STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Be rn hard-von-Li ndena u-Plalz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Wippel (AfD) Drs.-Nr.: 6/18433 Thema: Absehen von der Vollstreckung nach $ 456a StPO Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: ln wie vielen Fällen wurde im Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2019 von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßnahme der Besserung und Sicherung nach g 456a Abs. I StPO abgesehen , weil die Betreffenden aus Sachsen abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wurden und wegen welcher Straftatbestände I FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 15000 Telefax +49 351 564 15009 Staatsminister@ smj.j ustiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 't0408t13t1612-KLR Dresden, t¿,August2019 TOB MTT 1' o waren die Betreffenden verurteilt worden (bitte nach Jahren und Straftat- www.jusriz.sachsen.de/smj beständen aufschlüsseln)? Verkehrsverblndung: Zu erreichen mit Straßenbahnl¡n¡en 3,6,7,8, 11 lm Zeitraum 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2019 wurde se¡tens der Staatsanwaltschaften des Freistaates Sachsen, welchen gemäß S 451 Abs. 1 StPO die Aufgaben der Strafvollstreckung bei enruachsenen Straftätern übertragen sind, in insgesamt 283 Fällen von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach Seite 1 von 6 @ WuIVIIJOB.MIT-T.DE Hausanschrift: Sächslsches Staatsmlnistêrium der Just¡z Hosp¡talstraße 7 0'1097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden Parken und behindertengêrechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 Hinweise zum Datenschutz erhalten Sie auf unserer lnternetseite . Auf Wunsch senden w¡r lhnen diese Hinweise auch zu. 'Ksin Zugang für slektronisch s¡gnierte sowie fúr vêrschlüssêlte elektronische Nachrichten; nåhers lnformat¡onen zur elsklron¡schen Kommunikât¡on m¡t såchs¡schen Just¡zboh0rden unter www, iust¡z.sâchsen. ds/E- Kommun¡kation. STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENt $ 456a Abs. 1 StPO abgesehen. Die den Verurteilungen zugrunde liegenden Straftatbestände sind der anliegenden Tabelle zu entnehmen, Hinsichtlich der Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen gegen Jugendliche und Heranwachsende, welche nach $ 82 JGG (i. V. m. S 110 Abs. 1 JGG) den Jugendgerichten obliegt, wird von einer Beantwortung der Frage wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes abgesehen. Die Jugendgerichte im Freistaat Sachsen führen keine statistische Erfassung im Hinblick auf Verfahren, bei denen von der Vollstreckung einer Jugendstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung i. S. d. S 7 JGG abgesehen wurde. Zur vollständigen Beantwortung der Frage wäre eine händische Auswertung sämtlicher Papierakten, in denen im Abfragezeitraum eine Vollstreckung nach Jugendstrafrecht zu erfolgen hatte, erforderlich. Dies wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Gerichte in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Gerichte erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und Archiven, der Aufiryand zur Beiziehung versendeter Akten , z. B. von Verteidigern, Gerichten, Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen . Für die entsprechende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Allein beim Amtsgericht Borna sind derzeit 813 Verfahren anhängig, welchen eine Vollstreckung nach dem Jugendstrafrecht zugrunde liegt, Der anfallende zeitliche Auñryand ftlr eine händische Auswertung allein der Akten zu insgesamt 813 Vorgängen wird auf mindestens 50 Arbeitstage für einen Mitarbeiter geschätzt. Damit ist jedoch nur der Arbeitsaufwand eines Amtsgerichtes errechnet. Die Staatsregierung kam daher bei der vozunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der Gerichte andererseits zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts in Anbetracht der großen Anzahl der auszuwerten- Seite 2 von 6 STAAT'SMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENll den Verfahren unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkungen nicht zu leisten ist. Ungeachtet dessen und um dem parlamentarischen lnformationsinteresse soweit wie möglich zu entsprechen, können folgende Angaben aus der Erinnerung ohne Anspruch auf Vollständigkeit mitgeteilt werden : Das Amtsgericht Borna berichtet, dass dort im genannten Zeitraum insgesamt neun Abschiebungen von Jugendstrafgefangenen bekannt sind (2016: 3 Verurteilte,2017: 1 Verurteilter, 2018:2 Verurteilte,2019: 3 Verurteilte). Beim Amtsgericht Leipzig hat die zuständige Jugendrichterin der Abschiebung eines inhaftierten Verurteilten zugestimmt. Frage 2: Wurde auch dann von der Vollstreckung im Sinne der Frage I abgesehen, wenn die Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung rechtlich oder tatsächlich nicht möglich war, die Betreffenden aber gleichwohl freiwillig aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen wollten; wenn ja, wie viele Fälle betraf dies im Zeitraum 01.01.2015 - 30.06.2019 in Sachsen und wegen welcher Straftatbestände waren die Betreffende verurteilt worden (bitte nach Jahren und Straftatbeständen aufsch lüssel n )? Frage 3: Für den Fall, dass bisher keine Fälle im Sinne der Frage 2 aufgetreten sind: Wie wird zukünftig mit entsprechenden Fallkonstellationen umgegangen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: Der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen hat mitgeteilt, dass im Bereich der sächsischen Staatsanwaltschaften bislang keine Fälle der Anwendung des g 456a Abs. 1 StPO in Verbindung mit einer freiwilligen Ausreise des Verurteilten erfolgt sind. Dementsprechend gab es noch kein Verfahren, in welchem abschließend geprüft wurde , ob ungeachtet des entgegenstehenden Wortlautes der Vorschrift, welcher eine freiwillige Ausreise nicht erfasst, ein Absehen der Vollstreckung von einer Freiheitsstrafe , einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßnahme der Besserung und Sicherung Seite 3 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENt nach S 456a Abs. 1 StPO (etwa bei einer freiwilligen übenruachten Rückkehr in das Heimatland) in Betracht käme. Unter anderem diese Rechtsfrage ist derzeit Gegenstand einer Bund-Länder-Abfrage, zu welcher sich das Sächsische Staatsministerium der Justiz noch nicht abschließend positioniert hat. Vor diesem Hintergrund wird von einer weiteren Beantwortung der Frage abgesehen, soweit diese sich auf eine Bewertung richtet, welche die Staatsregierung bisher nicht getroffen hat. Frage 4: Bei Veruirklichung welcher Straftatbestände kommt ein Absehen von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßnahme der Besserung und Sicherung nach $ 456a SIPO - auch im Falle der freiwilligen Ausreise - nicht in Betracht? Die Anwendung des $ 456a StPO ist deliktsunabhängig und richtet sich nach den Vorgaben in der VwV Absehensentscheidung bei Ausländern vom 21. Juli 2011. Hiernach ist grundsätzlich mindestens die Hälfte der Strafe zu vollstrecken. Nach Ziff. lll.1.a) VwV Absehensentscheidung kann von der Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe ganz oder schon vor Verbüßung der Hälfte abgesehen werden, wenn neben der Verurteilung eine in dem Verfahren erlittene Freiheitsentziehung oder die Auslieferung, Ausweisung oder Abschiebung selbst zur Einwirkung auf den Verurteilten und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheinen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Verurteilte ftir die abgeurteilte oder für eine andere Tat im Ausland eine weitere Strafe zu enruarten hat. Demgegenüber kommt gemäß Ziff . il.1.c) VwV Absehensentscheidung bei Ausländern bei Vorliegen der Voraussetzungen des $ 456a Abs. 1 SIPO eine Vollstreckung über die Hälfte der festgesetzten Strafe hinaus in Betracht, wenn aus besonderen, in der Tat oder in der Person des Verurteilten liegende Gründe oder zur Verteidigung der Rechtsordnung eine nachhaltige Vollstreckung geboten ist. Zudem ist in Ziff. lll.1.d) der Venryaltungsvorschrift festgelegt, dass bei lebenslanger Freiheitsstrafe in der Regel von der weiteren Vollstreckung nicht vor Verbüßung von 15 Jahren abzusehen ist. Seite 4 von 6 STAAT'SMINISTERìUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENt Bei einer in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebrachten Person, die für die Allgemeinheit gefährlich ist, kann ein Absehen von der Vollstreckung ausnahmsweise und nur mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft erfolgen, wenn ausreichende Vorsorge ft¡r deren Sicherung oder Behandlung im Ausland getroffen worden ist (vgl. Ziff .ll.1.f) VwV Absehensentscheidung bei Ausländern). Frage 5: Durch welche konkreten Maßnahmen wird gewährleistet, dass die Betreffenden Sachsen - auch im Falle der freiwilligen Ausreise - a) tatsächlich verlassen, b) nicht wieder in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einreisen und c) im Falle der Rückkehr ins Bundesgebiet eine Fortsetzung der Vollstreckung erfolgt? zu al Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, die sich wegen der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder wegen der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Strafhaft befinden , werden in den Fällen des Absehens von der Vollstreckung nach $ 456a StPO von der Polizei des Freistaates Sachsen unmittelbar aus einer Justizvollzugsanstalt zum Flughafen gebracht. Dort werden die Betroffenen durch die Bundespolizei in Empfang genommen und mit dem Flugzeug in den Zielstaat verbracht. Eine freiwillige Ausreise kommt im Zusammenhang mit Entscheidungen nach $ 456a Abs. 1 SIPO - wie unter Frage 3 erläutert - nicht in Betracht. zu b) Nach Vollzug der aufenthaltsbeendenden Maßnahme wird im Ausländezentralregister die Abschiebung sowie die zuvor für den Betroffenen individuell erlassene, befristete Einreisesperre eingetragen. Zudem erfolgt die Ausschreibung in den in Betracht kommenden nationalen und internationalen lnformations- und Fahndungssystemen der Sicherheitsbehörden und der deutschen Polizei (Schengener lnformationssystem SIS und INPOL). zu c) Die Vollstreckung kann nachgeholt werden, wenn der Verurteilte in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt, $ 456a Abs. 2 StPO. Diese Entscheidung kann schon bei der Seite 5 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENT Anordnung nach $ 456a Abs. 1 StPO verfügt werden. Gemäß $ 456a Abs. 2 Satz 3 StPO kann die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde hiezu einen Haft- bzw. Unterbringungsbefehl erlassen, der bei der Rückkehr des Verurteilten ohne weiteres vollstreckt werden kann, und die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die nationale Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen. Von dieser auch in Ziff .lll.2.e) VwV Absehensentscheidung bei Ausländern vorgesehene Möglichkeit wird von den Staatsanwaltschaften unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Anlage 1 tabellarische Übersicht Seite 6 von 6 Quelle: web.sta-Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften mit Stand 26.07.2019 Berichtszeitraum Strafvorschrift Anzahl Jahr 2015 32 § 152b StGB 2 § 177 StGB 1 § 224 StGB 1 § 242, 243 StGB 7 § 244 StGB 3 § 244a StGB 2 § 249 StGB 1 § 251 StGB 1 § 252 StGB 3 § 255 StGB 2 § 261 StGB 1 § 29 BtMG 2 § 29a BtMG 3 § 30a BtMG 1 § 315b i.V.m. § 315 StGB 1 § 96 AufenthG 1 Jahr 2016 48 § 152b StGB 1 § 202a StGB 1 § 21 StVG 1 § 211 StGB 2 § 212 StGB 2 § 223, 224 StGB 4 § 242, 243 StGB 7 § 244 StGB 5 § 244a StGB 3 § 250 StGB 4 § 252 StGB 2 § 265a StGB 1 § 29 BtMG 2 § 29a BtMG 3 § 30 BtMG 3 § 306 StGB 1 § 30a BtMG 2 § 92b AuslG 2 § 95 AufenthG 1 § 96 AufenthG 1 Jahr 2017 62 § 152b StGB 1 § 177 StGB 1 § 211 StGB 1 § 212 StGB 2 § 224 StGB 7 § 242, 243 StGB 10 Anzahl der Rechtsfolgeerledigungen "Absehen von der Vollstreckung nach § 456a StPO" oder "Abschiebung nach § 456a StPO" im benannten Berichtszeitraum § 244 StGB 3 § 244a StGB 3 § 249 StGB 4 § 250 StGB 2 § 252 StGB 7 § 255 StGB 3 § 259 StGB 1 § 263 StGB 1 § 29 BtMG 5 § 29a BtMG 2 § 30 BtMG 6 § 30a BtMG 1 § 95 AufenthG 1 § 96 AufenthG 1 Jahr 2018 102 § 152b StGB 2 § 177 StGB 1 § 21 StVG 1 § 212 StGB 2 § 223, 224 StGB 12 § 225 StGB 1 § 242, 243 StGB 23 § 244 StGB 7 § 244a StGB 5 § 249 StGB 3 § 250 StGB 4 § 252 StGB 11 § 255 StGB 2 § 259 StGB 1 § 263 StGB 2 § 263a StGB 1 § 29 BtMG 8 § 29a BtMG 6 § 30 BtMG 1 § 30a BtMG 3 § 374 AO 1 § 91 StGB 1 § 92a AuslG 1 § 95 AufenthG 1 § 96 AufenthG 1 § 97 AufenthG 1 1. Halbjahr 2019 39 § 113 StGB 1 § 211 StGB 1 § 212 StGB 1 § 224 StGB 4 § 240 StGB 1 § 242, 243 StGB 6 § 244 StGB 8 § 244a StGB 2 § 249 StGB 1 § 250 StGB 2 § 252 StGB 1 § 255 StGB 3 § 259 StGB 1 § 263 Abs. 1 StGB 1 § 29 BtMG 4 § 30 BtMG 1 § 306b StGB 1 Gesamtergebnis 283 KA 6-18433 Anlage 2019-08-20T15:08:17+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes