STAATSNIINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/17923 Thema: Umfang verfassungswidriger Ausschlüsse von betreuten Menschen bei den Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Das Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hatte durch Urteil im Wege der einstweiligen Anordnung vom 3. Mai 2019 (Az.: Vf. 30- ll-19 [e.A.] entschieden: ,Bei Anträgen auf Berichtigung des Wählerverzeichnisses (§ 4 Abs. 3 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 1 der Kommunalwahlordnung) oder bei Anträgen auf Erteilung des Wahlscheins (§ 5 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes in Verbindung mit § 11 der Kommunalwahlordnung) für die Wahlen nach der Sächsischen Gemeindeordnung und der Sächsischen Landkreisordnung am 26. Mai 2019 sind § 16 Abs. 2 Nr. 2 der Sächsischen Gemeindeordnung und § 14 Abs. 2 Nr. 2 der Sächsischen Landkreisordnung nicht anzuwenden .‘ In der diesbezüglichen Medieninformation Sächsisches Staatsministerium des Innern vom 07.05.2019 ‚Teilnahme von Menschen unter Vollbetreuung an Kommunalwahlen in Sachsen möglich‘ wird festgestellt: ‚Personen, für die richterlich eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, können auf Antrag auch an den Kommunalwahlen im Freistaat Sachsen am 26. Mai 2019 teilnehmen. Dies geht aus einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen vom 3. Mai 2019 hervor. [...]Anträge auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis können von den Betroffenen noch bis Freitag, 10. Mai 2019, bei der Gemeindeverwaltung gestellt werden.“‘ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/134 Dresden, 8. Juli 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm—Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 1: Wie viele Personen waren zum Stichtag 15. April 2019 im Freistaat Sachsen auf der Grundlage des § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO undloder des § 14 Absatz 2 Nummer 2 SächsLKrO vom Wahlrecht ausgeschlossen? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO und § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO darstellen.) Nach Mitteilung der sächsischen Städte und Gemeinden war zum Stichtag 15. April 2019 für insgesamt 3.002 Personen ein Wahlrechtsausschluss für Kommunalwahlen nach § 3 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a Bundesmeldegesetz (BMG) im Melderegis— ter eingetragen. Eine Differenzierung nach Kreis- und Gemeindewahien erfolgt bei der Eintragung regelmäßig nicht, da die wortgleichen gesetzlichen Regelungen des § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO bzw. des § 14 Absatz 2 Nummer 2 SächsLKrO auf denselben Tatbestand des Betreuungsrechts venNeisen‚ so dass es sich um einen identischen Wahlausschluss für alle Kommunalwahlen handelt. Zu beachten ist außerdem, dass der konkrete Ausschlussgrund (§ 16 Absatz 2 Nummer 1 oder 2 SächsGemO, § 14 Absatz 2 Nummer 1 oder 2 SächsLKrO) ebenfalls nicht im Melderegister gespeichert wird. Die Gemeinden müssten händisch anhand der Mitteilungen in Zivil— und Strafsachen prüfen, welcher Ausschlussgrund der Eintragung nach § 3 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a BMG zu Grunde lag. Dies war in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit für die Kommunen nicht leistbar, so dass die Anzahl der insgesamt vom Wahlrecht ausgeschiossenen Deutschen und Unionsbürger zum Stichtag 15. April 2019 erfragt wurde. Im Übrigen handelt es sich bei den Wahlrechtsausschlüssen aufgrund Richterspruchs um absolute Ausnahmefälle. Ausweislich der Strafverfolgungsstatistiken ist es in den Jahren von 2002 bis einschließlich 2011 bundesweit nur bei zwei Verurteilungen zu einer Aberkennung des Wahlrechts nach § 45 Abs. 5 Strafgesetzbuch (StGB) gekommen (BMAS-Forschungsbericht 470 „Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen", Abschnitt 1.1.1 Seite 42 f.), so dass man davon ausge— hen kann, dass die über die Meldebehörden ermittelte Gesamtzahl der Wahlrechtsaus— schlüsse gemäß § 16 SéchsGemOI§ 14 SächsLKrO ausschließlich Fälle der dauerhaften Vollbetreuung enthält. Frage 2: Wie viele Anträge von Personen, die gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO undloder § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis sind ab dem 15. April 2019 gestellt worden? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO und § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO darstellen.) Im Anschluss an die in der Vorbemerkung des Fragestellers zitierte Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs haben insgesamt 31 Personen nach § 4 Absatz 3 Kommunalwahlgesetz (KomWG) einen Berichtigungsantrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis gestellt. Insgesamt 17 Personen haben gemäß § 11 Nummer 1 Kommunalwahlordnung (KomWO) einen Antrag auf Erteilung eines Wahlscheins gestellt, ohne in das Wählerverzeichnis eingetragen zu sein. Diese Angaben beruhen auf den zusammengefassten Meldungen der Städte und Ge— Seite 2 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES iNNERN meinden im Freistaat Sachsen aus einer bereits vor dem Eingang der Kleinen Anfrage aufgrund einer Anforderung des Bundeswahlleiters veranlassten Abfrage des Staatsministeriums des Innern. Dabei wurde nicht getrennt nach Wahlausschlüssen aufgrund § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO bzw. § 14 Absatz 2 Nummer 2 SächsLKrO abgefragt, da beide Normen wortgleich auf denselben Tatbestand des Betreuungsrechts verweisen, so dass es sich um einen identischen Wahlausschluss handelt. Ein im Einzelfall bestehender zahlenmäßiger Unterschied zwi— schen den in der Gemeinde tatsächlich zur Gemeindewahl bzw. zur Kreistagswahl zugelassenen Betroffenen kann sich damit lediglich aus den (fehlenden) allgemeinen Voraussetzungen für das Wahlrecht im Übrigen ergeben, etwa weil aufgrund Umzugs in eine andere Gemeinde desselben Landkreises in den letzten drei Monaten vor dem Wahltag für einen Betroffenen das Wahlrecht in der Fortzugsgemeinde erlischt, ein Wahlrecht für den Gemeinderat der Zuzugsgemeinde jedoch noch nicht besteht, während das Wahlrecht für den Kreistag weiter besteht. Von einer erneuten (ergänzenden) Abfrage wurde abgesehen. Die Erstellung und Berichtigung der Wählerverzeichnisse gemäß § 4 KomWG, §§ 5 f., 9 KomWO und die Erteilung von Wahlscheinen nach § 11 KomWO obliegt den Gemeinden als laufendes Geschäft der Wahlvorbereitung. Die Gemeinden organisieren die kommunalen Wahlen als konstitutiven Akt der kommunalen Selbstorganisation im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten kommunalen SelbstvenNaltung. Selbstverwaltungsangelegenheiten fallen nur insoweit in den Verantwortungsbereich der Staatsregierung, als Fragen der Rechtsaufsicht betroffen sind. Im Zuständigkeitsbereich der Rechtsaufsicht können die Staatsregierung bzw. die hierfür zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden vom Informationsrecht nach § 113 SächGemO nur Gebrauch machen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder bereits erfolgte Rechtsverletzung vorliegen. Da sich aus den Berichten der Gemeinden keine Hinweise darauf ergaben, dass die berichtenden Gemeinden insoweit rechtsfehlerhaft entschieden haben, und auch der Kleinen Anfrage keine konkreten Hinweise auf ein rechtsfehlerhaftes Verhalten der Gemeinden zu entnehmen waren , ergab sich für die Staatsregierung kein Anlass, erneut Rechtsaufsicht auszu— üben. Vor diesem Hintergrund besteht für die Städte und Gemeinden keine Auskunftspflicht gegenüber den Aufsichtsbehörden im Rahmen des § 113 SächsGem O, da rein präventive, allgemeine oder pauschale Auskunftsverlangen der Auf— sichtsbehörde vom Institut der Rechtsaufsicht nicht gedeckt sind. Frage 3: Wie vielen Anträgen von Personen, die gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 Sächs- GemO undloder § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis wurde stattgeben und wie viele Personen wurden hiernach nachträglich in das Wählerverzeichnis für die Gemeinderats-‚ Stadtrats- und Kreistagswahlen aufgenommen? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO und § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO darstellen.) Seite 3 von 4 FreistaatSACHSEN STAATSMINISTERIUM DES INNERN FreistaatSACHSEN Frage 4: Wie viele Anträge von Personen, die gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO undloder § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis wurden aus welchen Gründen abgelehnt? (Bitte getrennt für die Wahlrechtsausschlüsse gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 2 SächsGemO und § 14 Absatz 2 Nummer2 SächsLKrO darstellen.) Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Nach Mitteilung der sächsischen Städte und Gemeinden wurden die Anträge ausnahmslos positiv beschieden. ndlichen GrüßenWA r f. Dr. Roland Wöller Seite 4 von 4 2019-07-08T11:52:00+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes