STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon +49 351 564-1500 Telefax +49 351 564-1509 staatsminister® smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 104QE-LR-2059/15 Dresden, 4* August 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/2189 Thema: Duldung gewaltverherrlichender Bekleidung bei Zuführungen von Gefangenen zu gerichtlichen Verhandlungen bzw. in sächsischen Justizvollzugsanstalten generell Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In einem vor dem Amtsgericht Dresden - Schöffengericht - stattgefundenen Strafverfahren wegen Verdachts der versuchten räuberischen Erpressung in Gestalt auf Eigentumserlangung gerichteter Gewaltanwendung bzw. Bedrohung von Mitgefangenen in einer sächsischen Justizvollzugsanstalt trug ein Angeklagter, der derzeit eine Freiheitsstrafe in einer sächsischen Justizvollzugsanstalt verbüßt, ein T-Shirt, welches jeweils in englischer Sprache auf dem Brustteil in großen Buchstaben die Aufschrift trug "DEATH TO THE TRAITOR", was ins Deutsche übersetzt heißt: "Tod dem Verräter". Auf dem Rückenteil waren die gleichen Worte unter einem stilisierten Galgen mit Schlinge aufgedruckt. Der Vorsitz führende Richter veranlasste, allzumal es nahe lag, dass durch diese Bekleidung in der gerichtlichen Beweisaufnahme zu hörende Zeugen, die ihrerseits Mitgefangene des betreffenden Angeklagten sind oder waren, eingeschüchtert werden sollten, Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrs Verbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 •Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter www.egvp.de Seite 1 von 7 STAATSM1N1STER1UTVI DER JUSTIZ HB Freistaat HP SACH SEIN dass der betreffende Angeklagte im Nebenraum das T-Shirt wenden und in der weiteren Verhandlung so tragen musste, dass die nicht beschriftete Innenseite des Bekleidungsstückes nach außen zeigte.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Existieren für die sächsischen Justizvollzugsanstalten bzw. Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Sachsen förmliche Festlegungen, die das Einbringen, Tragen, Weitergeben, Verwenden, Nutzen und in sonstiger Weise Gebrauch von Bekleidungsstücken verbieten, die mit einer Aufschrift bzw. mit einer Symbolik von offenkundig gewaltverherrlichendem, neonazistischem, antisemitischem, rassistischem oder in sonstiger Weise menschenverachtendem Charakter versehen sind bzw. einen solchen durch die Eigenheit des Bekleidungsstückes selbst aulweisen? Frage 2: Wenn ja, in welcher rechtlichen Form sind die entsprechenden Festlegungen ergangen und welchen Inhalt haben sie? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Im Freistaat Sachsen dürfen Untersuchungsgefangene nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsUHaftVollzG, Gefangene zum ausschließlichen Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft nach § 173 StVollzG (Bund) i.V.m. § 120 Satz 2 Nr. 4 SächsStVollzG und Untergebrachte in der Sicherungsverwahrung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SächsSWollzG grundsätzlich eigene Kleidung tragen. Für Strafgefangene und Jugendstrafgefangene sehen § 52 Abs. 1 SächsStVollzG und § 30 Abs. 1 SächsJStVollzG vor, dass die Gefangenen Anstaltskleidung oder eigene Kleidung tragen, wobei Näheres der Anstaltsleiter regelt. Die Vorschriften über die Kleidung werden durch die jeweiligen gesetzlichen Regelungen zum Einbringen und Gewahrsam an Gegenständen ergänzt. Danach sehen alle sächsischen Vollzugsgesetze vor, dass Gegenstände für Gefangene nur mit Zustimmung der Anstalt eingebracht und Seite 2 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN in unmittelbaren Besitz genommen werden dürfen. Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden, kann die Anstalt in Verwahrung nehmen. Das Nähere regelt der Anstaltsleiter ggf. im Wege der von ihm zu erlassenden Hausordnung (§ 84 SächsUHaftVollzG, §113 SächsStVollzG, § 108 SächsJStVollzG, § 114 SächsSWollzG) sowie in Dienstanweisungen an die Mitarbeiter seiner Anstalt. Die Hausordnungen, die sich vornehmlich an die Gefangenen richten, sehen dabei bereits unter dem Punkt „Allgemeine Verhaltensweisen" vor, dass der Besitz von Gegenständen und Bildern mit strafrechtlich verbotenen oder das geordnete Zusammenleben in der Anstalt gefährdenden Symbolen sowie deren Verwendung verboten sind. Die Einheitlichkeit dieser Regelung in allen sächsischen Anstalten wird über die im Erlasswege vorgegebene Rahmenhausordnung sichergestellt. Daneben existieren in einzelnen Justizvollzugsanstalten Dienstanweisungen zur Ausgabe von privaten Kleidungsstücken an Gefangene. Diese Dienstanweisungen sehen im Einzelfall auch weitergehende Einschränkungen bezüglich der Ausgabe von privaten Bekleidungsstücken mit Tarnflecken und Bekleidungsstücken von Motorradclubs (Kutten, Embleme z.B. von den Hells Angels etc.) vor. Zudem wurde den Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten im Erlasswege im Jahr 2013 ein Katalog zugänglich gemacht, der Erkennungszeichen und Kleidung der rechtsextremistischen Szene auflistet. Dies soll die Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten in die Lage versetzen, Symbole mit strafbarem Inhalt auf Bekleidungsstücken zu erkennen und diese in Verwahrung nehmen zu können. Für Patienten in den Maßregelvollzugseinrichtungen des Freistaates Sachsen gilt das Vorstehende entsprechend. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Satz 1 SächsPsy-chKG dürfen Patienten danach eigene Kleidung tragen und persönliche Gegenstände in unmittelbarem Besitz haben, soweit es ihr Gesundheitszustand zulässt und die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der Allgemeinheit dadurch nicht erheblich gestört werden. Das Einbringen und der Besitz von persönlichen Sachen einschließlich Kleidung werden in den Maßregelvollzugseinrichtungen in den jeweiligen Haus- und Stationsordnungen bzw. den Patientenleitfäden konkretisiert. Danach ist das Tragen von Kleidung mit verfassungsfeindlichen Symbolen und von Kleidung, die Seite 3 von 7 STAATSMIISIISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat ||p SACHSEN eine extremistische Ideologie signalisiert oder die mit gewaltverherrlichenden Symbolen versehen ist, untersagt. Soweit eine Haus- oder Stationsordnung bzw. ein Patientenleitfaden keine solche Festlegung enthält, überprüft die Maßregelvollzugseinrichtung im Einzelfall nach § 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Satz 1 SächsPsychKG die Ausgabe bzw. Verwahrung des Kleidungsstückes. Frage 3: Wie wird in sächsischen Justizvollzugsanstalten im Anstaltsalltag kontrolliert und durchgesetzt, dass derartige Bekleidungsstücke nicht in die Justizvollzugsanstalt eingebracht, im Anstaltsalltag von Gefangenen getragen, genutzt, an andere Gefangene weitergegeben oder in sonstiger Weise verwendet werden dürfen und zu welchen Konsequenzen führen im Einzelfall Zuwiderhandlungen durch Gefangene? Soweit Gefangene und Untergebrachte in der Sicherungsverwahrung Privatkleidung tragen, haben sie diese entweder bereits bei Haftantritt im Besitz gehabt oder im Haft-bzw. Unterbringungsverlauf in die Anstalt eingebracht. Zu Beginn der Inhaftierung durchläuft jeder Gefangene ein Aufnahmeverfahren, in welchem auch der vollständige persönliche Besitz des Gefangenen von Anstaltsbediensteten im Beisein des Gefangenen gesichtet und registriert wird. Auffällige Privatkleidung wird im Aufnahmeverfahren sogleich in Verwahrung genommen und dem Gefangenen nicht zum unmittelbaren Besitz überlassen. Möchte ein Gefangener während des Haftverlaufs weitere private Bekleidungsstücke einbringen, hat er über den durch die Anstalt vermittelten Katalogeinkauf oder über die Zusendung durch Dritte in einem sog. Wäschepaket die Möglichkeit dazu. Im Rahmen der Entlassungsvorbereitung kann dem Gefangenen auf Antrag auch gestattet werden, neue Privatkleidung außerhalb der Anstalt zu kaufen. Diese Möglichkeit, private Bekleidungsstücke zu erwerben, ist jedoch zumeist mit einem Antrag auf Gewährung von Ausgang oder einer Ausführung verbunden, wobei dem Gefangenen in der Regel als Weisung für die Gewährung der Lockerung aufgegeben wird, über die getätigten Einkäufe eine Quittung vorzulegen. Jeder Eingang privater Bekleidungsstücke auf einem dieser Wege wird dann erneut durch die Anstaltsbediensteten, welche die Sachen der Gefangenen verwalten, im Beisein des Gefangenen gesichtet und erfasst. Pakete sind aufgrund der gesetzlichen Regelungen in den sächsischen Vollzugsgesetzen stets in Gegenwart des Gefangenen zu öffnen und auf verSeite 4 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN botene Gegenstände zu kontrollieren (§ 41 Abs. 2 SächsUHaftVollzG, § 37 Abs. 3 SächsStVollzG, § 56 Abs. 2 SächsJStVollzG, § 38 Abs. 3 SächsSWollzG). Im Haftalltag sind die Anstaltsbediensteten aufgrund des Erlasses aus dem Jahr 2013 angehalten, auf auffällige Symbole und Kennzeichen auf Bekleidungsstücken bzw. im Haftraum zu achten. Es finden regelmäßig außerordentliche Durchsuchungen der Hafträume und der dort befindlichen privaten Gegenstände statt. Eine Sensibilisierung der Bediensteten erfolgt insbesondere im Nachgang zu unangekündigten Durchsuchungseinsätzen der Sicherheitsgruppe im sächsischen Justizvollzug, weil diese Durchsuchungseinsätze mit der Anstaltsleitung und den betroffenen Vollzugsabteilungsleitern ausgewertet werden. Über die Umsetzung der Hinweise der Durchsuchungsgruppe im sächsischen Justizvollzug haben die Justizvollzugsanstalten anlassbezogen zu berichten. Werden im Einzelfall Verstöße von Gefangenen gegen die Anstaltsordnung festgestellt, können auffällige Gegenstände, also auch Kleidung mit auffälligen Symbolen und Kennzeichen, aus dem Haftraum entfernt und in Verwahrung genommen werden. Den Gefangenen kann auch aufgegeben werden, die Gegenstände auf eigene Kosten aus der Anstalt zu entfernen. Der Verstoß wird unverzüglich mit den Gefangenen erörtert. Bei erheblichen oder wiederholten Verstößen kann der Anstaltsleiter gegen die betroffenen Gefangenen ein Disziplinarverfahren eröffnen und durchführen. Bei Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung verbleibt es dagegen bei einem erörternden Gespräch nach § 79 Abs. 5 SächsSWollzG. Besteht der Verdacht, der Besitz eines bestimmten Gegenstandes erfülle den Tatbestand eines Strafgesetzes, erstattet der Anstaltsleiter von Amts wegen Strafanzeige. Wie wird in Fällen, da Gefangene aus sächsischen Justizvollzugsanstalten ver-schubt oder durch Direkttransport zu gerichtlichen Hauptverhandlungen als dortige Angeklagte, Zeugen oder in sonstiger Prozessbeteiligtenrolle gebracht werden, verfahren, damit diese keine derartigen Bekleidungsgegenstände tragen Frage 4: Seite 5 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ 1S533 Freistaat |§3 SACHSEN und namentlich nicht solche, die nach aller Denklogik geeignet sind, für Zeugen und andere Verfahrensbeteiligte einen bedrohlichen und einschüchternden Effekt zu bewirken? In Fällen der Vorführung zu Gericht wird Gefangenen jeder Haftart grundsätzlich gestattet, Privatkleidung zu tragen, sofern nicht unabweisbare Gründe der Sicherheit das Tragen von Anstaltskleidung erfordern. Die vorführenden Bediensteten der Justizvollzugsanstalt sind schon durch die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die Gewährleistung der Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten einschließlich der Jugendstrafvollzugsanstalt vom 2. Mai 2013 angehalten, vor der Abfahrt zu Gericht die Bekleidung des Gefangenen in Augenschein zu nehmen und diese auf verbotene Gegenstände zu durchsuchen. Möchte der Gefangene zum Gerichtstermin Privatkleidung aus seinem verwahrten Besitz tragen, erfolgt eine Ausgabe nach Kontrolle durch die zuständigen Bediensteten nur, wenn die Bekleidung keinen Sperrvermerk aufweist. Ist ein Gefangener zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins in eine andere sächsische Justizvollzugsanstalt zu verschuben, kontrolliert auch die aufnehmende Justizvollzugsanstalt die mitgegebenen Sachen, mithin auch die private Kleidung. Der in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage vorangestellte Sachverhalt zeigt, dass es in Einzelfällen dazu kommen kann, dass Anstaltsbedienstete private Oberbekleidung eines Gefangenen nicht beanstanden, die zwar keine verfassungswidrige oder strafbare Symbolik, wohl aber eine solche Beschriftung aufweist, die geeignet ist, die Ordnung einer gerichtlichen Hauptverhandlung und das geordnete Zusammenleben in der Anstalt zu stören. Es ist daher beabsichtigt, in der derzeit zu erarbeitenden Verwaltungsvorschrift zum Sächsischen Strafvollzugsgesetz eine Regelung aufzunehmen, wonach auch die Bediensteten des Unterbringungsbereiches der Gefangenen angehalten werden, daraufzu achten, dass die Oberbekleidung der Gefangenen frei von Symbolen und Kennzeichen im Sinne der Fragestellung zu 1. ist. Frage 5: Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, wo bei Handlungsweisen, wie in den Vorbemerkungen beschrieben, gegen so handelnde Personen von Amts wegen Seite 6 von 7 STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ bzw. auf Anzeige Dritter Strafverfahren eingeleitet worden sind und wenn ja, mit welchem Ergebnis wurden selbige geführt? Der Staatsregierung sind keine Fälle im Sinne der Fragestellung bekannt. Mit freundlichen Grüßen Freistaat SACHSEN Seite 7 von 7