STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17909 Thema: Umfang verfassungswidriger Ausschlüsse von betreuten Menschen bei den Europawahlen am 26. Mai 2019 in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Das Bundesverfassungsgericht hatte durch Urteil im Wege der einstweiligen Anordnung vom 15. April 2019 durch Urteil (Az.: 2 BvQ 22/19) entschieden: ‚Bei Anträgen auf Eintragung in das Wählerverzeichnis (§§ 17, 17a Europawahlordnung ) sowie bei Einsprüchen und Beschwerden gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Wählerverzeichnisse (§ 21 Europawahlordnung ) für die neunte Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments am 26. Mai 2019 sind § 6a Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Europawahlgesetzes und § 6a Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Europawahlgesetzes nicht anzuwenden .“‘ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Personen waren zum Stichtag 15. April 2019 im Freistaat Sachsen auf der Grundlage der § 6a Absatz 1 Nummer 2 und 3 EuWG und auf der Grundlage des § 6a Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 2 und 3 EuWG vom Wahlrecht ausgeschlossen? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 6a Absatz 1 Nummer 2 EuWG, § 6a Absatz 1 Nummer 3 EuWG, § 6a Absatz 2 Num— mer 1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 2 EuWG und § 6a Absatz 2 Nummer 1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 3 EuWG darstellen.) FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/133 Dresden, 5. Juli 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564—0 Telefax +49 351 564—3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, B, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. , w FreistaatÄ r SACHSENSTAATSMINISTERIUMDES INNERN Für die Erstellung des Wählerverzeichnisses werden die Daten des Melderegisters genutzt . Die Tatsache, dass eine Person von der Wahlberechtigung ausgeschlossen ist, wird gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a des Bundesmeldegesetzes (BMG) im Melderegister gespeichert. Die Meldebehörden erhalten diese Mitteilungen von den Justizbehörden nach Nummer 12 Absatz 2 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) und nach XV/4 der Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi). im Melderegister selbst wird jedoch nur erfasst, dass ein Wahlrechtsausschluss vorliegt, wann dieser endet und welches Gericht die Entscheidung zum Wahlrechtsausschluss getroffen hat (inkl. Aktenzeichen). Der Ausschlussgrund (§ 6a Absatz 1 Nummer 1, 2 oder 3 EuWG) wird inhaltlich dagegen im Melderegister nicht gespeichert. Die Gemeinden müssten händisch anhand der Mitteilungen in Zivil- und Strafsachen prüfen, welcher Ausschlussgrund der Eintragung nach § 3 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a BMG zu Grunde lag. Dies war in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit für die Kommunen nicht leistbar, so dass die Anzahl der insgesamt vom Wahlrecht ausgeschlossenen Deutschen und Unionsbürger zum Stichtag 15. April 2019 erfragt wurde. Die nachfolgenden Zahlen basieren auf den Rückmeldungen der Kommunen aufgrund der Eintragungen im Melderegister gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a BMG: Anzahl der vom Wahlrecht ausge- Anzahl der vom Wahlrecht ausgeschlossenen Deutschen nach § 6a schlossenen Unionsbürger nach § 6a Absatz 1 EuWG Absatz 2 Nummer 1 EuWG 2.927 43 Im Hinblick auf den Wahlrechtsausschluss aufgrund Richterspruchs hatten die Untersuchungen im Rahmen der Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderung im Übrigen ergeben, dass diese Fälle (dort bezogen auf das Bundeswahlgesetz [BWG]) „absolute Ausnahmefälle sind und die über die Meldebehörden ermittelte Gesamtzahl der Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 13 BWG ausschließlich Fälle gemäß § 13 Nummer 2 und 3 BWG (,,dauerhaft Vollbetreute“ und „schuldunfähige Straftäter“) enthält" (Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen — Abschnitt 1.1.1 Seite 42 f.). Frage 2: „ Wie viele Anträge von Personen, die gemäß der in Frage 1 genannten Bestimmungen des Europawahlgesetzes vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis sind ab dem 15. April 2019 gestellt worden? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 6a Absatz 1 Nummer 2 EuWG, § 6a Absatz 1 Nummer 3 EuWG, § 6a Absatz 2 Nummer 1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 2 EuWG und § 6a Absatz 2 Nummer1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 3 EuWG darstellen.) Für die Beantwortung der Frage wird auf die Daten aus einer bereits vor Eingang der Kleinen Anfrage veranlassten Erhebung, die auf Anforderung des Bundeswahlleiters durchgeführt wurde, zurückgegriffen. In dieser Abfrage wurde nicht zwischen Unionsbürgern und Deutschen unterschieden: Seite 2 von 5 FreistaatSACHSENSTAATSMiNISTERiUMDES iNNERN Antrag auf Erteilung eines Wahlscheins nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 EuWO, wenn bisher ein Wahlrechtsausschlussgrund vorlag wegen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis, §§ 15 Abs. 2, 17 oder § 17a EuWO, wenn bisher ein Wahlrechtsausschlussgrund vorlag wegen Einspruch gegen das Wählerverzeichnis § 21 EuWO, wenn bisher ein Wahlrechtsausschlussgrund vorlag wegen Vollbetreu- Unterbrin- Vollbetreu- Unterbrin— Vollbetreu- Unterbrinung nach gung im ung nach gung im ung nach gung im § 6a Abs. 1 Maßregel- § 6a Abs. 1 Maßregel— § 6a Abs. 1 Maßregel- Nr. 2 vollzug Nr. 2 vollzug Nr. 2 vollzug EuWG/§ 6a nach § 63 EuWGI§ 6a nach § Ga EuWG/§ 6a nach § 6a Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. EuWG/§ Sa i. V. m. EuWG/§ 6a i. V. m. EuWGl§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 2 Nr. 1 EuWG i. V. m. EuWG i. V. m. EuWG i. V. m. Abs. 1 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 3 EuWG EuWG EuWG 29 9 4 - 17 — Eine ergänzende Abfrage bei den Gemeinden aus Anlass der Kleinen Anfrage erfolgte nicht. Die Staatsregierung ist dem Landtag insoweit nur für ihre Amtsführung verantwortlich. Sie ist daher lediglich in Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zustän— digkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Die Erstellung und Berichtigung der Wählerverzeichnisse sowie die Erteilung von Wahlscheinen obiiegen den Gemeinden als eigenverantwortlich wahrzunehmende organisatorische Aufgaben. Die Durchführung der Europawahlen ist originäre Bundesaufgabe. Die Gemeinden nehmen insoweit Aufgaben des Bundes wahr, ohne in die Verwaltungsorganisation des Bundes eingegliedert zu sein (Bildung der Wahlbezirke, Anlegen des Wählerverzeichnisses, Unterrichtung der Wahlvorstände ). Das Aufsichts- und Weisungsrecht, soweit die wahlrechtlichen Vorschriften keinen eigenen lnstanzenzug vorsehen (beispielsweise Beschwerde beim Stadt— bzw. Kreiswahlleiter gegen die Ablehnung der Eintragung ins W'a'hlerverzeichnis und gegen die Versagung eines Wahlscheins), obliegt dem Bund. Ein Weisungsrecht des Landes besteht insoweit nicht (Frommer/Engelbrecht/Bätge — Europawahlrecht, Kommentar für die Praxis, Kennzahl 11.05, Nr. 2, Schreiber, Bundeswahlgesetz, 10. Auflage, Einführung Rn. 48). Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUM DES iNNERN Frage 3: Wie vielen Anträgen von Personen, die gemäß der in Frage 1 genannten Bestimmungen des Europawahlgesetzes vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, wurde stattgeben und wie viele Personen wurden hiernach nachträglich in die Wählerverzeichnisse für die Europawahl aufgenommen? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 6a Absatz 1 Nummer 2 EuWG, § 6a Absatz 1 Nummer 3 EuWG, § 6a Absatz 2 Nummer 1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 2 EuWG und § 6a Absatz 2 Nummer 1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 3 EuWG darstellen.) Frage 4: Wie viele Anträge von Personen, die gemäß der in Frage 1 genannten Bestimmungen des Europawahlgesetzes vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis wurden aus welchen Gründen abgelehnt? Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 6a Absatz 1 Nummer 2 EuWG, § 6a Absatz 1 Nummer 3 EuWG, § 6a Absatz 2 Nummer 1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 2 EuWG und § 6a Absatz 2 Nummer1 i.V.m. Absatz 1 Nummer 3 EuWG darstellen.) Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Alle Anträge bzw. Einsprüche wurden positiv beschieden. Frage 5: Wie viele Anträge von Personen nach der Frage 2 auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis zu den Europawahlen, sind nach den diesbezüglichen Vorgaben des Staatsministeriums des Innern (Medieninformation des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 07.05.2019 ,,Teilnahme von Menschen unter Vollbetreuung an Kommunalwahlen in Sachsen möglich“) zugleich auch als Anträge für die Teilnahme der betreffenden Personen an den Kommunalwahlen „bewertet“ worden und wie viele Personen hiernach ohne eine gesonderte Antragstellung für die Kommunalwahlen in das Wählerverzeichnis für die Kommunalwahlen aufgenommen worden? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Ausschlussgrund für Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Kommunalwahlrecht nicht galt. Sofern für diese Personen die übrigen Wahlrechtsvoraussetzungen vorlegen, waren diese daher auch ohne Antrag für die Kommunalwahlen wahlberechtigt. Aus einem Vergleich der oben dargestellten Zahlen der Einsprüche und der Anträge auf Eintragung ins Wählerverzeichnis bzw. Erteilung eines Wahlscheins durch Perso— nen, die unter Vollbetreuung stehen, mit den Zahlen zur Kommunalwahl (vgl. Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/17923) ergibt sich, dass sieben Anträge ausschließlich für die Europawahl gelistet sind. Die Gründe hierfür lassen sich im Nachgang nicht aufklären. In Betracht kommt, dass im Hinblick auf die Teilnahme an den Kommunalwahlen eine der übrigen allgemeinen Wahlrechtsvoraussetzungen nicht vorlag. Voraussetzung für die Teilnahme an den Kommunalwahlen ist u. a., dass eine Person seit drei Monaten in der Gemeinde bzw. in dem Landkreis wohnt, § 15 Absatz 1 Satz 1 Sächsische Gemeindeordnung, § 13 Absatz 1 Satz 1 Sächsische Landkreisord— nung. Für die Teilnahme an der Europawahl genügt es hingegen, dass eine Person seit Seite 4 von 5 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN FreistaatSACHSEN mindestens drei Monaten in der Bundesrepublik Deutschland oder in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Wohnung innehat oder sich sonst gewöhn— lich aufhält, § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 EuWG. e dlichen üßen r f. Dr. Roland Wöller Seite 5 von 5 2019-07-05T12:33:02+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes