STAATSMINISTERIUI\4 DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hosp¡talstraße 7 | 01 097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl (DlE LINKE) Drs.-Nr.: 6118592 Thema: Staatsanwaltschaften in Sachsen: keine Befugnis zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls (,,keine ausstellende Justizbehörde") Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Zu den Staatsanwaltschaften in Deutschland stellt der Gerichtshof fest, dass nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, dass ihre Entscheidung, einen Europäischen Haftbefehl auszustellen, im Einzelfall einer Weisung des Justizministers des betreffenden Bundeslands unterworfen werden könnte . Daher erfüllen sie eines der Erfordernisse für ihre Einstufung als ,,ausstel lende J ustizbehörde" im Si n ne des Rahmen beschl usses offen bar nicht, und zwar das Erfordernis, der einen solchen Haftbefehl vollstreckenden Justizbehörde die Gewähr für unabhängiges Handeln im Rahmen seiner Ausstellung zu bieten. [...] ln seinen heutigen Urteilen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats, die wie die deutschen Staatsanwaltschaften der Gefahr ausgesetzt sind, im Rahmen des Erlasses einer Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen seitens der Exekutive, etwa eines Justizministers, unten¡vorfen zu werden, nicht unter den Begriff ,,ausstellende Justizbehörde" im Sinne des Rahmenbeschlusses fallen.'n Seite 1 von 6 5 FreistaatSACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 15000 Telefax +49 351 564 15009 Staatsminister@ smj.j ustiz.sachsen.de" Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) I 040E/1 3/1 623-KLR Dresden, J . September 2019 llfürlflJOB-l,lfT-t.DE Hausanschrift: Sächsisches Staatsm¡n¡steri um der Justiz Hospitalstraße 7 0'1097 Dresden Briefpost ùber Deutsche Post 01 095 Dresden www.just¡z.sachsen. de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang L¡ber E¡nfahrt Hospitalstraße 7 Hinweise zum Datenschutz erhalten Sie auf unserer lnternel seite. Auf Wunsch senden wir lhnen diese H¡nwe¡se auch zu. .Ke¡n Zugang für elektronisch s¡gnierte sow¡s ftir verschhlsselte alektronische Nachr¡chten; näharo lnformat¡onen zur elektronischen Kommunikat¡on m¡t sächs¡sch€n Justizbehðrdên unter w. iustiz.sachsen.de/E- Kommunikation. TOB MIT 1' o STAATSMINISTËRIUM DER JUSTIZ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche konkreten Schritte und Maßnahmen sind durch das Staatsministerium der Justiz und/oder die Generalstaatsanwaltschaft Dresden - ggf. auch im Zusammenwirken mit der Generalstaatsanwaltschaft Celle als koordinierende Stelle für die deutschen Generalstaatsanwaltschaften bei Europäischen Haftbefehlen - zur Prüfung der von Staatsanwaltschaften in Sachsen bis zur Veröffentlichung des Urteils der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 27.05.2019, Az. C-508/18, als ausstellende Justizbehörde gemäß Artikel 6 des ,,Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (z}Oàtl}$lJll" ausgestellten Europäischen Haftbefehle seit dem 27. Mai 2019 bis heute veranlasst und umgesetzt worden? Frage 2: Zu welchen konkreten Ergebnissen hat die Prüfung hinsichtlich der von Staatsanwaftschaften in Sachsen als ,,ausstellende Justizbehörde" bis zum 27. Mai 2019 erlassenen Europäischen Haftbefehle geführt und welche Konsequenzen sind für die betroffenen Europäischen Haftbefehle der Staatsanwaltschaften in Sachsen gezogen bzw. welche konkreten Vorkehrungen und Maßnahmen in Bezug auf diese Europäischen Haftbefehle getroffen worden? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat unmittelbar nach der Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Mai 2019 mit Schreiben vom gleichen Tage an die Leitenden Oberstaatsanwälte der Staatsanwaltschaften des Freistaates Sachsen im Einvernehmen mit dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz gebeten, mit sofortiger Wirkung bis auf Weiteres von der Ausstellung neuer Europäischer Haftbefehle abzusehen. WiÄëiisnu Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUI\4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw Wie bereits in der Antwort der Staatsregierung auf die Frage 3 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr.: 6117916 ausgeführt, wurde sodann mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 29. Mai 2019 der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen unter nachrichtlicher Beteiligung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden gebeten, künftig bei ausgehenden Europäischen Haftbefehlen dergestalt zu verfahren, dass Europäische Haftbefehle ab sofort nur noch von den Gerichten ausgestellt werden . Außerdem wurde in dem Schreiben hinsichtlich der bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Mai 2019 erlassenen Europäischen Haftbefehle und anhängiger Verfahren darum gebeten, alle bereits in die Fahndung eingestellten Europäischen Haftbefehle zeitnah durch gerichtlieh erlassene Haftbefehle zu ersetzen und auszutauschen. Soweit ein aktueller Trefferfall vorliegt, soll schnellstmöglich und unabhängig von einer Anfrage des anderen Mitgliedstaates ein neuer Europäischer Haftbefehl beim zuständigen Gericht beantragt und von der zuständigen Staatsanwaltschaft an die vollstreckende Justizbehörde des anderen Mitgliedstaates übermittelt werden. Die Leitenden Oberstaatsanwälte der Sächsischen Staatsanwaltschaften wurden durch den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen gebeten, ab sofort entsprechend zu verfahren. Es wurde weiterhin ausdrücklich darum gebeten, im Hinblick auf die wirkungslos gewordenen Europäischen Haftbefehle im Fahndungsbestand nicht den Trefferfall abzuwarten, sondern umgehend sukzessive alle Europäischen Haftbefehle von den zuständigen Gerichten neu ausstellen zu lassen. Es wurde durch den Generalstaatsanwalt darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaften für die Vorbereitung der Europäischen Haftbefehle und die weíteren Maßnahmen nach Erlass der Europäischen Haftbefehle - wie bisher - zuständig bleiben. Ein Zusammenwirken mit der Generalstaatsanwaltschaft Celle war hierbei nicht erforderlich . Sollte es im Zuge der Auslieferung auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls erforderlich werden, nähere lnformationen einzuholen oder sonstige Absprachen zu treffen, sind die Staatsanwaltschaften gehalten, sich unmittelbar an die zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat zu wenden und gegebenenfalls das Europäische Justizielle Netz (EJN) oder Eurojust um Unterstützung zu bitten. Einer Koordi- Seite 3 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN5 nierung bei Europäischen Haftbefehlen durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle bedarf es insoweit nicht. Die sächsischen Staatsanwaltschaften haben in der Folge ihre Verfahrensweise entsprechend der Vorgaben angepasst. Frage 3 Mit welchen Verzögerungen und welchem strafprozessualen Mehraufuvand rechnet die Staatsregierung infolge des o. g. Urteils des Europäischen Gerichtshofs Az. C-508118 zum Europäischen Haftbefehl in Bezug auf die erforderliche Neuausstellung der insgesamt 391 betroffenen Europäischen Haftbefehle durch sächsische Gerichte, die ausweislich der Kleinen Anfrage zu Drs. 6 / 117916 von Staatsanwaltschaften in Sachsen eusgestellt worden sind? Zum Mehraufwand im gerichtlichen Bereich wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 5 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6117916 Bezug genommen. An dieser Einschätzung der Praxis hat sich nichts geändert. Bei den Staatsanwaltschaften entstand durch die erforderliche Neuausstellung der Europäischen Haftbefehle ebenso ein Mehraufwand. Dagegen bedingt die nunmehr grundsätzliche Ausstellung von Europäischen Haftbefehlen durch die Gerichte keinen Mehraufiruand. Die Staatsanwaltschaften bereiten die Entscheidung der Gerichte vor, indem sie - wie bisher - das Formular des Europäischen Haftbefehls ausfüllen und dem Gericht zur Prüfung und Entscheidung vorlegen. Frage 4: lnwieweit ist mit der in der Antwort des Staatsministers der Justiz auf die Kleine Anfrage zu Drs. 6 I 117916 dargestellten derzeitigen Praxis (Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 29. Mai 2019 an den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen unter nachrichtlicher Beteiligung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden mit der Bitte, künftig bei ausgehenden Europäischen Haftbefehlen dergestalt zu verfahren, dass Europäische Haftbefehle ab sofort nur noch von den Gerichten ausgestellt werden) sichergestellt, dass auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über Se¡te 4 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENw den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (200215841J1) wirksame und vollstreckbare Europäische Haftbefehle ausgestellt werden? Soweit durch ein Gericht der Erlass eines Europäischen Haftbefehls wegen der nach seiner Auffassung bestehenden Unzuständigkeit abgelehnt wird, so kann in diesen Fällen die Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die gerichtliche Ablehnung des Erlasses eines Europäischen Haftbefehls einlegen. Eine weitergehende Bewertung gerichtlicher Entscheidungen ist der Sächsischen Staatsregierung aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Gerichte versagt, Frage 5: Welche konkreten Maßnahmen, Schritte oder lnitiativen mit welchen konkreten Vorschlägen zur - mit dem o. g. EuGH-Urteil dringend gebotenen - Abschaffung der im S f 46 GVG festgelegten Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft gegeni,iber dem Justizministerium und zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften hat die Staatsregierung veranlasst, umgesetzt oder beabsichtigt sie, um in Zukunft die Ausstellung wirksamer und vollstreckbarer Europäischer Haftbefehle durch die Staatsanwaltschaften als ausstellende Justizbehörde in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2OO2t584lJl) sicherzustellen? Durch die Zuständigkeit der Gerichte ist bereits sichergestellt, dass die Entscheidung über den Erlass eines Europäischen Haftbefehls - wie bisher - unabhängig von Weisungen der Justizvenvaltung erfolgt. Unabhängig davon hatte sich Sachsen bereits auf der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 14. November 2013 fur eine Überprüfung des externen Einzelweisungsrechts des Justizministers gegenüber den Staatsanwälten eingesetzt und die Einsetzung einer Bund-/Länderarbeitsgruppe angeregt. Der Antrag wurde damals jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt. Seite 5 von 6 sTAÀTSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENlw Darüber hinaus sah der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD für die nunmehr endende Legislaturperiode vor, dass man sich auf Bundesebene für eine Abschaffung des sogenannten externen Weisungsrechts des Justizministers, das es ihm ermöglicht, im Einzelfall auf ein bestimmtes Ermittlungsverfahren Einfluss zu nehmen, einsetzen will und dass es bis zur Abschaffung in Sachsen grundsätzlich nicht ausgeübt werden soll. Zudem wurde das Thema auf der Frühjahrskonferenz der Amtschefinnen und Amtschefs am 6.17. Mai 2015 noch einmal erörtert. Vor diesem Hintergrund hat das Sächsische Staatsministerium der Justiz eine Länderarbeitsgruppe gegründet, in der eine mögliche Abschaffung des Weisungsrechts oder die Gestaltung von Modifizierungen untersucht und gegebenenfalls eine erneute bundesweite lnitiative gestartet werden sollten. Die Befassung mit dem Thema in den letzten Jahren hat jedoch gezeigt, dass eine solche Gesetzgebungsinitiative auf Bundesebene dezeit nicht durchsetzbar ist. Darliber hinaus drängten sich aber auch keine sinnvollen und praxistauglichen Möglichkeiten zur bundesrechtlichen Modifizierung oder besseren Ausgestaltung des Weisungsrechts auf. Die Weiterverfolgung der Abschaffung bzw. Umgestaltung des externen Weisungsrechts im Einzelfall wird deshalb derzeit als nicht aussichtsreich gesehen. Konkrete Maßnahmen, Schritte oder lnitiativen zur Abschaffung der im $ 147 GVG festgelegten Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Justizministerium, um in Zukunft die Ausstellung Europäischer Haftbefehle durch die Staatsanwaltschaften sichezustellen, sind daher derzeit nicht beabsichtigt. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow il Seite 6 von 6 2019-09-06T13:17:21+0200 pseudo: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes