STAATSMINISTERIUIVI DER JUSTIZ ME'LLl Freistaat ||p SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon +49 351 564-1500 Telefax +49 351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 104QE-KLR-1891/15 Dresden, 2 & August 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/02077 Thema: Erkenntnisse der Staatsregierung zu auf Drogenkonsum zurückzuführender Gewalt in Justizvollzugsanstalten des Freistaates Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt; Frage 1: Inwieweit hat die Staatsregierung Erkenntnisse, wonach es in Justizvollzugsanstalten des Freistaates Sachsen in den Jahren 2014 und im ersten Halbjahr 2015 zu Gewalttätigkeiten unter Gefangenen, Angriffe von Gefangenen auf Bedienstete, Bedrohungen von Bediensteten u. Ä. kam, bei denen ein Zusammenhang mit dem illegalen Konsum von Drogen durch Strafgefangene gesehen wurde? Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 Dem Staatsministerium der Justiz liegen Erkenntnisse zu den von den Justizvollzugsanstalten erstatteten Strafanzeigen wegen Gewalttätigkeiten unter Gefangenen sowie zu Angriffen oder Bedrohungen von Gefangenen zum Nachteil von Bediensteten vor. •Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter www.egvp.de Seite 1 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Die Anzahl dieser Strafanzeigen stellt sich wie folgt dar: Strafanzeigen wegen: 2014 1. Halbjahr 2015 Gewalttätigkeiten unter Gefangenen 53 39 Übergriffen auf Bedienstete 7 5 Beleidigung oder Bedrohung zum Nachteil von Bediensteten 15 6 Ein Zusammenhang dieser Vorkommnisse mit dem illegalen Konsum von Betäubungsmitteln durch Gefangene lässt sich anhand der vorliegenden Erkenntnisse weder bestätigen noch widerlegen. Aus den Anhörungen der Beteiligten zu den angezeigten Sachverhalten ergaben sich keine verlässlichen Hinweise auf einen Zusammenhang mit dem Konsum von Betäubungsmitteln. Neben den Justizvollzugsanstalten können auch durch die Geschädigten selbst oder durch Dritte Strafanzeigen erstattet werden. Durch die sächsischen Staatsanwaltschaften wird eine gesonderte Statistik über entsprechende Ermittlungsverfahren nicht geführt. Eine Beantwortung ist auch nicht durch eine Auswertung der Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften möglich, da der Tatort, über den eine in einer Justizvollzugsanstalt begangene Straftat recherchiert werden könnte, in den Datenbanken nicht immer erfasst wird. Daher müssten zumindest all diese Verfahren, zu denen kein Tatort angegeben wurde, im Einzelnen händisch ausgewertet und geprüft werden, ob die Straftat in einer Justizvollzugsanstalt begangen wurde und ob es sich um eine Straftat im Sinne der Frage 1 handelt. In dem abgefragten Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2015 sind allein im Hinblick auf den Straftatbestand des § 223 StGB in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften 18.385 Beschuldigte erfasst, zu denen kein Tatort angegeben wurde. Schon die Auswertung dieser Ermittlungsverfahren ist innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand ohne wesentliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften nicht zu leisten. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Bestem Wissen entspricht die Antwort, wenn das Wissen, das bei der Staatsregierung präsent ist, sowie jene Informationen, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand Freistaat SACHSEN Seite 2 von 5 STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ zumindest in ihren Geschäftsbereichen eingeholt werden können, mitgeteilt wird (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 19-1-97). Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Staatsregierung verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden (SächsVerfGH, a. a. O.). Zur Vorbereitung der Beantwortung ist eine umfassende Sachverhaltsermittlung vorzunehmen. Diese Sachverhaltsermittlung ist jedoch im Hinblick auf die zeitlichen Vorgaben der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages beschränkt. Bei der Sachverhaltsermittlung kann daher nicht in jedem Fall das Ausschöpfen jeder denkbaren Erkenntnisquelle verlangt werden (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, a. a. O.). Zur vollständigen Beantwortung der Frage wären - wie oben dargestellt - umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, z. B. von Verteidigern, Gerichten, Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege nicht zu leisten ist. Frage 2: Wie reagierten die Justizvollzugsanstalten im Einzelnen auf derartige Vorkommnisse bzw. Delikte von Gefangenen, wurde Strafanzeige erstattet, Disziplinarmaßnahmen eingeleitet etc.? Als vollzugsrechtliche Maßnahmen bei den beschriebenen Vorkommnissen kommen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen in Betracht. Daneben sind solche Verstöße von Straf- oder Jugendstrafgefangenen im Rahmen der Vollzugs- und Eingliederungsplanung kritisch zu würdigen. DieFreistaat SACHSEN Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ S Freistaat SACHSEN se Maßnahmen sind individuelle, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellende Ermessensentscheidungen des Leiters der Justizvollzugsanstalt. Eine statistische Erfassung solcher Maßnahmen erfolgt nicht. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt hat den Verdacht einer strafbaren Handlung der zuständigen Staatsanwaltschaft anzuzeigen, wenn nicht aufgrund der bisherigen Erfahrungen davon ausgegangen werden kann, dass ein Strafverfahren gemäß §§ 153, 154 Abs. 1, 154a Abs. 1, 154b Strafprozessordnung eingestellt würde. Frage 3: Inwieweit hat die Staatsregierung Erkenntnisse, wonach die Zunahme von Betäubungsmitteldelikten in Justizvollzugsanstalten des Freistaates Sachsen und ggf. im Zusammenhang mit Betäubungsmittelkonsum begangenen Gewalt, von Nötigungs- oder analogen Delikte mit der angespannten Personalsituation im Justizvollzugsdienst des Freistaates Sachsen im Zusammenhang stehen und wenn ja, welche? Eine Zunahme von Betäubungsmitteldelikten in den sächsischen Justizvollzugsanstalten kann jedenfalls im Hinblick auf die im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen sichergestellten Betäubungsmittel nicht festgestellt werden. Folgende Mengen von Betäubungsmitteln wurden in den vergangenen Jahren bei Durchsuchungen sichergestellt: Jahr Cannabis in g Crystal / (Meth-) Amphetamine in g Heroingemisch in g Ecstasy Tabletten Stück Kokain in g 2010 544,04 11,24 68,82 19 4,35 2011 632,39 95,35 12,20 12 1,50 2012 239,57 147,01 3,70 140 0,00 2013 174,78 83,50 9,25 5 5,50 2014 105,31 78,51 0,77 0 0,00 1. Halbjahr 2015 20,01 33,08 0,04 0 0,56 Zwar sind die Fundmengen in den letzten Jahren zurückgegangen, dies lässt jedoch nicht auf eine Verringerung der Kontrolldichte durch die Justizvollzugsbediensteten schließen, da die Anzahl der Einzelfunde des aktuell problematischsten Betäubungsmittels Methamphetamin („Crystal") in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestieSeite 4 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ gen ist. Auch die Entwicklung der Anzahl der Einzelfunde von Cannabis lässt den Schluss auf eine Verringerung der Kontrolldichte nicht zu: Jahr Anzahl Einzelfunde Cannabis Anzahl Einzelfunde Crystal / (Meth-) Amphetamine 2010 67 16 2011 104 42 2012 42 53 2013 73 70 2014 87 78 1. Halbjahr 2015 37 47 Vor diesem Hintergrund lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Betäubungsmitteldelikte im Justizvollzug und der Personalausstattung der Justizvollzugsanstalten nicht hersteilen. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5