STAATSMiNiSTERiUiVI DES iNNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/18490 Thema: Nachfrage zu Drs. 6/18013: Vorwürfe von Misshandlung in Abschiebehaft Dresden Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Am 24. Juli veröffentlichte die Abschiebehaftkontaktgruppe eine Pressemitteilung zu den in der Drs. 6/18013 abgefragten Vorwürfen: https:IIwww.abschiebehaftkontaktgruppe.deldeutsch/presse/pm-vom- 24-07-2019-eskalation-in-abschiebehaft-die-inkompetenz-derlandesdirektionl .“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wann wurde das Einsperren im „besonders gesicherten Unterbringungsraum “ in der Nacht vom 04. auf den 05. Juni angeordnet und durch wen? Hat die Fragestellerin den anordnenden Hausleiter als Einrichtungsleiter als Befugten für die Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen im Sinne von § 29 Abs. 1 SächsAHaftVollzG zu verstehen ? Das Staatsministerium des Inneren gibt an, dass der lnhaftierte reißfeste Wäsche im bgU erhalten habe — wie konnte dann das Shirt zerreißen? Die Anordnung der Unterbringung im besonders gesicherten Unterbringungsraum ohne gefährdende Gegenstände (bgU) als besondere Sicherungsmaßnahme erfolgte gegen 18:30 Uhr. Die Anordnung der bgU—Unterbringung erfolgte durch die Schichtieitung. Der diensthabende Schichtieiter ist gemäß § 29 Abs. 1 Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams im Freistaat Sachsen (SächsAHaftVollzG) befugter Bediensteter, wenn Gefahr im Verzug gegeben ist. FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 2-1053/71/187 Dresden, 26. August 2019 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern WilheIm-Buck—Sir. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564—3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7. 8. 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang WilheIm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSlVllNlSTERlUlVI DES INNERN Der Untergebrachte hat versucht das T-Shirt zu zerreißen, welches zur Verhinderung von Strangulationsversuchen daraufhin entnommen wurde. Die spezielle Wäsche (Shorts und T—Shirt) für die Unterbringung im bgU hat eine höhere Reißfestigkeit, dies bedeutet aber nicht, dass es gänzlich ausgeschlossen ist, dass die Wäsche zerrissen werden kann. Frage 2: Warum wurde der herbeigerufene Arzt erst 23.45 Uhr hinzugerufen? Warum erfolgte keine ständige, ärztliche Uberwachung der Maßnahme? Der Untergebrachte hatte in den Tagen zuvor sowie am 4. Juni 2019 mehrfache Arztkontakte . Dringender Handlungsbedarf aus medizinischer Sicht war nicht gegeben. Der zusätzliche Arztkontakt anlässlich der Unterbringung im bgU gegen 23:45 Uhr erfolgte zur ärztlichen Überwachung gemäß § 30 SächsAHaftVollzG. Die Zeitnähe zum Zeitpunkt der Unterbringung im bgU resultierte aus dem aggressiv-fordernden Auftreten des Untergebrachten. Ergebnis dieser Untersuchung war eine ausreichende körperliche und seelische Stabilität. Eine ständige ärztliche Betreuung (z. B. im Krankenhaus) war aufgrund dieses Untersuchungsergebnisses nicht erforderlich. Frage 3: Welche Erkenntnisse hatte die Landesdirektion wenn zum Gesundheitszustand des Betroffenen erhalten, insbesondere hinsichtlich körperlicher beziehungsweise psychischer Abhängigkeiten und welche Schlussfolgerungen zog sie daraus, insbesondere bei der Anordnung der besonderen Sicherungsmaßnahmen und ihrer Verhältnismäßigkeit? Welche Medikamente verordnete sie und jeweils für wie lang? Die Aufnahmeuntersuchung durch das Gesundheitsamt Dresden erfolgte am 21. Mai 2019. Eine Medikamenteneinnahme wurde verneint. Ansteckende absonderungspflichtige Erkrankungen wurden durch das Gesundheitsamt ausgeschlossen. Im weiteren Verlauf der Unterbringung im bgU erhielt der Betroffene umfassende medizinische Hilfe , soweit er einen entsprechenden Bedarf angezeigt hat. Verordnete Medikamente hat der Betroffene lediglich sporadisch genommen oder deren Einnahme gänzlich verweigert . Körperliche oder ausgeprägte psychische Symptome, die auf eine beachtliche Abhängigkeit des Untergebrachten hingewiesen hätten, sind zu keinem Zeitpunkt aufgetreten , dringender medizinischer Handlungsbedarf ergab sich nicht. Von einer weiteren Beantwortung wird abgesehen. Einer Beantwortung stehen Rechte Dritter im Sinne des Artikel 51 Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) entgegen. Das Grundrecht auf informatio— nelle Selbstbestimmung aus Artikel 33 SächsVerf zählt zu den Rechten Dritter im Sinne des Artikel 51 Absatz 2 SächsVerf. Eine detaillierte Beantwortung der Frage, insbesondere über Erkenntnisse des Gesundheitszustandes des Betroffenen und der erfolgten Medikamentation, kann mangels Vorliegens einer aktuellen Schweigepflichtentbindungserklärung für die behandelnden Ärzte nicht erfolgen. Eine Einholung einer entsprechenden Erklärung ist auch nicht mehr möglich, da der Betroffene bereits im Juli dieses Jahres abgeschoben worden ist. Seite 2 von 3 FreistaatSACHSEN STAATSNIiNiSTERiUNI DES iNNERN Die Staatsregierung ist sich der herausgehobenen Bedeutung des pariementarischen Fragerechts für die in der Verfassung verankerte Funktion der Abgeordneten bewusst. Allerdings ist dieses Fragerecht nicht schrankenlos. Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage hat die Staatsregierung das geschützte Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen. Die erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse des Abgeordneten an der Beantwortung seiner Frage und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen fällt zugunsten des Grundrechts aus. Frage 4: Ist bei körperlichen beziehungsweise psychischen Abhängigkeiten die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, insbesondere das Einsperren im „bgU“ und das Fesseln, verhältnismäßig? Jeder Anwendung einer besonderen Sicherungsmaßnahme liegt eine Entscheidung im Einzelfall zu Grunde. Aus medizinischer Sicht kann auch bei den benannten Fällen eine Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Ergeben sich im Verlauf Erkenntnisse, dass eine andere Unterbringungsform (z. B. in einer stationären Krankeneinrichtung) geboten ist, kann eine entsprechende Verlegung bzw. nochmalige Vorstellung beim Arzt erfolgen. Die ärztliche Überwachung gemäß § 30 SächsAHaftVollzG stellt sicher, dass eine ärztliche Beurteilung erfolgt, welche insbesondere die Haft—lGewahrsamstauglichkeit im Blick hat. Frage 5: Warum wurde der Beirat nicht proaktiv, unter anderem über die internen Ermittlungen , informiert sondern kam es erst zur Kommunikation zwischen Beirat und Landesdirektion, als die Abschiebehaftkontaktgruppe auf die Vonivürfe aufmerksam machte? Eine permanente, anlasslose Berichterstattung der Abschiebungshafteinrichtung der Landesdirektion Sachsen an den Beirat sehen das Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams im Freistaat Sachsen und die Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über Beiräte nach dem Sächsischen AbschiebungshaftvolIzugsgesetz nicht vor. Sie war auch nicht nach den Um— ständen des Einzelfalles geboten. Ein Anlass für die Erstellung eines Berichtes ergab sich erst nach Anforderung durch den Beirat aufgrund einer an diesen gerichteten Peti— tion. M' undlichen Grüßen"J& Pr . Dr. Roland Wöller Seite 3 von 3 Freista atSACHSEN 2019-08-26T10:52:56+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes