeinflussen. Sie werben dabei offensiv für ihre Überzeugungen, lessen dabei keine andere Meinung oder politischen Ansichten gelten und zeigen keinerlei Bereitschaft, sich auf eine andere Position einzulassen. Verbunden werden die eigenen Überzeugungen dabei zum Teil mit ideologischen Versatzstücken der Reichsbürger-Bewegung sowie antisemitischen oder anderen rassistischen Verschwörungstheorien oder aber der Behauptung, die Deutschen bzw. die Arier seien das in jeder Hinsicht überlegene Volk. Andere Radikalisierte dagegen ziehen sich bewusst zurück, bauen ein neues (abgelegenes ) soziales Umfeld mit politisch motivierten Gleichgesinnten auf, meiden in der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit möglichst jeglichen Kontakt mit Andersdenkenden und grenzen sich damit von diesen bewusst ab. Zu guter Letzt kann auch die (plötzliche) Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes, beispielsweise der Wechsel des Kleidungsstils zu scheinbar traditioneller Bekleidung ein lndiz für eine politisch motivierte Radikalisierung im extremistischen Sinne sein. Freistaat SACHSEN Frage 4: Wie viele und welche Beratungs-Aktivitäten haben die sieben Mitarbeiter seit 2013 geleistet (bitte aufschlüsseln nach Jahr und Aktivität)? Grundsätzlich muss vorangestellt werden, dass die Landeskoordinierungsstelle des Demokratie-Zentrums Sachsen (DZ SN) erst seit März 2016 existiert und darüber hinaus die aktuell fünf — zukünftig sieben — Landeskoordinator/innen zentral u.a. Erst- sowie Verweisberatungen für Ratsuchende und Betroffene durchführen. Die konkrete Fallberatung wird von den sechs sachsenweit agierenden Trägern der Mobilen Beratung (Kulturbüro Sachsen e. V. und Institut für Beratung, Begleitung und Bildung e. V.), der Mobilen Beratung im Kontext Schule (Courage-Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e. V.), der Opferberatung (RAA Sachsen e. V.) sowie der Distanzierungs- (Violence Prevention Network e. V.) und Ausstiegsberatung (Aussteigerprogramm Sachsen) des DZ SN durchgeführt. Seit 2015 wurden durch diese sechs Träger insgesamt über 1.300 Beratungen, verschiedene extremistische Phänomenbereiche betreffend, durchgeführt. Seite 3 von 5 STAATSM1N1STER1UM FÜR SOZ1ALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Freistaat SACHSEN lnsofern werden die Erstberatungen der Landeskoordinatorinnen und Landeskoordinatoren des DZ SN nicht statistisch erfasst, sodass diesbezüglich keine Auskunft gegeben werden kann. Frage 5: Auf der 4. Jahreskonferenz des Demokratie-Zentrums Sachsen am 4. Juni 2019 haben Ministerpräsident Michael Kretschmer und lntegrationsministerin Petra Köpping die „Charts der Vie !fait" unterzelchnet, mit der sich der Freistaat Sachsen als Arbeitgeber zur Förderung eines vorurteilsfreien Miteinanders und Diversität bekenne. Was versteht die Staatsregierung hier unter „Förderung", welche konkreten Maßnahmen sind damit verbunden? Mit der Unterzeichnung und dem Beitritt zur „Charta der Vielfalr hat sich die Staatsregierung verpflichtet, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, welches frei von Vorurteilen und Diskriminierungen ist und in dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter — unabhängig von Alter, Behinderung, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht, Religion und Weltanschauung sowie sexueller ldentität — Akzeptanz und Wertschätzung erfahren. Um diese Zielstellung zu erreichen, hat die Staatsregierung bereits vor der offiziellen Unterzeichnung der „Charta der Vielfalr mehrere Maßnahmen ergriffen. Gleichzeitig ist sich die Staatsregierung bewusst, dass gelebte Vielfalt und deren Wertschätzung eine dauerhafte Aufgabe ist. Alle Ressorts sind daher kontinuierlich aufgefordert, sich aktiv einzubringen und in ihrem jeweiligen Bereich die bestehenden Handlungsfelder zu eruieren sowie Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, das Ziel des diskriminierungsfreien Arbeitsumfeldes und einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zu erreichen . Folgende Maßnahmen hat die Staatsregierung zur Umsetzung der Ziele der „Charta der Vielfalr bereits angestoßen: Die Staatsregierung hat im Januar 2017 die „Strategie zum Schutz vor Diskriminierung und zur Förderung von Vielfalt im Freistaat Sachsen" beschlossen. Damit hat sie Antidiskriminierungspolitik als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe implementiert. Gleichzeitig bildete die Strategie die Grundlage für die Einrichtung der „Geschäftsstelle Antidiskriminierung des Freistaates Sachsen", die die Antidiskriminierungspolitik im Freistaat koordiniert und konkrete Einzelmaßnahmen umsetzt. Mit der Konstituierung des „Lenkungsausschusses zur Bekämpfung von Diskriminierung in Sachsen" im März 2019 wurde zudem ein Gremium geschaffen, in dem vielfältige Akteure zusammenkommen , die für die sächsische Antidiskriminierungsarbeit relevant sind. Das Gremium arbeitet merkmalsübergreifend zu Fragen der Diskriminierung anhand der vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Merkmale Alter, Behinderung , Geschlecht, rassistische Zuschreibung, Religion/Weltanschauung und sexuelle Orientierung resp. ldentität. Vertreten sind alle Ressorts der Staatsregierung, die Beauftragten auf Landesebene, zivilgesellschaftliche Organisationen und Abgeordnete des Sächsischen Landtages. In den Ressorts der Staatsregierung wurden entsprechend § 13 AGG Beschwerdestellen eingerichtet und Maßnahmen ergriffen, die Beschäftigten über das AGG und die Beschwerdestellen zu informieren; jährlich gibt es Treffen der Beschwerdestellen unter Seite 4 von 5 STAATSM1N1STER1UM FÜR SOZ1ALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ F staatOISEN Federführung der Geschäftsstelle Antidiskriminierung. Diese Maßnahmen gilt es fortlaufend weiter umzusetzen und wenn nötig weiterzuentwickeln. Dies gilt auch für Maßnahmen , die Beschäftigte und Führungskräfte zu den Themen Vielfalt, Diskriminierung, Gleichbehandlung und Wertschätzung informieren, wie sie beispielsweise im „Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen" enthalten sind. Im Rahmen des derzeit laufenden „Landesmodellprojekts zu Strukturen der Antidiskriminierungsberatung " werden die Anlaufstellen für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, ausgebaut. Die Staatsregierung stärkt damit zugleich die Strukturen der qualifizierten Antidiskriminierungsberatung. Im Rahmen der Umsetzung der „Charta der Vielfalt" kann die Staatsregierung auf die dort vorhandene Expertise, u.a. zu den Themen Diskriminierung, Vielfalt, AGG, Beschwerdeverfahren, zurückgreifen. Dies ist im Rahmen des Lenkungsausschusses sowie der Begleitung der Beschwerdestellen nach § 13 AGG in den Ressorts der Staatsregierung bereits bewährte Praxis, deren Beibehaltung für die Staatsregierung von hohem Interesse ist. Gleiches gilt für die Struktur der Koordinierungsstelle zur Förderung der Chancengleichheit an sächsischen Universitäten und Hochschulen. Überdies fungieren die Beratungsstellen, die qualifizierte Antidiskriminierungsberatung nach dem horizontalen Ansatz anbieten, auch als Entlastung der Strukturen der Staatsregierung, da sie Beratungsbedarfe von Beschäftigten in Fällen entgegenkommen, in denen die spezifische Zuständigkeit der Ressortbeschwerdestellen nicht betroffen ist und die entsprechende Fälle an diese Beratungsstellen verweisen können. Mit dem Kabinettsbeschluss vom 16. April 2019 „Wertschätzung im Offentlichen Dienst des Freistaates Sachsen" hat die Staatsregierung zudem ein starkes Bekenntnis für gelebte Vielfalt und Wertschätzung in der sächsischen Staatsverwaltung gesetzt. Wesentliche Grundlage dafür bildet der im letzten Jahr erfolgte Beitritt des Freistaates Sachsen zur von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes initiierten „Koalition gegen Diskriminierung". Der Beitritt zu „Charta der Vielfalr war ferner im fortgeschriebenen Zuwanderungs- und Integrationskonzept (ZIK 11) vom April 2018 eine zentrale Umsetzungsmaßnahme der Staatsregierung. Im Handlungsfeld 3.11 „Interkulturelle Offnung" ist unter anderem die Etablierung einer strategischen Organisationsentwicklung im Sinne eines Diversitätsmanagements geeint. Mit freundlichen Grüßen Seite 5 von 5 2019-07-03T12:13:54+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes