Seite 1 von 53 Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/3302 Thema: Gesetzliche Betreuung im Freistaat Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Große Anfrage wie folgt: I. Bestandsaufnahme zur Situation der gesetzlichen Betreuung in Sachsen 1. Wie viele Verfahren der gesetzlichen Betreuung gemäß § 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) werden derzeit an den Amtsgerichten im Freistaat Sachsen geführt? Im Freistaat Sachsen werden derzeit (Stand: 15. Dezember 2015) 70.944 Verfahren geführt. 2. In wie vielen dieser Betreuungsverfahren sind ehrenamtliche Betreuer bestellt und in wie vielen Verfahren berufsmäßige Betreuer (Berufsbetreuer ) bestellt? In knapp der Hälfte der Betreuungsverfahren ist ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt. Aktuell lässt sich der tatsächliche Anteil allerdings statistisch nicht ganz exakt abbilden und ist lediglich als Ergebnis eines analytischen Schätzverfahrens auf der Grundlage der Zahlen für die Jahre 2011 bis 2013 zu ermitteln. Die übrigen Betreuungen werden durch beruflich tätige Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040Ea-KLR-3261/15 Dresden, 26. Januar 2016 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 *Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Doku- mente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter www.egvp.de SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01097 Dresden Seite 2 von 53 Betreuer (einschließlich Vereins- und Behördenbetreuer) ausgeübt. In den Jahren 2014 und 2015 hat die Erhebungspraxis auf Grund der Umstellung des EDV-Systems eine gewisse Fehleranfälligkeit aufgewiesen. Exaktere Zahlen können erst mit der Einführung einer neuen, bundeseinheitlichen Statistik zum Betreuungsrecht und deren Umsetzung im durch die Gerichte genutzten einheitlichen IT-Fachverfahren „ForumStar“ ermittelt werden . Nachdem diese zunächst für den 1. Januar 2016 avisiert worden war, verzögert sich die Einführung nunmehr zum 1. Januar 2017 auf Grund von Umsetzungsproblemen mit ForumStar, die den gesamten Länderverbund betreffen und damit nicht allein durch den Freistaat Sachsen gelöst werden können. Zwar war bereits durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts für das Jahr 2015 angeordnet worden, alle Verfahren im Zuge der jährlichen Vorlage erneut statistisch zu behandeln. Die Auswertung der derzeit in Forum- Star erfassten ehrenamtlichen Betreuungen hat mit 29.414 Verfahren, die durch ehrenamtliche Betreuer geführt wurden, jedenfalls noch keine hinreichend plausible Zahl ergeben . 3. Wie hat sich die Anzahl der ehrenamtlichen Betreuungen und Betreuer im Vergleich zu den berufsmäßigen Betreuungen und Betreuer im Freistaat Sachsen innerhalb der letzten 10 Jahre entwickelt? Die Entwicklung stellt sich wie folgt dar: Jahr Anzahl der ehrenamtlichen Betreuer 2006 41.186 2007 39.698 2008 40.037 2009 38.088 2010 36.458 2011 38.282 2012 36.458 2013 36.091 2014/15 35.5181 1 Für die Jahre 2014 und 2015 lässt sich – wie bereits zu Frage I. 2 ausgeführt – die tatsächliche Anzahl der ehrenamtlichen Betreuer allerdings statistisch nicht exakt abbilden und ist lediglich als Ergebnis eines analytischen Schätzverfahrens auf der Grundlage der Zahlen für die Jahre 2011 bis 2013 zu ermitteln. Seite 3 von 53 4. Wie viele ehrenamtlich geführte Betreuungen werden derzeit durch Angehörige aus dem familiären Umfeld der zu betreuenden Person geführt? Die Gerichte erfassen diese Daten nicht statistisch. 5. Wie viele gesetzliche Betreuungen gab es im Jahre 2010 und wie viele im Jahre 2000? (Bitte aufgeschlüsselt nach Betreuungen durch ehrenamtliche Betreuer und berufsmäßige Betreuer darstellen.) Zunächst wird auf die folgende Tabelle verwiesen: 2000 2010 gesetzliche Betreuungen 53.664 74.971 davon ehrenamtliche Betreuer 9.590 (nur Erstbestellung) 36.458 (gesamt) 7.507 (Erstbestellung) davon berufsmäßige Betreuer 3.617 (nur Erstbestellung) 38.513 (gesamt) 4.627 (Erstbestellung) Für das Jahr 2000 kann die Gesamtzahl der ehrenamtlichen Betreuungen und der Berufsbetreuer nicht mitgeteilt werden, da die Angaben seinerzeit nicht getrennt nach ehrenamtlichen Betreuern und Berufsbetreuern erfasst worden sind. Für das Jahr 2010 schließt die angegebene Zahl von 38.513 berufsmäßigen Betreuern auch die Vereins- und Behördenbetreuer mit ein. Eine detailliertere Aufschlüsselung ist mangels weitergehender statistischer Erhebungen nicht möglich. 6. Welche Maßnahmen zur Stärkung der Attraktivität der ehrenamtlichen Tätigkeit in Betreuungsangelegenheiten hat die Staatsregierung ergriffen oder werden als notwendig erachtet? Die Staatsregierung verfolgt hier vor allem das Ziel, dass ehrenamtliche Betreuer die für ihre Tätigkeit erforderliche professionelle Unterstützung erhalten. Dies kann die Justiz – hier insbesondere die Betreuungsgerichte – nicht allein leisten. Im Freistaat Sachsen Seite 4 von 53 gibt es derzeit 33 nach § 3 des Gesetzes zur Ausführung des Betreuungsrechts (AGBtR) durch den Kommunalen Sozialverband (KSV) anerkannte Betreuungsvereine, zu deren Aufgaben es gemäß § 1908f Abs. 1 Nr. 2 BGB auch gehört, sich planmäßig um die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer zu bemühen, diese in ihre Aufgaben einzuführen, sie fortzubilden und sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beraten und zu unterstützen . Ferner informieren sie gemäß § 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB auch über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Auch wenn diese Vereine selbst Betreuungen führen und dafür von den Betreuten oder der Justiz vergütet werden, erwartet die Staatsregierung nicht, dass die Vereine diese Aufgaben aus eigener wirtschaftlicher Leistungskraft erbringen können, sondern vielmehr eine finanzielle Förderung erhalten, die – auch wenn die Kosten nicht vollständig übernommen werden können – einen nennenswerten Beitrag zu den Ausgaben der Betreuungsvereine leistet. Deshalb fördert der Freistaat Sachsen diese Querschnittsarbeit mit derzeit jährlich 300.000 EUR. Das Staatsministerium der Justiz hat im letzten Jahr die bisherige Förderrichtlinie im Ergebnis einer eingehenden Diskussion mit den Betreuungsvereinen neu gefasst und Hemmnisse, welche die Vereine in den letzten Jahren davon abgehalten haben, die zur Verfügung stehenden Gelder in Anspruch zu nehmen, abgebaut. Dabei soll allerdings das hohe Beratungsniveau – etwa durch qualifizierte Mitarbeiter – bei den Vereinen weiter gewährleistet werden. Die Neuregelungen sind zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Das Staatsministerium der Justiz unterstützt zudem ehrenamtliche Betreuer mit der von ihm herausgegebenen „Broschüre Wegweiser für ehrenamtliche Betreuer“, die derzeit aktualisiert wird. Es informiert die Bürger auch mit der neu erschienenen Broschüre „Betreuung und Fürsorge“ über die Möglichkeiten Vorsorge zu treffen. Das Staatsministerium der Justiz führt derzeit begleitend eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Betreuung und Vorsorge – Schon geklärt?“ durch, in der Richter, Ärzte und Betreuer mit interessierten Bürgern deren Fragen und Probleme gemeinsam diskutieren. Auch dadurch sollen Bürger ermutigt werden, eine ehrenamtliche Tätigkeit zu übernehmen. Nicht zuletzt hat das Staatsministerium der Justiz für die ehrenamtlichen Betreuer eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen. Damit werden die ehrenamtlichen Betreuer von nicht unerheblichen Haftungsrisiken freigestellt, die sie von der Übernahme einer Betreuung abhalten könnten. Die ehrenamtlichen Betreuer sind zudem gesetzlich unfallversichert und darüber hinaus durch den Freistaat Sachsen in einer privat- Seite 5 von 53 rechtlichen Sammelversicherung für bestimmte weitere Unfallschäden abgesichert, die von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht abgedeckt sind. 7. Welche Position vertritt die Staatsregierung zum Vorschlag der Einführung einer Grundförderung für Betreuungsvereine bzw. zur Ausgabe von Beratungsgutscheinen für Beratung und Weiterbildung von ehrenamtlichen Betreuern, die ggf. bei Berufsbetreuern eingelöst werden können und welche Schritte hat sie hierzu bereits veranlasst? Wie zu Frage 6 ausgeführt, gehört die Gewinnung und Beratung von ehrenamtlichen Betreuern zu den Aufgaben der anerkannten Betreuungsvereine. Die Staatsregierung hält die Schaffung und Finanzierung einer zusätzlichen Beratungsmöglichkeit auch durch Berufsbetreuer derzeit für nicht erforderlich. Das Staatsministerium der Justiz hat sich vielmehr entschieden, die finanzielle Unterstützung der Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine zu verbessern und hat – nachdem zum 1. Januar 2015 die Zuständigkeit für die Förderung der Betreuungsvereine auf das Staatsministerium der Justiz übergegangen ist – die bisherige Förderrichtlinie mit diesem Ziel überarbeitet. Hierzu wurden – wie etwa auch durch den Rechnungshof angeregt – Zugangsvoraussetzungen so ausgestaltet, dass deutlich mehr Betreuungsvereine die Förderung beantragen können und so die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auch zur Wahrnehmung von Querschnittsaufgaben abgerufen werden. Die neue Richtlinie vom 29. Oktober 2015 (SächsABl. 47/2015 vom 19. November 2015) ist zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Wegen der Einzelheiten der inhaltlichen Änderungen wird auf die Antwort zu den Fragen Ziffer VI. Nr. 8 bis 10 verwiesen. Eine Grundförderung sieht die Richtlinie nicht vor. Vielmehr wurde an einer projektbezogenen Förderung festgehalten. Dadurch wird besser sichergestellt, dass die Betreuungsvereine die Zuwendung nur für solche Maßnahmen verwenden, die unmittelbar der Förderung der Querschnittsarbeit zu Gute kommen. Eine Grundförderung würde hingegen letztlich eine institutionelle Förderung bedeuten. Diese würde Zuwendungen zur Deckung eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben oder – in besonderen Ausnahmefällen – der gesamten Ausgaben des Zuwendungsempfängers umfassen. Die Betreuungsvereine nehmen aber nicht nur Querschnittsaufgaben wahr, sondern ihre Mitarbeiter Seite 6 von 53 führen vor allem eigene Betreuungsverfahren. Hierfür werden sie genauso wie die beruflich tätigen Betreuer vergütet. Insoweit besteht kein Bedarf für eine Förderung. Durch eine institutionelle Förderung nur bezogen auf Querschnittsaufgaben besteht aber die Gefahr, dass tatsächlich die Zuwendung nicht der Förderung von Querschnittsaufgaben zu Gute kommt, sondern in die allgemeinen Ausgaben des Betreuungsvereines fließt, die mit den Querschnittsaufgaben in keiner Verbindung stehen. Gegen eine institutionelle Förderung spricht auch, dass dann nur diejenigen Vereine Zuwendungen erhalten könnten, die nach eingehender Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenssituation tatsächlich darauf angewiesen wären; der Zuwendungsempfänger müsste hierfür einen Haushalts- und Wirtschaftsplan vorlegen (Ziffer 3.4 der VwV zu § 23 SäHO). Damit wäre nicht nur ein erheblicher bürokratischer Aufwand verbunden. Für die Gewinnung und Beratung ehrenamtlicher Betreuer kommt es auch weniger auf die wirtschaftliche Basis der Vereine als auf die von ihnen konkret betriebenen Maßnahmen zur Gewinnung und Beratung von ehrenamtlichen Betreuern an. Diese Maßnahmen werden finanziell unterstützt. 8. Welche Entwicklungen bei der Anzahl von gesetzlichen Betreuungsverfahren (Betreuungszahlen) werden in den nächsten Jahren erwartet? 9. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus den zurückliegenden und absehbaren zukünftigen Entwicklungen der Betreuungsverfahren /Betreuungszahlen in Sachsen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 8 und 9: Die Entwicklung der Anzahl der gerichtlich geführten Betreuungsverfahren ist für die nächsten Jahre nur schwer abzuschätzen. Festzustellen ist, dass sich zwar die Betreuungszahlen (ebenso wie die Ausgaben) leicht rückläufig entwickeln, sich letztlich aber das hohe Niveau der vergangenen Jahre nicht substanziell verändert hat. Allerdings dürfte davon auszugehen sein, dass in den kommenden Jahren Betreuungen zunehmend entbehrlich werden, weil stattdessen die Betroffenen auf Vorsorgevollmachten zurückgreifen können. Allein im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer sind – bundesweit – 2.837.990 Vorsorgevollmachten hinterlegt (Stand: 30. Juni 2015) und damit etwa zwei Millionen mehr als noch im Jahr 2009. Hinzu kommen diejenigen Vorsorgevollmachten, welche nicht im Vorsorgeregister registriert worden sind. Daraus lässt sich ableiten, dass Seite 7 von 53 die Bürger zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch machen, einen Vorsorgebevollmächtigten für den Fall zu bestimmen, dass sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind. Diese Vorsorgevollmachten werden auch in Sachsen dazu führen, dass zukünftig weniger Betreuungen angeordnet werden müssen. Allerdings zeichnen sich – insbesondere mit dem Zuzug von Flüchtlingen – Entwicklungen ab, die nicht ohne Einfluss auf die Anzahl der gerichtlich geführten Betreuungsverfahren sein dürften. Denn es liegt nicht fern, dass gerade diejenigen Flüchtlinge, die durch Krieg und Flucht traumatischen Erlebnissen ausgesetzt waren, ein signifikant höheres Risiko für die Erforderlichkeit einer rechtlichen Betreuung haben. Konkrete Erkenntnisse liegen der Staatsregierung hierzu allerdings noch nicht vor. Allein aus der Anzahl der Betreuungsverfahren und ihrer Entwicklung lässt sich derzeit ein weiterer konkreter Handlungsbedarf nicht ableiten. Da die Anordnung einer Betreuung allerdings konsequent an der Erforderlichkeit zu messen ist (siehe Antwort auf Frage Ziffer III Nr. 2), ist die Staatsregierung der Auffassung, dass vor allem das vorgelagerte sozialrechtliche Hilfesystem konsequent zu nutzen ist. Im Ergebnis der Auswertung eines derzeit laufenden Forschungsvorhabens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) (siehe Antwort zu den Fragen Ziffer II Nr. 5, Ziffer III Nr. 5 und 6 und Ziffer IV Nr. 1 und 2) und der Erstellung eines sächsischen Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (siehe Antwort zu den Fragen Ziffer III. Nr. 1 und Ziffer VII Nr. 1 bis 3) wird die Staatsregierung insoweit weiteren Optimierungsbedarf und weitere Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene prüfen. Soweit durch die Optimierung des vorgerichtlichen Hilfesystems Betreuungen vermieden werden können, wird sich dies auf die Anzahl der gerichtlich geführten Betreuungen auswirken. 10. Wie und mit welchen konkreten Maßnahmen plant die Staatsregierung den gesundheitspolitischen Herausforderungen hinsichtlich der zukünftigen demographischen Entwicklung (Überalterung der Gesellschaft) sowie der Zunahme von Suchtmittelkonsumenten bzw. der steigenden Zahl von Menschen, die an psychischen Erkrankungen neu erkranken, im Bereich der gesetzlichen Betreuung betroffener Menschen wirksam zu begegnen? In den kommenden Jahren werden dem Freistaat Sachsen bedeutende demographische Veränderungen bevorstehen. Die Altersstruktur wird sich weiter zugunsten älterer Bevöl- Seite 8 von 53 kerungsgruppen verschieben. Die deutliche Alterung der Bevölkerung in allen Landkreisen und die deutliche Zunahme der Bevölkerungsgruppe der 80-Jährigen werden sich auch erheblich auf die Entwicklung der Pflegefälle auswirken.2 a) Bereich der Altenhilfe Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz hat für den Bereich der Altenhilfe verschiedene Maßnahmen konzipiert, um der zukünftigen demographischen Entwicklung wirksam zu begegnen: aa. Alltagsbegleiter für Senioren Ziel dieses Projektes ist, betagten und hoch betagten Menschen einen längeren Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Alltagsbegleiter helfen beim Einkauf und begleiten Senioren bei Behördengängen oder Arztbesuchen, Spaziergängen, spielen Karten oder gehen gemeinsam zu einer Veranstaltung. bb. Nachbarschaftshelfer Nachbarschaftshelfer betreuen Pflegebedürftige stundenweise, sie helfen den Tagesablauf zu strukturieren und entlasten damit die Angehörigen. cc. Neufassung der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Anerkennung und Förderung von Betreuungsangeboten Eines der zentralen Anliegen der Neufassung der o. g. Verordnung ist die Sicherung der Qualität der niedrigschwelligen Angebote. Deshalb werden die Voraussetzungen, die ein Antragssteller gegenüber dem Kommunalen Sozialverband Sachsen in seinem Antrag auf Anerkennung als Betreuungsangebot nachweisen muss, künftig konkreter gefasst. dd. Nachbarschaftshilfe und niedrigschwelIige Angebote Seit dem 15. Dezember 2015 hat die Koordinierungsstelle in Chemnitz ihre Arbeit wieder aufgenommen. Zentrale Aufgabe der Koordinierungsstelle ist die Umsetzung der Projekte Alltagsbegleiter und Nachbarschaftshelfer. ee. Pflegekoordinatoren in den Landkreisen und Kreisfreien Städten 2 Vgl. Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz: Alter, Rente, Grundsicherung (ARG) Eine Studie für Sachsen, S. 12 ff. Seite 9 von 53 Der Freistaat Sachsen hat seit November 2015 damit begonnen, Pflegekoordinatoren in den Landkreisen und Kreisfreien Städten zu fördern. Die Hauptaufgabe der Pflegekoordinatoren ist die Implementierung und Weiterentwicklung der vernetzten Pflegeberatung. ff. PflegeNetz Sachsen Das Internetportal „PflegeNetz“ Sachsen ist eine Informationsquelle zum Thema Pflege älterer Menschen. Im „PflegeNetz“ Sachsen sind detaillierte Informationen, Adressen, Beratungsstellen sowie die sachsenweite Pflegedatenbank mit den Rubriken Beratung, Pflege, Wohnen und Angebote für Angehörige gespeichert. gg. Seniorengenossenschaften Das Gutachten ,,Sachsen füreinander: Seniorengenossenschaften in Sachsen - Chancen und Perspektiven" von Prof. Dr. Werner Esswein und Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen greift die Situation des prognostizierten Pflegebedarfs auf und thematisiert die Möglichkeiten durch die Stärkung der bürgerlichen Eigeninitiative. b) Gesundheits- und Pflegebereich Im Gesundheits- und Pflegebereich haben Digitale Gesundheitsdienste ein sehr großes Potenzial zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung . Sie können einen Schlüsselbeitrag leisten, um die Herausforderungen, die durch die demographische Entwicklung und die Versorgungssituation im ländlichen Raum bestehen , besser zu bewältigen, die Effizienz des Gesundheitsfürsorgesystems zu steigern, die Lebensqualität der Bürger zu verbessern und innovative Kräfte in den gesundheitsbezogenen Märkten freizusetzen. Das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz überlegt, eine Strategie zur zielgerichteten Weiterentwicklung und flächendeckenden Nutzung der digitalen Dienste im Gesundheits- und Pflegebereich zu erarbeiten. Das übergeordnete Ziel für Sachsen ist weiterhin, auch vor dem Hintergrund der demographischen Veränderungen einen flächendeckenden Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität zu gewähren. c) Psychiatrische Versorgung/Suchtfragen Epidemiologische Übersichtsarbeiten der letzten Zeit stützen die Hypothese einer Zunahme des Auftretens psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung nicht. Sie hatten vielmehr zum Ergebnis, dass in Deutschland, wie in anderen Industriestaaten des Seite 10 von 53 Westens, die Zahl der psychischen Störungen in den Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zugenommen hat. Dies trifft in besonderer Weise auf psychische Störungen zu, die aufgrund der Schwere der Erkrankung eine gesetzliche Betreuung der Betroffenen notwendig machen. Die hiervon abweichende Zunahme der Zahl von Demenzerkrankungen ist vermutlich demographisch bedingt, da es Hinweise gibt, dass die kognitiven Einschränkungen älterer Menschen eher abgenommen haben. Epidemiologische Untersuchungen, die eine Zunahme von Suchtmittelkonsumenten ausweisen , sind für Sachsen nicht bekannt. Erfasst werden die Daten der Deutschen Suchthilfestatistik , die auch die Anzahl der Klientinnen und Klienten in den sächsischen Suchtberatungs - und -behandlungsstellen zeigen. Eine Verallgemeinerung bezüglich einer Zunahme von Suchtmittelkonsumenten ist daraus nicht ableitbar. Informationen zur Zahl der Suchtmittelkonsumenten, die gesetzlich betreut werden, liegen nicht vor. Die vorgenannten niedrigschwelligen Angebote für ältere Menschen, Suchtmittelkonsumenten und psychisch Erkrankte einschließlich deren Angehörigen zielen zwar nicht in erster Linie auf die Vermeidung von Betreuungsverfahren ab, sondern verfolgen einen breiteren Ansatz, gleichwohl sind sie auch geeignet, die Anordnung einer Betreuung zu vermeiden, jedenfalls aber können mit ihnen gesetzlich Betreute, deren Betreuer sowie Angehörige entlastet und unterstützt werden. 11. Inwieweit gibt es Untersuchungen (Evaluationen) hinsichtlich der möglichen Verbesserung oder Verschlechterung der Lebenssituation der von Betreuung betroffenen Menschen als Folge der Unterstützung durch die gesetzliche Betreuung und welche diesbezüglichen Erkenntnisse gehen aus diesen hervor? Der Staatsregierung liegen derzeit insoweit keine Erkenntnisse vor. Es ist allerdings zu erwarten, dass mit Abschluss der rechtstatsächlichen Untersuchung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zum Thema „Qualität in der Betreuung“ auch Erkenntnisse über eine etwaige Verbesserung oder Verschlechterung der Lebenssituation der gesetzlich Betreuten als Folge hiervon gewonnen Seite 11 von 53 werden können. Näheres zum Gegenstand des genannten Forschungsvorhabens findet sich in der Antwort zu Frage Ziffer II Nr. 5. 12. Wie, mit welchen Mitteln und Instrumenten sowie nach welchen Vorgaben und Kriterien wird die optimale Betreuung für Menschen mit Behinderung durch die zuständigen Behörden überwacht und sichergestellt, wenngleich verbindlich festgelegte Standards dafür fehlen? Der Betreuer wird durch das Gericht, das die Betreuung angeordnet hat, überwacht (§ 1837 Abs. 1, 1908i Abs. 1 BGB). Für die Überwachung ist der Rechtspfleger zuständig. Eine effektive Überwachung ist gesetzlich wie folgt sichergestellt: • Zu Beginn einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge ist durch den Betreuer ein Vermögensverzeichnis einzureichen. • Der Betreuer hat sodann gegenüber dem Betreuungsgericht über seine Vermögensverwaltung jährlich Rechnung zu legen (§§ 1840 ff. BGB). Endet die Betreuung oder erfolgt ein Betreuerwechsel, ist eine Schlussrechnung zu erstellen (§§ 1890, 1908i Abs. 1 BGB), die an die vorherige Rechnungslegung anschließt und bis zum Ende der Betreuung reicht. Das Rechnungsjahr wird vom Betreuungsgericht bestimmt. Die Abrechnung soll eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über die Entwicklung des Vermögens Auskunft geben und mit Belegen versehen sein. Ist der Betreuer der Vater, die Mutter, der Ehegatte oder ein Abkömmling (Kind, Enkel, Urenkel usw.) des Betreuten, bestehen Erleichterungen bei der Rechnungslegungspflicht, sofern das Gericht nicht Abweichendes anordnet (§§ 1857a, 1908i Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Erstellung einer Schlussrechnung bei Beendigung der Betreuung ist aber – falls keine Entlastung durch den vormals Betreuten bzw. seine Erben erfolgt – in jedem Fall erforderlich. • Unabhängig vom übertragenen Aufgabenkreis hat der Betreuer das Betreuungsgericht mindestens einmal jährlich über die persönlichen Verhältnisse des Betreuten zu unterrichten (§§ 1840 Abs. 1, 1908i Abs. 1 BGB). Das Gericht fordert diesen Bericht durch Übersendung eines entsprechenden Formulars jährlich beim Betreuer an. • Zur Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte ist eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Beispielhaft zu nennen sind die Kündigung von Wohnraummietverhältnissen , die Einwilligung in bestimmte ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder Seite 12 von 53 Verfügungen über ein Grundstück. Fehlt die Genehmigung, ist die Erklärung grundsätzlich nicht wirksam. • Ergeben sich im Verlauf des Betreuungsverfahrens Änderungen (zum Beispiel die Notwendigkeit der Übertragung weiterer Aufgabenkreise, der Wegfall des Betreuungsbedarfs insgesamt oder für einen bestimmten Bereich oder die Notwendigkeit der Anordnung, Beschränkung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehaltes), sind diese dem Betreuungsgericht mitzuteilen (§§ 1901 Abs. 5, 1903 Abs. 4 BGB). • Auf Verlangen des Betreuungsgerichts hat der Betreuer außerdem jederzeit Auskunft über die Führung der Betreuung sowie die persönlichen Verhältnisse des Betreuten zu erteilen (§§ 1839, 1908i Abs. 1 BGB). Kommt der Betreuer Weisungen des Betreuungsgerichts nicht nach, kann er durch Zwangsgeld zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden (§§ 1837 Abs. 3, 1908i Abs. 1 BGB, § 35 FamFG). Wegen der Verletzung von Berichtspflichten und Weisungen kann das Gericht den Betreuer – je nach Gewicht des Verstoßes – auch entlassen. Weitere Überwachungsinstrumentarien ergeben sich aus dem Gesetz über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (Betreuungsbehördengesetz – BtBG). Gemäß § 4 Abs. 3 BtBG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Gesetz zur Ausführung des Betreuungsrechts (AGBtR) berät und unterstützt die (bei den Landkreisen und Kreisfreien Städten angesiedelte) örtliche Betreuungsbehörde Betreuer und Bevollmächtigte auf deren Wunsch bei der Wahrnehmung von deren Aufgaben, die Betreuer insbesondere auch bei der Erstellung des Betreuungsplans. Nach § 7 Abs. 1 BtBG kann die örtliche Betreuungsbehörde dem Betreuungsgericht Umstände mitteilen, die die Bestellung eines Betreuers oder eine andere Maßnahme in Betreuungssachen erforderlich machen, soweit dies unter Beachtung berechtigter Interessen des Betroffenen nach den Erkenntnissen der Behörde erforderlich ist, um eine erhebliche Gefahr für das Wohl des Betroffenen abzuwenden . Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AGBtR gehört es ferner zu den Aufgaben der örtlichen Betreuungsbehörden, ein ausreichendes Angebot zur Einführung der Betreuer in ihre Aufgaben und zu ihrer Fortbildung auf örtlicher Ebene sicherzustellen sowie Sorge für ein ausreichendes Angebot an Betreuern auf der örtlichen Ebene zu tragen und eine örtliche Arbeitsgemeinschaft, in der die mit Betreuungsangelegenheiten befassten Institutionen und Organisationen zur Koordinierung ihrer Arbeit mitwirken, einzurichten. Seite 13 von 53 Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 AGBtR ist zudem beim Kommunalen Sozialverband eine überörtliche Arbeitsgemeinschaft eingerichtet, in der die mit Betreuungsangelegenheiten befassten Institutionen und Organisationen zur Koordinierung ihrer Arbeit mitwirken. Mitglieder sind insbesondere Vertreter der örtlichen Betreuungsbehörden, Vertreter der Interessenverbände der Betreuer und der Betreuungsvereine, Vertreter der Landkreise und Kreisfreien Städte sowie für die Betreuungsgerichte eine Richterin und eine Rechtspflegerin . Auch das Staatsministerium der Justiz nimmt regelmäßig an den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft teil. 13. Inwieweit ist die Bestellung von ehrenamtlichen Betreuern in Vereinen oder als selbstständige Berufsbetreuer ohne „besondere Kenntnisse“, wie sie jeweils in den niedrigsten Vergütungsstufen für Betreuer (vgl. § 4 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz ) vorgesehen sind, mit den maßgeblichen Bestimmungen und Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention, des Grundgesetzes oder anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen hinsichtlich der Verwirklichung des Betreuungs- und Schutzanspruches der betreuten Menschen vereinbar? Die Staatsregierung sieht darin, dass auch Betreuer ohne „besondere Kenntnisse“ bestellt werden können, keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Nach § 1897 BGB bestellt das Betreuungsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Besondere Kenntnisse des Betreuers sind demnach nur dann erforderlich, wenn der konkrete Betreuungsfall solche Kenntnisse gebietet. Sind solche Kenntnisse nicht erforderlich, lassen auch die in der Fragestellung genannten übergeordneten Regelungen die Bestellung eines Betreuers zu, der über keine „besonderen Kenntnisse“ verfügt. Gerade nahe Angehörige werden zwar meist nicht über diejenigen Kenntnisse verfügen, über die etwa ein Berufsbetreuer in der mittleren oder höchsten Vergütungsstufe verfügt. Sie verfügen aber oft über ein Vertrauensverhältnis, das für den Betreuten oft wichtiger ist als solche Kenntnisse. Deshalb sieht auch das Bürgerliche Gesetzbuch bei der Auswahl des Betreuers vor, dass zunächst die Person als Betreuer zu bestellen ist, die der zu Betreuende als Betreuer benennt, wenn dies dem Wohl des zu Betreuenden nicht widerspricht (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Auch darauf, dass der zu Betreuende möchte, dass eine bestimmte Seite 14 von 53 Person nicht bestellt wird, ist Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB). Entsprechendes gilt, wenn der zu Betreuende vor Einleitung des Betreuungsverfahrens entsprechende Vorstellungen geäußert hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er daran nicht mehr festhalten will (§ 1897 Abs. 4 Satz 3 BGB). Schlägt der zu Betreuende keine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers gemäß § 1897 Abs. 4 BGB auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner Rücksicht zu nehmen. Vorbehaltlich der Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht das Gesetz zudem einen Vorrang des ehrenamtlichen Betreuers vor. Gemäß § 1897 Abs. 6 BGB soll eine Person, welche Betreuungen im Rahmen ihrer Berufsausübung führt, nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist. Eine fehlende Eignung kann sich daraus ergeben, dass die zur (ehrenamtlichen ) Betreuung bereite Person keine für die konkrete Betreuung hinreichenden Kenntnisse hat. Damit stellt das geltende Betreuungsrecht sicher, dass sowohl der Wille des Betroffenen soweit wie möglich berücksichtigt wird und sich zudem der Eingriff in die Rechtsposition des Betroffenen durch die Betreuung auch bei der Auswahl des Betreuers möglichst gering darstellt. Durch die gestuften Regelungen ist insbesondere sowohl grundrechtlichen Vorgaben (insbesondere aus Art. 1, 2 und 3 des Grundgesetzes) als auch den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (insbesondere Art. 12 Abs. 4 UN-BRK) hinreichend Rechnung getragen. II. Zur Situation und Lage der gerichtlich bestellten Betreuer und der Betreuungsvereine im Freistaat Sachsen 1. Wie viele Berufsbetreuer sind derzeit im Freistaat Sachsen tätig? (Bitte aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter und beruflicher Qualifikation darstellen.) Die Staatsregierung erfasst die im Freistaat Sachsen tätigen Berufsbetreuer selbst nicht statistisch. Die gerichtliche Praxis erhebt die Anzahl der Berufsbetreuer ebenfalls nicht flächendeckend bei allen Gerichten. Auch soweit hier die Zahl und Altersstruktur der Berufs-, Behörden - und Vereinsbetreuer erfasst wird, kommt diesen Daten in Bezug auf die Frage- Seite 15 von 53 stellung keine hinreichende Aussagekraft zu, denn diejenigen Betreuer, die in verschiedenen Gerichtsbezirken gleichzeitig tätig waren, werden dort in der Regel jeweils getrennt und somit folglich doppelt erfasst. Allerdings erheben die örtlichen Betreuungsbehörden im Rahmen ihrer eigenen Statistik auch die Anzahl der Berufsbetreuer, nach der im Jahr 2014 insgesamt 1.564 freiberufliche Betreuer in Sachsen tätig waren. Insoweit liegen der Staatsregierung aktuellere und detailliertere Daten nicht vor. 2. Wie stellt sich die Verteilung der gesetzlichen Betreuer in den unterschiedlichen Vergütungsgruppen nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz dar? (Bitte aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Vergütungsgruppen darstellen.) Eine Aufschlüsselung der Berufs-, Behörden- und Vereinsbetreuer in die einzelnen Vergütungsgruppen nach dem Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz (VBVG) erfolgt nicht bei allen Gerichten. In den folgenden Gerichtsbezirken wurde die Eingruppierung wie folgt erfasst: Amtsgerichte § 4 Abs. 1 VBVG 27,00 EUR § 4 Abs. 1 Nr. 1 VBVG 33,50 EUR § 4 Abs. 1 Nr. 2 VBVG 44,00 EUR Aue 2 18 30 Auerbach 12 33 43 Bautzen 16 20 30 Borna 3 11 28 Chemnitz 14 52 85 Dippoldiswalde 14 20 32 Döbeln 5 12 32 Dresden 10 29 56 Freiberg 3 8 12 Görlitz 2 10 14 Grimma 5 8 19 Hohenstein- Ernstthal 17 95 84 Hoyerswerda 5 9 10 Leipzig 15 41 102 Seite 16 von 53 Marienberg 6 17 5 Meißen 1 4 20 Pirna 9 9 13 Plauen 2 19 29 Riesa 2 9 23 Torgau 3 8 22 Weißwasser 5 11 6 Zittau 6 15 35 Zwickau 2 28 29 3. Wie viele anerkannte Betreuungsvereine gibt es derzeit in Sachsen und wie viele ehrenamtliche Betreuer sind in diesen Vereinen derzeit in Sachsen tätig? Aktuell zählt der Freistaat Sachsen 33 gemäß § 1908f BGB i.V.m. § 3 Gesetz zur Ausführung des Betreuungsrechts (AGBtR) anerkannte Betreuungsvereine. Die Angabe, wie viele ehrenamtliche Betreuer zum Betreuerstamm eines Betreuungsvereins gehören, ist nicht bekannt. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung des weiteren Vorliegens der Anerkennungsvoraussetzungen eines Betreuungsvereins wird lediglich die Anzahl der im Berichtsjahr neu gewonnenen ehrenamtlichen Betreuer erfragt. Im Berichtsjahr 2014 konnten die Betreuungsvereine insgesamt 101 ehrenamtliche Betreuer gewinnen. Fünf Betreuungsvereine erteilten hierzu keine Angaben. Erkenntnisse, ob dies auf eine fehlende Dokumentation oder auf eine fehlende Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer zurückzuführen ist, liegen nicht vor. 4. Wie viele Vereine sind derzeit aufgrund der Kürzung der Fördermittel nicht oder nur noch bedingt in der Lage, ihre Querschnittstätigkeiten hinsichtlich der Gewinnung und Anleitung ehrenamtlicher gesetzlicher Betreuer durchzuführen? Die Bemühung um eine planmäßige Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer und deren Einführung in ihre Aufgaben sowie deren Weiterbildung ist gesetzliche Pflichtaufgabe der anerkannten Betreuungsvereine gemäß § 1908f BGB und damit Voraussetzung für ihre Anerkennung. Wie bereits zu Frage 3. ausgeführt, konnte die Anerkennung bei den 33 anerkannten Betreuungsvereinen im Freistaat Sachsen entsprechend der Überprüfung Seite 17 von 53 des Berichtsjahres 2014 bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die anerkannten Betreuungsvereine ihrer Querschnittstätigkeit nachkommen. 5. Inwieweit gibt es belastbare Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Anzahl der von Berufsbetreuern geführten gesetzlichen Betreuungen und der Qualität der Betreuungstätigkeit für die betreuten Menschen? Bislang gibt es keine belastbaren und wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Anzahl der von Berufsbetreuern geführten gesetzlichen Betreuungen und der Qualität der Betreuungstätigkeit für die betreuten Menschen. Belastbare Erkenntnisse sind allein aus diesem Verhältnis auch schwer zu gewinnen, da die Qualität der Betreuungstätigkeit nicht ausschließlich auf die Anzahl der geführten Betreuungen zurückzuführen ist. Vielmehr spielten die Ausbildung/Qualifikation des Berufsbetreuers , deren Arbeitsorganisation (in Bürogemeinschaft oder Betreuungsverein, Unterstützung durch Verwaltungskraft etc.), der regionale Tätigkeitsbereich (kurze oder lange, viele oder wenige Fahrtstrecken), der tatsächliche Arbeitsumfang einer Betreuung aber auch die persönliche Belastbarkeitsgrenze sowie die Arbeitseinstellung des Betreuers (Persönlichkeit) eine wesentliche Rolle. Unter anderem vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eine rechtstatsächliche Untersuchung zum Thema „Qualität der rechtlichen Betreuung“ initiiert. Durch das Forschungsvorhaben sollen empirische Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Qualitätsstandards eingehalten werden und inwieweit gegebenenfalls strukturelle Qualitätsdefizite insbesondere in der beruflichen Betreuung bestehen und auf welche Ursache diese gegebenenfalls zurückzuführen sind. Mit der Durchführung dieses Forschungsvorhabens ist die Bietergemeinschaft bestehend aus dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (ISG) und Frau Prof. Dr. Dagmar Brosey von der Technischen Hochschule Köln beauftragt worden. Die Forschung hat am 23. November 2015 begonnen und wird 21 Monate laufen. Wie in der Ausschreibung vorgegeben, soll zunächst bis Ende Februar 2016 ein Konzept der Betreuungsqualität mit Indikatoren zur ihrer Überprüfung entwickelt werden. Diese Überprü- Seite 18 von 53 fung soll in repräsentativer Auswahl mittels konkreter Fallstudien und Fallkonstruktionen stattfinden. Die zu ermittelnden Meinungsbilder lassen sich mit Hilfe breit angelegter Befragungen der beteiligten Kreise (Betreute, Angehörige, Einrichtungsmitarbeiter, Betreuungsrichter , Rechtspfleger, Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine) ermitteln. Regionale Differenzierungskriterien (zum Beispiel Stadt/Land, West- und Ostdeutschland) werden auch Berücksichtigung finden. Parallel dazu beginnt als eigenständiger Untersuchungsschritt die quantitative Erhebung zu Zeitbudgets und Einkommensentwicklung bei Berufsbetreuer/innen. Des Weiteren soll untersucht werden, ob das bestehende Vergütungssystem die richtigen Anreize für eine gute Betreuung liefert und die Stundenansätze die Realität abbilden. Die Ergebnisse hierzu sollen spätestens Ende November 2016 in einem Zwischenbericht mitgeteilt werden. Im Frühjahr 2016 wird die Forschergemeinschaft zudem eine breit angelegte standardisierte Onlinebefragung bei selbständigen Berufsbetreuer , Betreuungsvereinen, ehrenamtlichen Betreuer, Betreuungsbehörden und - gerichten durchführen. An die quantitative Erhebung schließt sich dann eine vertiefende qualitative Untersuchung an, deren Ziel es ist, die Wahrnehmungs- und Entscheidungsabläufe von Betreuungsfällen aus der Sicht der hieran beteiligten Akteure multiperspektivisch zu erfassen und zu analysieren. Das Forschungsvorhaben soll von einem Forschungsbeirat begleitet werden. Der Beirat hat die Aufgabe, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie die Auftragnehmerin zu beraten. So soll der Beirat die Arbeit des Forscherteams insbesondere praxisnah und wissenschaftlich begleiten und ihm bei seinem methodischen Vorgehen, beispielsweise beim Zugang zu den verschiedenen Datenquellen, Unterstützung zukommen lassen. Mit den durch das Forschungsvorhaben gewonnenen Erkenntnissen und der ermittelten Qualität der Betreuungstätigkeit können dann etwaige Zusammenhänge zwischen der Anzahl der von Berufsbetreuern geführten gesetzlichen Betreuungen und deren Qualität dargestellt und analysiert werden. 6. Wie hoch ist das durchschnittliche Jahreseinkommen der gesetzlichen Betreuer in Sachsen (anhand der entsprechenden Meldungen an die örtlichen Betreuungsbehörden nach § 10 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes)? Seite 19 von 53 Hierzu liegen der Staatsregierung selbst keine belastbaren Zahlen vor. Ein aussagekräftiger statistischer Wert kann insbesondere auch nicht anhand der Meldungen nach § 10 VBVG gewonnen werden. Danach hat zwar derjenige, der Betreuungen entgeltlich führt, der Betreuungsbehörde, in deren Bezirk er seinen Sitz oder Wohnsitz hat, kalenderjährlich den von ihm für die Führung von Betreuungen im Kalenderjahr erhaltenen Geldbetrag mitzuteilen. Jedoch ist zum einen der Anteil der Meldungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VBVG gering und zum anderen der für die Führung von Betreuungen im Kalenderjahr erhaltene Geldbetrag abhängig von der Anzahl der im Kalenderjahr geführten Betreuungen, der jeweiligen Vergütungsstufe des Betreuers, dem Aufenthalt des Betreuten (Heim/außerhalb eines Heimes), der Dauer der Betreuung (vgl. §§ 4,5 VBVG) sowie der individuellen Abrechnungspraxis des Betreuers. Außerdem sind in dem Jahreswert Aufwendungen eines Betreuers, die z.B. für die Führung eines Büros, für die Beschäftigung von Verwaltungsmitarbeitern etc. entstehen, nicht berücksichtigt. Fünf örtliche Betreuungsbehörden teilten dem Kommunalen Sozialverband die errechneten Durchschnittswerte ihres Landkreises/Kreisfreien Stadt für das Jahr 2014 mit. Die Beträge bewegen sich zwischen 51.990 EUR und 60.944 EUR. 7. Inwieweit hält die Staatsregierung 10 Jahre nach der letzten Anpassung der Vergütungspauschalen die geltenden Stundensätze (27,00 Euro, 33,50 Euro bzw. 44,00 Euro) für gesetzliche Betreuer noch für auskömmlich, um die gesetzlichen Betreuungsaufgaben angesichts deutlich gestiegener fachlicher und rechtlicher Anforderungen an die Betreuung umfassend und mit hoher Qualität für die betreuten Menschen erfüllen zu können? 8. Inwieweit hält die Staatsregierung in diesem Zusammenhang die seit 10 Jahren nicht veränderten zeitlichen Kontingente für gesetzliche Betreuer pro Betreuten noch für ausreichend? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 7 und 8: Die Staatsregierung verschließt sich zwar nicht der Forderung, das Vergütungssystem für die Betreuer zu überdenken, sie verfügt derzeit aber nicht über hinreichende Erkenntnisse , um den Reformbedarf sicher bewerten zu können. Das seit dem Jahr 2005 unveränderte Vergütungssystem wird allerdings einen zentralen Gegenstand der vom BMJV in Seite 20 von 53 Auftrag gegebenen rechtstatsächlichen Untersuchung zur Qualität in der Betreuung bilden (siehe Antwort auf die Frage 5), da auch die Wirkungen des im Juli 2005 mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz eingeführten pauschalierten Vergütungssystems auf die Qualität in der Betreuung untersucht werden sollen. Erst anhand der diesbezüglichen Ergebnisse kann die Staatsregierung beurteilen, inwieweit die geltenden Stundensätze sowie die zeitlichen Kontingente einer Anpassung bedürfen. 9. Inwieweit ist die niedrigste Vergütungsstufe für berufliche Betreuung insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung des Mindestlohngesetzes seit dem 1. Januar 2015 noch rechtlich haltbar und weiterhin gerechtfertigt? Das Mindestlohngesetz gilt nur für (nichtselbstständige) Arbeitnehmer, nicht hingegen für selbstständige Beschäftigte zu denen die Berufsbetreuer zählen. Inwieweit allerdings die Vergütung auskömmlich ist, wird im Ergebnis der durch das BMJV in Auftrag gegebenen Untersuchungen des Vergütungssystems (siehe Antworten zu Fragen 5, 7 und 8) auch vor dem Hintergrund der Wertungen des Mindestlohngesetzes zu diskutieren sein. III. Vorstellungen, Ansätze, Konzepte und Vorhaben der Staatsregierung zum Umgang mit der festgestellten Situation und Lage im Bereich der gesetzlichen Betreuung 1. Mit welchen Mitteln und Maßnahmen unterstützt die Staatsregierung die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich der gesetzlichen Betreuung bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts von Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Bereich unterstützender statt ersetzender Entscheidungsfindung für den betreuten Menschen? CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag für die 6. Legislaturperiode vereinbart, einen ressortübergreifenden Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unter Beteiligung der Akteure der Behindertenhilfe und Behindertenselbsthilfe, der Ressorts und der kommunalen Spitzenverbände unter Federführung des SMS zu erstellen. In einem ersten Schritt hat die Staatsregierung mit Kabinettsbeschluss vom 2. Juni 2015 eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) unter Federführung des SMS eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe hat mittlerweile fünf Themenarbeitsgruppen gebildet. Ein Schwer- Seite 21 von 53 punkt der Arbeitsgruppe 5 „Gesellschaftliche Partizipation" ist auch die rechtliche Betreuung . Die Arbeitsgruppen haben nunmehr in einem ersten Schritt mögliche Themen und Handlungsfelder bestimmt und erste Bestandsaufnahmen und Defizitableitungen zu den jeweiligen Handlungsfeldern und Themen unter Beteiligung von ausgewählten Interessenverbänden , die an den Sitzungen der Arbeitsgruppen teilnehmen, diskutiert. Um auch jedem Bürger die Möglichkeit zu geben, sich über den Prozess der Erstellung des Aktionsplanes zu informieren und sich mit konkreten Vorschlägen einzubringen, hatte die Staatsregierung auf dem Beteiligungsportal des Freistaates Sachsen vom 6. Oktober bis zum 30. November 2015 zum Dialog eingeladen. Ferner stehen in Kapitel 08 05 Titel 547 55, Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele der Allianz Arbeit + Behinderung und der UN-Behindertenrechtskonvention, für 2016 Haushaltsmittel in Höhe von 5 Mio. EUR zur Verfügung; die Mittel sind ressortübergreifend einzusetzen . Mögliche Maßnahmen werden derzeit durch die Arbeitsgruppen im Rahmen der Erarbeitung des Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zusammengetragen und geprüft. Die Einzelheiten wird die Staatsregierung dem Sächsischen Landtag Anfang 2016 gesondert berichten. 2. Wo sieht die Staatsregierung Defizite im geltenden Betreuungsrecht hinsichtlich des möglichen Entzugs bzw. der möglichen Verweigerung von den gesetzlich betreuten Menschen zustehenden Rechten (Entrechtung)? Die Staatsregierung sieht im geltenden Recht keine grundsätzlichen Defizite. Einer „Entrechtung “ wirkt das geltende Betreuungsrecht dadurch entgegen, dass die Anordnung einer Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehaltes nur dann und nur in dem Umfang möglich ist, soweit dies erforderlich und angemessen ist. So darf insbesondere gemäß § 1896 Abs. 2 BGB ein Betreuer nur für diejenigen Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist darüber hinaus nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Inwieweit auf die bereits zur Verfügung stehenden „anderen Hilfen“ bereits umfassend zurückgegriffen wird, um Betreuungen vermeiden Seite 22 von 53 zu können, untersucht derzeit das BMJV. Diese Untersuchungen wird die Staatsregierung auch auf Landesebene nach möglichem Handlungsbedarf auswerten, sobald deren Ergebnisse vorliegen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Fragen 5 und 6 verwiesen. Bereits derzeit wird allerdings – wie zu Frage 1 ausgeführt – im Rahmen der Erarbeitung eines Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention untersucht, ob Defizite auf Landesebene festzustellen sind und welche Maßnahme gegebenenfalls zur ihrer Beseitigung erforderlich sind. Hierzu werden sowohl die Behindertenverbände als auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Ziel der Staatsregierung ist es, Defizite, die im Einzelfall zur Anordnung einer Betreuung oder damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen (etwa eines Einwilligungsvorbehalts und der Unterbringung oder Zwangsbehandlung des Betreuten) führen können, obwohl weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung stehen, im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten entgegenzuwirken. So begrüßt die Staatsregierung den Ansatz, freiheitsbeschränkende Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB durch eine intensive Prüfung pflegerischer Alternativen im Genehmigungsverfahren möglichst zu vermeiden. Entsprechend hat sich die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister bereits mit Beschluss vom 9. November 2014 in Berlin – mit der Stimme Sachsens – positioniert. Bereits auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 9. November 2011 hatte Sachsen, gemeinsam mit den anderen Ländern, den Bericht des nordrhein-westfälischen Justizministers zur zwischenzeitlichen Verbreitung und Wirkung fixierungsvermeidender Strategien, die in der Fachöffentlichkeit anhand der Projekte „Werdenfelser Weg“ und „ReduFix“ diskutiert werden, begrüßt. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat den sich in der Pflege und Justiz zunehmend abzeichnenden Bewusstseinswandel unterstützt und beschloss dafür einzutreten, freiheitsbeschränkende Maßnahmen gemäß § 1906 Abs. 4 BGB zum Wohle und zur Erhaltung der Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen auf ein unumgängliches Maß zu reduzieren . Die Staatsregierung hat dabei allerdings zu beachten, dass die Frage, ob eine bestimmte Maßnahme durch ein Gericht anzuordnen oder zu genehmigen ist und ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, der Entscheidung durch die, verfassungsrechtlich garantiert , unabhängigen Gerichte unterliegt. In diese Unabhängigkeit kann und wird die Staatsregierung nicht eingreifen. Dementsprechend hat sich Sachsen auf der Konferenz Seite 23 von 53 der Justizministerinnen und Justizminister am 9. November 2014 zur Frage, ob zur Förderung dieser Entwicklung spezifische, erforderlichenfalls auch länderübergreifende Fortbildungsangebote für die Richterschaft bereitzustellen sowie Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches zu bieten sind, enthalten. Mit Rücksichtnahme auf die sachliche Unabhängigkeit der Richter kann nämlich das Fortbildungsprogramm für Richter und Staatsanwälte in inhaltlicher Hinsicht nur sehr geringen Vorgaben seitens der Justizverwaltung unterliegen . Daher kann die richterliche Fortbildung nur zurückhaltend zur Propagierung gleich welcher und gleich wie sinnvoller Inhalte oder Handlungskonzepte genutzt werden, zumal hier die zu Grunde liegenden Fragen in der Richterschaft durchaus kontrovers diskutiert werden. Unabhängig davon werden in Sachsen allerdings Fortbildungen bereits bedarfsgerecht angeboten. Sofern seitens der Richterschaft ein Fortbildungsbedarf zu einem Thema angemeldet wird, wird ein entsprechendes, möglichst die gesamte Palette des Themenbereichs umfassendes Fortbildungsprogramm zusammengestellt. 3. Inwieweit teilt die Staatsregierung bisher diskutierte Alternativen für die Schaffung neuer Formen der gesetzlichen Betreuung beispielsweise in Gestalt der „Geeigneten Stellen“, wie sie von dem Bundesverband der Berufsbetreuer (BdB e.V.) vorgeschlagen sind, bzw. beabsichtigt sie diese umzusetzen? 4. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen wird die Staatsregierung eine entsprechende Bundesinitiative zur Schaffung und Umsetzung der „Geeigneten Stellen “ im Betreuungsrecht selbst initiieren oder unterstützen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Die von dem Bundesverband der Berufsbetreuer vorgeschlagene und diskutierte Alternative in Gestalt der „Geeigneten Stellen“ soll ein Unterstützungsmanagement für Menschen mit Behinderungen bieten. Die geeigneten Stellen, die behördlich anerkannte Vereine, Betreuer/innen und Betreuungsbüros sein können, sollen die Kompetenz haben, Betreuungen anzuregen und zu führen sowie Unterstützungsleistungen als eigene Sozialleistung mit entsprechenden Regelungen für einen gesetzlichen Anspruch auf die Leistung zu erbringen . Seite 24 von 53 Dieser Vorschlag wurde von der Staatsregierung zur Kenntnis genommen, allerdings noch nicht abschließend bewertet. Auch in diesem Zusammenhang bleiben die Ergebnisse des vom BMJV in Auftrag gegebenen Forschungsvorhabens zum Thema „Qualität der rechtlichen Betreuung“ abzuwarten. Erst anhand der empirisch gewonnenen Erkenntnisse kann eine abschließende Bewertung, auch durch die Staatsregierung, vorgenommen werden. Die Frage, wie die Staatsregierung sich zu einer etwaigen Einrichtung "Geeigneter Stellen " im Bundesrat positionieren wird, hängt vom Inhalt eines konkreten Regelungsvorschlages der Bundesregierung und den Ergebnissen der vom BMJV in Auftrag gegebenen Untersuchungen ab. Erst wenn die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen, kann sich die Staatregierung entscheiden, ob eigene Initiativen geboten sind oder wie sich zu eventuellen Initiativen anderer Bundesländer zu positionieren sein wird. 5. In welchen Bereichen und bei welchen Rechtsnormen sieht die Staatsregierung derzeit einen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf bei der Anpassung und Änderung des aktuellen Betreuungsrechts? 6. Inwieweit erachtet die Staatsregierung angesichts der bestehenden komplexen Problemlagen eine generelle Reform des Betreuungsrechts für erforderlich und welche diesbezüglichen Maßnahmen beabsichtigt die Staatsregierung bzw. werden von ihr unterstützt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 5 und 6: Die Staatsregierung hat nicht nur hinsichtlich des Forschungsvorhaben des BMJV „Qualität der rechtlichen Betreuung“ (hierzu siehe Ziffer II Nr. 5), sondern auch im Hinblick auf das weitere Forschungsvorhaben des BMJV zur Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen“ unter besonderer Berücksichtigung des am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde die Prüfung zurückgestellt, inwieweit zum jetzigen Zeitpunkt ein konkreter gesetzgeberischer Handlungsbedarf und gegebenenfalls weitere Maßnahmen erforderlich sind. Nach dem in § 1896 Abs. 2 BGB verankerten Erforderlichkeitsgrundsatz scheidet eine Betreuerbestellung aus „soweit die Angele- Seite 25 von 53 genheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten (…) oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können“. Der Begriff der „anderen Hilfen“ umfasst sämtliche individuell zugängliche soziale Ressourcen der Betroffenen und ist nicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern beschränkt. Somit sind Fälle denkbar, in denen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen die Betreuung erübrigen oder zumindest einschränken kann. Daher sollen die örtlichen Betreuungsbehörden gemäß § 4 BtBG bereits im Vorfeld eines Betreuungsverfahrens bei Anhaltspunkten für einen Betreuungsbedarf der betroffenen Person „andere Hilfen“ vermitteln und mit den zuständigen Sozialleistungsträgern zusammen arbeiten. Der im Rahmen der gerichtlichen Anhörung von den örtlichen Betreuungsbehörden zu erstattende Bericht soll insbesondere zur Erforderlichkeit der Betreuung einschließlich geeigneter „anderer Hilfen“ Stellung nehmen. Das Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde, welches zum 1. Juli 2014 in Kraft getreten ist, soll die Kompetenz und Einflussmöglichkeiten dieser Behörden stärken, um an der Schnittstelle zwischen Betreuungsrecht und dem Recht der sozialen Hilfeleistungen dem Erforderlichkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Bislang gab es noch keine wissenschaftliche fundierte Untersuchung sowohl über den Umfang potentiell betreuungsvermeidender „anderer Hilfen“ und Unterstützungen und deren praktische Nutzbarkeit seitens der Betroffenen als auch über die entsprechenden Erkenntnismöglichkeiten der Betreuungsbehörden. Mit dem Forschungsvorhaben sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche "anderen Hilfen" zur Vermeidung und Begrenzung von Betreuungen grundsätzlich geeignet sind und ob den Betreuungsbehörden insoweit die entsprechenden Informationen unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Bedarfe der Betroffenen und der konkreten Möglichkeiten vor Ort andererseits in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Die Vergabe des Forschungsauftrags an die IGES Institut GmbH Berlin ist erfolgt. Die Forschung hat am 1. Dezember 2015 begonnen und soll 21 Monate laufen. In einem ersten Schritt soll bis Ende März 2016 eine Bestandsaufnahme der derzeitigen potentiell betreuungsvermeidenden „anderen Hilfen“ insbesondere aus dem sozialrechtlichen Bereich erstellt werden. In einem zweiten Schritt wird untersucht werden, ob und inwieweit diese Hilfen insbesondere nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde von diesen tatsächlich vermittelt oder dem Betreuungsgericht zur Kenntnis gebracht werden. Die Auftragnehmerin wird hierzu auf der Basis von repräsenta- Seite 26 von 53 tiven standardisierten Befragungen von Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichten sowie von im Rahmen der Befragung generierten standardisierten Falldokumentationen an 30 nach regionalen Kriterien ausgewählten Standorten gezielte Vertiefungsstudien durchführen. Schließlich sollen in einem dritten Schritt Vorschläge und Ansätze für weitere mögliche Maßnahmen zur effektiveren Nutzung „anderer Hilfen“ im Betreuungsverfahren erarbeitet werden. Auch dieses Forschungsvorhaben wird von einem Forschungsbeirat begleitet. Soweit sich allerdings ein dringender Regelungsbedarf ergibt, wird die Staatsregierung auch außerhalb der genannten Forschungsvorhaben auf entsprechende (Neu-)Regelungen hinwirken. So hat Sachsen den Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 12. November 2015 unterstützt. Dort wurde festgestellt, dass die geltende Rechtslage, wonach eine Einwilligung des Betreuers in die notwendige medizinische Zwangsbehandlung eines Betreuten nur dann genehmigt werden kann, wenn der Betreute sich in einer geschlossenen Unterbringung befindet, in verschiedenen Fallgestaltungen zu erheblichen Unzuträglichkeiten für den Betreuten und letztlich auch zu Rechtsunsicherheiten bei den damit befassten Gerichten führen kann. Sie hat daher das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, zu prüfen, ob und inwieweit eine Rechtsgrundlage für eine ambulante ärztliche Zwangsbehandlung zumindest in bestimmten Fallgestaltungen geschaffen werden muss. IV. Die betreuten Personen 1. In welcher Weise und mit welchen Maßnahmen hat die Staatsregierung vorgesehen , die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung im geltenden Betreuungsrecht mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten weiter zu stärken und auszubauen? 2. Welche Alternativen zur gesetzlichen Betreuung bzw. der Vermeidung von gesetzlicher Betreuung bei akutem Unterstützungsbedarf sieht die Staatsregierung? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Seite 27 von 53 Ein wichtiges Instrumentarium, das geeignet ist, die Anordnung von Betreuungen zu vermeiden , sieht die Staatsregierung in der Möglichkeit des Bürgers, eine Vorsorgevollmacht zu errichten. Damit kann jeder frühzeitig – d. h. weit vor dem Eintritt des Betreuungsfal les – bestimmen, wer für ihn die Entscheidungen treffen soll, wenn er hierzu auf Grund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage ist und welche Vorgaben der so Bevollmächtigte dabei zu beachten haben wird. Soweit sich nach Abschluss des Forschungsvorhabens des BMJV zur Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis Hemmnisse, die sich aus einer möglicherweise unzureichenden Verzahnung von sozialrechtlichen Hilfeinstrumentarien und der rechtlichen Betreuung ergeben, nachweisen lassen, wird die Staatsregierung die entsprechenden Maßnahmen, sofern sie in ihrer Zuständigkeit liegen, ergreifen . Ergänzend wird auf die Antwort zu der Frage Ziffer III Nr. 1, 2, 5 und 6 verwiesen. 3. Welche wesentlichen Gründe führen im Freistaat Sachsen in der Regel zur Bestellung eines gesetzlichen Betreuers? 4. Welche diesbezüglichen Veränderungen gab es seit dem Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes im Jahre 1992? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Die Voraussetzungen für die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung sind in § 1896 BGB benannt. Die gesundheitlichen Gründe bestehen im Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen, seelischen und/oder körperlichen Behinderung. Mit Wirkung vom 1. Juli 2005 wurde der § 1896 Abs. 1a BGB eingefügt, wonach gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden darf. Formelle Gründe ergeben sich durch die fehlende Einrichtung einer Vorsorgevollmacht oder nicht ausreichenden oder nicht geeigneten anderen sozialen Hilfen. Eine statistische Erhebung zu den gesundheitlichen Ursachen wird durch die örtlichen Betreuungsbehörden zwar vorgenommen, diese aber der Staatsregierung weder mitge- Seite 28 von 53 teilt noch von ihr ausgewertet. Die Statistik hat auch keine hinreichende Aussagekraft. Einerseits ist eine eindeutige Zuordnung zu den betreuungsverursachenden gesundheitlichen Gründen aufgrund von teilweise nicht eindeutigen Angaben im richterlichen Beschluss nur schwer möglich, andererseits fehlt es an einheitlichen Standards zur Eingruppierung /Klassifizierung verschiedener Krankheiten (z. B. Demenz, Schlaganfall). Dementsprechend können auch Veränderungen statistisch nicht valide abgebildet werden. Aufgrund der richterlichen Erfahrungen lässt sich jedoch feststellen, dass hauptsächlich Demenzerkrankungen , psychische Erkrankungen und akut auftretende schwere Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, Herzinfarkt, Unfall) zu Betreuerbestellungen führen. Aus der betreuungsbehördlichen Praxis wird zudem berichtet, dass die psychischen Erkrankungen sowie die Komplexität der Betreuungsfälle stetig zunehmen. Dies führt dazu, dass sich der Umfang der übertragenen Aufgabenkreise für den Betreuer häufig erweitert und sich die Betreuungsfälle immer häufiger als ungeeignet für das Ehrenamt erweisen. 5. Wie viele Betreute werden in häuslicher und wie viele in stationären bzw. betreuten Einrichtungen durch gesetzliche Betreuer betreut? Laut der Jahresstatistik der örtlichen Betreuungsbehörden der 13 Landkreise und Kreisfreien Städte wurden 3.419 Personen stationär und 12.205 Personen außerhalb einer stationären Einrichtung im Sinne von § 5 Abs. 3 Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz (VBVG) zum Stichtag 31. Dezember 2014 gesetzlich betreut. 6. Wie hoch ist der derzeitige durchschnittliche zeitliche Aufwand der gesetzlichen Betreuer in den bestehenden drei Vergütungsgruppen des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes ? Hierzu liegen der Staatsregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Der dem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand ist auch nicht von dessen Vergütungseinstufung, sondern von der Dauer der Betreuung, dem gewöhnlichen Aufenthalt und der Mittellosigkeit des Betreuten gemäß § 5 VBVG abhängig. 7. Welche Mittel wurden im Freistaat Sachsen in den Jahren 2005, 2010 und 2014 für die Einrichtung und den Ausbau von gegenüber der gesetzlichen Betreuung vorrangigen und spezifischen Hilfen und Betreuungen (z. B. Schuldnerberatungen, Seite 29 von 53 Drogenberatungen) bereitgestellt? (Bitte jeweils aufgeschlüsselt für die Haushaltsjahre 2005, 2010 und 2014 angeben.) Der Freistaat Sachsen fördert gemäß Abschnitt D der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Förderung der sozialen Arbeit vom 21. Dezember 2005 die Tätigkeit ehrenamtlich arbeitender Selbsthilfegruppen. Im Jahr 2005 wurden 244.034 EUR; 2010 insgesamt 140.000 EUR und 2014 wiederum 195.574 EUR bewilligt. Nach Maßgabe der Richtlinie Psychiatrie und Suchthilfe fördert der Freistaat Sachsen den Erhalt der gemeindepsychiatrischen Versorgungssysteme der Landkreise und Kreisfreien Städte durch Bezuschussung der Personal- und Sachkosten für die Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi), Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen (KOBS) sowie Suchtberatungs - und -behandlungsstellen (SBB). Bereitgestellt wurden Fördermittel wie folgt: SpDi und KOBS Mittelabfluss in Mio. EUR SBB Mittelabfluss in Mio. EUR 2005 3,803 3,561 2010 3,681 3,111 2014 3,497 3,998 Die Schuldnerberatungsstellen im Freistaat Sachsen werden durch die Landkreise und Kreisfreien Städte gefördert. Inwieweit bei der Erfassung der privaten Situation der Schuldner eine Differenzierung im o. g. Sinne stattfindet und ob sich dies auf die kommunale Finanzierung der Beratungsstelle auswirkt, ist nicht bekannt. Folgende Mittel wurden durch die Landkreise und Kreisfreien Städte für die Tätigkeit gemeinnütziger Vereine auf dem Gebiet der allgemeinen sozialen Schuldnerberatung nach SGB XII und SGB II bereitgestellt: Jahr Summe in Euro 2005 2.297.010 2010 4.011.762 2014 3.820.328 Seite 30 von 53 8. Beabsichtigt oder plant die Staatsregierung - ähnlich wie im Bundesland Thüringen - eine Broschüre „Betreuungsrecht in einfacher Sprache“ zur einfachen Erklärung des Themenkomplexes der gesetzlichen Betreuung in Sachsen zu erarbeiten und zu veröffentlichen? 9. Wenn nein: Warum wird die Erarbeitung und Veröffentlichung einer in Frage 8 näher bezeichneten Publikation nicht verfolgt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 8 und 9: Derzeit ist die Veröffentlichung einer Broschüre zum Themenkomplex der gesetzlichen Betreuung in einfacher Sprache nicht beabsichtigt. Diese Frage war bereits Gegenstand einer Diskussion in der Landesarbeitsgemeinschaft für Betreuungsangelegenheiten des Freistaates Sachsen. Ein entsprechender Handlungsbedarf konnte derzeit nicht festgestellt werden. Sofern sich zukünftig ein solcher ergibt, wird die Frage der Notwendigkeit einer solchen Broschüre neu bewertet. Das Staatsministerium der Justiz informiert die Bürger allerdings bereits seit vielen Jahren mit der Broschüre „Betreuung und Fürsorge“ über die Möglichkeiten Vorsorge zu treffen. Die Broschüre wird von den Bürgern sehr stark nachgefragt und ist im Herbst mit einer Auflage von 100.000 Stück neu erschienen. Die hohe Verbreitung dieser Broschüre lässt den Schluss zu, dass sie den Erwartungen der Bürger entspricht. 10. In welchen Bereichen des Betreuungsrechtes sieht die Staatsregierung die akute Gefahr, dass betreute Menschen unterschiedlichen Formen der Entmündigung ausgesetzt sind? Die Staatsregierung sieht keine grundsätzliche und konkrete Gefahr, dass betreute Menschen über das erforderliche und angemessene Maß hinaus in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antwort zu Frage Ziffer III Nr. 2 verwiesen. Seite 31 von 53 11. Mit welchen Maßnahmen ist eine dringend notwendige Entlastung der gesetzlichen Betreuer, die derzeit vermehrt selbst Auskunft- und Beratungsleistungen bezüglich möglicher Leistungsansprüche aus den Sozialgesetzen übernehmen müssen , durch eine deutliche Stärkung der Beratungspflicht der zuständigen Ämter, Behörden und anderen (Sozial-)Leistungsträgern zeitnah umzusetzen? Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und inwieweit eine Entlastung der gesetzlichen Betreuer in Bezug auf etwaige Auskunfts- und Beratungsleistungen hinsichtlich möglicher Leistungsansprüche aus den Sozialgesetzen geboten ist. Die Sozialleistungsträger haben gegenüber den Bürgern umfassende Aufklärungs-, Auskunftsund Beratungspflichten, die in den §§ 13 bis 15 SGB I geregelt sind. Darüber hinaus finden sich weitere Regelungen in den §§ 29ff. SGB III, § 93 SGB IV, § 17 Abs. 1 SGB VII, § 7 SGB XI, § 22 Abs. 1 SGB IX, § 109a SGB VI, § 11 SGB XII. 12. Inwieweit gibt es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsweise der Jobcenter in Sachsen und der gestiegenen Anzahl der Fallzahlen im Betreuungswesen? Der Staatsregierung liegen hierzu weder Erkenntnisse noch Auswertungsmöglichkeiten vor. Es wird kein Zusammenhang zwischen der Arbeitsweise der Jobcenter in Sachsen und der Zunahme von Betreuungsfällen gesehen. 13. Welche Erkenntnisse und welche konkreten Zahlen zum Abbau ambulanter Hilfen bei kommunalen Trägern liegen der Staatsregierung vor? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. 14. Inwieweit ist der Staatsregierung bekannt bzw. welche Studien und Erhebungen liegen der Staatsregierung dazu vor, wie gesetzlich betreute Menschen selbst die Form der Hilfen hinsichtlich der erhaltenden Unterstützungsleistungen oder einer möglichen Bevormundung bewerten und zu welchen Ergebnissen sie kommen? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Seite 32 von 53 V. Die gesetzlichen Betreuer 1. Auf welche Art und Weise soll die berufliche Qualifikation der gesetzlichen Betreuer abgesichert werden, um fachliche Standards im Betreuungswesen zu erhalten und zu verbessern? 2. Hält die Staatsregierung die Einführung eines vom Bundesverband der Berufsbetreuer vorgeschlagenen Qualitätsregisters für gesetzliche Betreuung/Betreuer für ein geeignetes Mittel, um die Qualität der Tätigkeit der gesetzlichen Betreuer für alle Beteiligten transparent zu machen und welche diesbezüglichen Schritte hat sie bereits eingeleitet? 3. Wenn nein: Welche Maßnahmen könnten nach Einschätzung der Staatsregierung zu einer Verbesserung der Qualität in der Arbeit gesetzlicher Betreuer führen? 4. Welche der genannten Maßnahmen würden konkret von der Staatsregierung unterstützt ? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 4: Derzeit plant die Staatsregierung keine konkreten Maßnahmen zur Absicherung der beruflichen Qualifikation der gesetzlichen Betreuer. Inwieweit die Einführung eines vom Bundesverband der Berufsbetreuer vorgeschlagenen Qualitätsregisters für Betreuer erforderlich ist, hat die Staatsregierung nicht abschließend bewertet. Auch in diesem Zusammenhang bleiben die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zum Thema „Qualität der rechtlichen Betreuung“ abzuwarten, da in dessen Rahmen auch der Frage nachgegangen wird, auf welchem Wege in einem standardisierten Verfahren die Qualität der Betreuung gesichert wird oder gesichert werden könnte. Sollte sich daraus ein entsprechender gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergeben, wird die Staatsregierung diesen bewerten und – soweit erforderlich – zum Ausgangspunkt eigener Initiativen machen. Seite 33 von 53 5. An welchen sächsischen Fort- und Weiterbildungseinrichtungen bestehen für berufliche Betreuer Möglichkeiten zur beruflichen Qualifizierung? Die Universitäten im Freistaat Sachsen bieten für berufliche Betreuer keine Möglichkeiten zur beruflichen Qualifizierung an. Bei den Fachhochschulen bietet die Hochschule Mittweida mit dem Studiengang Bachelor Soziale Arbeit Möglichkeiten zur beruflichen Qualifikation an, insbesondere im berufsbegleitenden Studiengang, aber auch vereinzelt im Direktstudium . Die Hochschule Zittau/Görlitz bietet Studiengänge an, deren Absolventen besonders geeignet sind, als berufliche Betreuer tätig zu werden. Es handelt sich um die Studiengänge Bachelor Soziale Arbeit, Bachelor Heilpädagogik/lnclusion Studies und Master Soziale Gerontologie. Die Evangelische Hochschule Dresden bietet die Studiengänge Bachelor und Master Soziale Arbeit an, davon den Studiengang Bachelor Soziale Arbeit auch berufsbegleitend . 6. Welche Maßnahmen zur psychischen Entlastung gesetzlicher Betreuer werden derzeit in Sachsen umgesetzt oder sind beabsichtigt und geplant? Konkrete Maßnahmen zur psychischen Entlastung gesetzlicher Betreuer sind derzeit weder umgesetzt noch beabsichtigt und geplant. 7. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen den gesetzlichen Betreuern mit den lokalen Amtsgerichten und den Betreuungsbehörden insgesamt und flächendeckend verbessert werden? Der Bundesgesetzgeber hat bereits mit dem Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde vom 1. Juli 2014 vorgesehen, dass im Betreuungsverfahren die Betreuungsbehörde – anders als bisher – grundsätzlich obligatorisch anzuhören ist. Durch diese obligatorische Anhörung unmittelbar nach Einleitung des Verfahrens wird die Fachkompetenz der Betreuungsbehörde in jedem Verfahren vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nutzbar gemacht. Zudem soll sie in ihrem obligatorischen Bericht insbesondere zur Erforderlichkeit der Betreuung einschließlich geeigneter „anderer Hilfen“ Stellung nehmen (Sozialbericht, § 279 FamFG). Damit kommt Seite 34 von 53 den Betreuungsbehörden an der Schnittstelle zwischen Betreuungsrecht und dem Recht der sozialen Hilfeleistungen eine besondere Bedeutung zur Vermeidung einer Verfahrenseinleitung oder zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung zu. Mit dem rechtstatsächlichen Forschungsvorhaben des BMJV zur Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen“ unter besonderer Berücksichtigung des am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde soll nun die Wirksamkeit des Gesetzes erfasst und ggf. Grenzen und Hemmnisse benannt werden (siehe Antwort zu Frage Ziffer III Nr. 5 und 6). VI. Die Betreuungsvereine 1. Wie viele anerkannte Betreuungsvereine sind seit dem Jahre 1992 im Freistaat Sachsen tätig (Bitte in der zeitlichen Entwicklung seit 1992 in Jahresscheiben darstellen )? Anerkennung seit Anzahl BTV 1992 1 1993 19 1994 5 1995-2012 6 2013 1 2014 1 Ein (weiterer) Betreuungsverein war lediglich im Zeitraum von Juni 2011 – Oktober 2012 anerkannt. 2. Wie ist die Finanzierung der anerkannten Betreuungsvereine für den Bereich der Querschnittsarbeit durch den Freistaat Sachsen derzeit geregelt? Die Förderung ist – nachdem die Zuständigkeit vom Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz zum 1. Januar 2015 auf das Staatministerium der Justiz übergegangen war – in der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Förderung von Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine vom 29. Oktober 2015 (SächsABl. S. 1574) neu geregelt worden. Wegen der Einzelheiten der (Neu-)Reglungen wird auf die Antwort zu Fragen 8 bis 10 verwiesen. Seite 35 von 53 3. Wie viele Betreuungsvereine beantragten und erhielten die für diese bereitgestellten Fördermittel in welcher Höhe in den Jahren 2005, 2010 und 2014? (Bitte aufgeschlüsselt für die Haushaltsjahre 2005, 2010 und 2014 darstellen)? 4. Wie hoch ist der jeweilige Anteil der von den Betreuungsvereinen nicht beantragten bzw. abgerufenen Fördermittel in den Jahren 2005, 2010 und 2014 und welche wesentlichen Gründe für die Nichtinanspruchnahme dieser Fördermittel liegen vor? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: HHJ 2005 HHJ 2010 HHJ 2014 Anzahl Anträge 29 19 16 (7 Antragsrücknahmen 1 Antragsablehnung ) Anzahl Bewilligungen 29 19 8 Gesamtzuwendung (Freistaat Sachsen) 399.989,00 EUR 189.991,26 EUR 57.141,00 EUR Höhe Fördertitel 400.000,00 EUR 190.000,00 EUR 217.000,00 EUR Der Rückgang des Abrufs der Fördermittel dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Förderung der Querschnittsarbeit gemäß der Förderrichtlinie vom 15. September 2010 (in der Fassung vom 17. Juni 2013) des Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz mit höheren Zuwendungsvoraussetzungen und Bedingungen, die an den Erhalt der Förderung verbunden war. Dies wurde durch die Betreuungsvereine als in keinem angemessenen Verhältnis zu der Höhe der möglichen Zuwendung stehend angesehen . Die Staatsregierung hat die Kritik überwiegend aufgegriffen und das – mittlerweile zuständige – Staatsministerium der Justiz eine neue Förderrichtlinie erlassen, die zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist (wegen der Einzelheiten wird auf die Antwort zu den Fragen 8 bis 10 verwiesen). Seite 36 von 53 5. In welcher Art und Weise stellt sich die Finanzierung bzw. Förderung der Querschnittsarbeit in den Betreuungsvereinen durch den Freistaat Sachsen hinsichtlich der Höhe, Fördervoraussetzungen und Fördervorgaben im Vergleich zu anderen Bundesländern dar? Die Staatsregierung erhebt weder kontinuierlich die aktuellen Daten aus anderen Bundesländern noch wertet sie diese fortlaufend aus und kann daraus resultierend aktuelle, eigene Erkenntnisse nicht mitteilen. 6. Welche Maßnahmen sieht die Staatsregierung als geeignet an, um die fehlende Präsenz von Betreuungsvereinen in der Fläche (es gibt offenkundig in erheblicher Anzahl und Größenordnungen in den ländlichen Räumen des Freistaates Sachsen Gebiete, in denen keine Betreuungsvereine existieren) und die damit nicht sichergestellte gesetzliche Betreuung in diesen unterversorgten Gebieten zu kompensieren ? 7. Inwieweit kann mit dem Instrument der Beauftragung von geeigneten Betreuungsbüros dieses Defizit ausgleichen werden und wie ist die diesbezügliche Finanzierung geplant? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 6 und 7: Die Betreuungsvereine im Freistaat Sachsen verteilen sich wie folgt: Seite 37 von 53 Daraus ergibt sich eine relativ gleichmäßige Verteilung der Betreuungsvereine über die Fläche des Freistaates Sachsen. Insbesondere verfügt jeder Landkreis und jede Kreisfreie Stadt über mindestens einen anerkannten Betreuungsverein. Inwieweit mit dem Instrument der Beauftragung von „geeigneten Betreuungsbüros“ ggf. Defizite ausgleichen werden können und wie diese ggf. zu finanzieren wären, hat die Staatsregierung bisher nicht bewertet. 8. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung hinsichtlich der vom Sächsischen Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2014 empfohlenen Ergebnisqualität (siehe Jahresbericht 2014 „Ausgaben für die rechtliche Betreuung“, Pkt. 2.4. Zuwendungen an Betreuungsvereine, Abschn. 25) getroffen bzw. eingeleitet und inwieweit sind Maßnahmen geeignet und ausreichend zur Sicherstellung einer hohen Ergebnisqualität bei der gesetzlichen Betreuung? 9. Welche Gründe standen bzw. stehen dem Ergreifen von in Frage 8 näher bezeichneten Maßnahmen entgegen und wie beabsichtigt die Staatsregierung diese Hindernisse in diesem Fall zeitnah zu beseitigen? 10. Wie ist der derzeitige Stand der Umsetzung der neuen Förderrichtlinie für die Betreuungsvereine im Freistaat Sachsen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 8 bis 10: Nachdem zum 1. Januar 2015 die Zuständigkeit für die Förderung der Betreuungsvereine auf das Staatsministerium der Justiz übergegangen ist, wurde die bisherige Förderrichtlinie mit dem Ziel überarbeitet, die Betreuungsvereine effektiver zu fördern. Hierzu wurden – wie etwa auch durch den Rechnungshof angeregt – Zugangsvoraussetzungen so ausgestaltet , dass deutlich mehr Betreuungsvereine die Förderung beantragen können und so die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auch zur Wahrnehmung von Querschnittsaufgaben abgerufen werden. Die neue Richtlinie vom 29. Oktober 2015 (SächsABl. 47/2015 vom 19. November 2015) ist zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Im Einzelnen sind folgende inhaltliche Änderungen vorgenommen worden: Seite 38 von 53 Ziffer IV.1 (Anforderungen an die Qualifikation des Mitarbeiters) Die Fachkraft muss nunmehr mit einem Arbeitskraftanteil von mindestens 35 % für die Wahrnehmung der Querschnittsaufgaben tatsächlich zur Verfügung stehen und hat auch eigene Betreuungen zu führen. Ursprünglich wurde im Entwurf der Richtlinie von einem Arbeitskraftanteil von mindestens 50 % ausgegangen, um eine auch in personeller Hinsicht , hinreichend kontinuierliche Querschnittsarbeit gewährleisten zu können. Von den Betreuungsvereinen wurde im Rahmen der Anhörung deutlich gemacht, dass eine Vollzeitstelle , die zu 50 % mit Querschnittsarbeit betraut werden müsse, auch nach Neugestaltung der Förderrichtlinie durch die Mehrzahl der Betreuungsvereine nicht finanziert werden könne. Auch wäre eine weitergehende Förderung nur dann möglich, wenn mehr Haushaltsmittel, als dies mit 300.000 EUR jährlich derzeit der Fall ist, zur Verfügung stünden . Die Anforderungen an die Qualifikation der Fachkraft werden hinsichtlich der geforderten zweijährigen Betreuertätigkeit auf eine einjährige Betreuertätigkeit reduziert, und ein fehlendes Fachhochschulstudium kann durch praktische Erfahrung als Betreuer ausgeglichen werden. Ziffer IV.2 (kommunale Kofinanzierung) Der kommunale Förderanteil soll zukünftig zur staatlichen Förderung hinzukommen. Ziffer IV.7 (Öffnungszeiten) Öffnungszeiten von mehr als zehn Stunden pro Woche werden nicht mehr verlangt. Ziffer IV.9 (zusätzliche Anforderungen für die Grundförderung) Weitere Voraussetzung für die Förderung ist, dass der Betreuungsverein ehrenamtliche Betreuer, die insgesamt mindestens 25 namentlich nachzuweisende ehrenamtliche Betreuungen führen, laufend begleiten muss, wobei keine Beschränkung auf das außerfamiliäre Umfeld erfolgt. Ziffer V.4 (Förderhöhe) Im Rahmen der Grundförderung bleiben nach wie vor die Personal- und Sachkosten förderfähig , wobei die Unterscheidung zwischen Personal- und Sachkosten aufgehoben wird und die Grundförderung nunmehr einheitlich 6.500 EUR betragen soll. Die Zuwendung für Seite 39 von 53 die Gewinnung einer ehrenamtlichen Betreuung außerhalb des familiären Umfelds wird auf 350 EUR (max. 3.500 EUR) reduziert, wobei allerdings nunmehr auch die Übernahme einer weiteren Betreuung durch einen bereits gewonnenen ehrenamtlichen Betreuer ausreicht . Die Definition des „familiären Umfeldes" wurde neu gefasst. Dazu gehören Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel, Ehegatten, Lebenspartner und Geschwister sowie Personen, die mit dem Betreuten in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Insoweit wurde auch der Inhalt der nach Ziffer VI Nr. 3 abzugebenden Erklärung entsprechend erweitert, um die Prüfung dieser Fördervoraussetzung besser zu ermöglichen. Weiterhin soll der Betreuungsverein für die Beratung und Begleitung einer bestehenden ehrenamtlichen Betreuung für jede weitere über die Grundförderung hinausgehende Betreuung eine sog. Begleitungsprämie in Höhe von 100 EUR (max. 1.000 EUR) erhalten. Die Betreuungsvereine können den Antrag auf Gewährung einer Zuwendung bis spätestens drei Monate vor Beginn der Maßnahme bei dem Kommunalen Sozialverband Sachsen , abweichend hiervon für bis zum 31. Januar 2016 beginnende Maßnahmen spätestens sechs Wochen nach Veröffentlichung der Richtlinie stellen. 11. In welcher Höhe und mit welchem Anteil beteiligen sich die Landkreise, Kreisfreien Städte und Gemeinden in Sachsen mit ihren kommunalen Haushaltsmitteln an der Arbeit der Betreuungsvereine bzw. fördern und unterstützen diese? Die Landkreise, Kreisfreien Städte und Gemeinden beteiligen sich über das in der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 29. Oktober 2015 zur Förderung von Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine normierte Erfordernis der kommunalen Kofinanzierung durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Kommunalen Sozialverband und den Landkreisen und Kreisfreien Städten, wonach seit dem Jahr 2015 der kommunale Anteil durch den Kommunalen Sozialverband erbracht wird, der seinerseits durch eine entsprechende Umlage refinanziert wird. Demnach wird aus den kommunalen Haushalten ein Betrag erbracht, der 10 % des staatlichen Förderanteils entsprechen muss. Ob und in welchem Umfang die Landkreise, Kreisfreien Städte und Gemeinden in Sachsen darüber hinaus mit ihren kommunalen Haushaltsmitteln die Arbeit der Betreuungsver- Seite 40 von 53 eine unterstützen, obliegt deren kommunaler Selbstverwaltung und wird von der Staatsregierung nicht fortlaufend erhoben. 12. In welcher Weise und mit welchen finanziellen Mitteln sollen die notwendigen Personalstellen der Betreuungsvereine zur Absicherung und Umsetzung der Querschnittsarbeit finanziert werden? Anerkannte Betreuungsvereine arbeiten gemeinnützig und ohne Gewinnstreben. Zum einen finanzieren sich Betreuungsvereine über die Vergütungs- und Aufwandserstattungen der geführten Betreuungen, zum anderen über die Zuweisung öffentlicher Mittel sowie Spenden. 13. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, um den Betreuungsvereinen einen einfachen und unbürokratischen Zugang zu den Fördermitteln zu gewährleisten ? Mit der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 29. Oktober 2015 zur Förderung von Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine wird den Betreuungsvereinen bereits ein – einem rechtstaatlichen Verfahren entsprechender – Zugang zu Fördermitteln des Freistaates Sachsen ermöglicht. Auf einen weiteren Zugang zu kommunalen Haushaltsmitteln hat die Staatsregierung wegen der kommunalen Selbstverwaltung keinen Einfluss. 14. Inwieweit wird und kann bei der Umsetzung der neuen Förderrichtlinie auf erfolgreich praktizierte Fördermodelle anderer Bundesländer zurückgegriffen werden, wie beispielsweise das Modell der Förderrichtlinie aus Schleswig-Holstein, um im Interesse einer langfristigen Perspektive für die durch die ehrenamtlichen Betreuungsvereine zu leistende Betreuungsarbeit den Fördermittelzugang für Vereine deutlich zu vereinfachen? Das Staatsministerium der Justiz hat die Neuregelungen der Förderung der Betreuungsvereine an den hier gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgerichtet. Deshalb hat das Staatsministerium der Justiz im Ergebnis von Gesprächen mit den Betreuungsvereinen, Seite 41 von 53 dem Kommunalen Sozialverband und der durch den Rechnungshof im Jahresbericht 2014 (Band I Punkt 12) geäußerten Kritik die Förderkriterien so angepasst, dass besser gewährleistet sein dürfte, dass der durch den Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellte Betrag in Höhe von 300.000 EUR von den Betreuungsvereinen tatsächlich abgerufen wird und dennoch gewährleistet ist, dass das Geld tatsächlich auch in die Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine fließt. Mit dem Modell einer Projektförderung, wie es das Land Schleswig-Holstein eingeführt hat, wird regelmäßig die Vorstellung verbunden, dass eine vollständige Übernahme der Kosten durch die öffentliche Hand erfolgt. Aber auch mit diesem Modell lässt sich aber nicht prognostizieren, wie viele Vereine dann tatsächlich Förderung beantragen und den mit einer projektbezogenen Förderung verbundenen administrativen Aufwand auf sich nehmen. Zudem ziehen solche Fördermodelle einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand nach sich. VII. Schlussfolgerungen für den weiteren strukturellen, personellen, finanziellen, sächlichen und auch gesetzgeberischen Handlungsbedarf 1. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich des geltenden Betreuungsrechts bzw. der gesetzlichen Betreuung in Sachsen? 2. Welche konkreten Maßnahmen werden hierzu durch die Staatsregierung auf Landes - und auf Bundesebene ergriffen? 3. Inwieweit werden dabei durch die Staatsregierung die entsprechenden Fach- und Betroffenenverbände in diesen Umsetzungsprozess einbezogen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 3: Wie bereits zu Ziffer III Nr. 1 ausgeführt, haben CDU und SPD im Koalitionsvertrag für die 6. Legislaturperiode vereinbart, einen ressortübergreifenden Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unter Beteiligung der Akteure der Behindertenhilfe und Behindertenselbsthilfe, der Ressorts und der kommunalen Spitzenverbände unter Seite 42 von 53 Federführung des Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz zu erstellen. In einem ersten Schritt hat die Staatsregierung mit Kabinettsbeschluss vom 2. Juni 2015 eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) unter Federführung des Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe hat mittlerweile fünf Themenarbeitsgruppen, in denen in der AG 5 (Gesellschaftliche Partizipation) unter anderem auch die rechtliche Betreuung thematisiert wird, konstituiert. Die Arbeitsgruppen haben in einem ersten Schritt mögliche Themen und Handlungsfelder bestimmt. Derzeit werden die Bestandsaufnahmen und Defizitableitungen zu den jeweiligen Handlungsfeldern und Themen unter Beteiligung von ausgewählten Interessenverbänden, die an den Sitzungen der Arbeitsgruppen teilnehmen, diskutiert. Etwaige konkrete Maßnahmen werden derzeit erarbeitet und in einen ressortübergreifenden Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufgenommen. Dabei hatte auch jeder Bürger die Möglichkeit , sich zu informieren und in den Prozess der Erstellung des Aktionsplanes mit konkreten Vorschlägen einzubringen, indem die Staatsregierung auf dem Beteiligungsportal des Freistaates Sachsen vom 6. Oktober bis zum 30. November 2015 zum Dialog einlud. Die Einzelheiten wird die Staatsregierung dem Sächsischen Landtag Anfang 2016 gesondert berichten. 4. Was unternimmt die Staatsregierung gegen den Fachkräftemangel im Bereich der gesetzlichen Betreuung und speziell zur gezielten Gewinnung qualifizierter Betreuer in ländlichen Regionen? Die überörtliche Betreuungsbehörde führt für jedes Kalenderjahr eine Bedarfserhebung nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 AGBtR bei den örtlichen Betreuungsbehörden anhand eines Formblattes durch. Im Ergebnis für 2014 zeigt sich ein ausreichendes Angebot an Berufsbetreuern . Ein Fachkräftemangel wird seitens der örtlichen Betreuungsbehörden im Bereich der gesetzlichen Betreuung nicht gesehen. 5. Wie sieht die Staatsregierung die Zukunftsperspektiven des gesetzlichen Betreuungswesens und welche Maßnahmen zu dessen gezielter Förderung und Entwicklung werden von ihr ergriffen? Ob und in welchem Umfang das Betreuungsrecht in Deutschland einer Reformierung bedarf und wie sich demzufolge die Zukunftsperspektiven des Betreuungswesens konkret Seite 43 von 53 gestalten, kann erst mit der Auswertung der Ergebnisse der Forschungsvorhaben des BMJV zu „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ und zur Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen“ unter besonderer Berücksichtigung des am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde abschließend bewertet werden. In die sich ergebende Diskussion der Forschungsergebnisse und den sich daran gegebenenfalls anschließenden Gestaltungsprozess wird sich die Staatsregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit aktiv einbringen. Bereits jetzt hat die Staatsregierung als Maßnahme die bisherige Förderrichtlinie zur Förderung der Betreuungsvereine im Freistaat Sachsen mit dem Ziel überarbeitet, die Betreuungsvereine noch effektiver zu fördern. Des Weiteren ist Sachsen Mitglied in der Länderarbeitsgruppe „Strukturelle Änderungen im Betreuungswesen - Möglichkeiten und Grenzen“, bei der die Fragen der Möglichkeit und Notwendigkeit struktureller Änderungen im Betreuungswesen gemeinsam mit den anderen Bundesländern erörtert werden. 6. Mit welchen Maßnahmen und Mitteln setzt sich die Staatsregierung für eine deutliche Änderung der Vergütungssätze und Multiplikatoren nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (letztmalige Anpassung im Jahr 2005) ein, um die zwischenzeitlich eingetretene erhebliche Diskrepanz zwischen tatsächlichem Betreuungsaufwand und dem möglichen Vergütungsanspruch resultierend aus den zunehmend schwierigeren Lebenslagen von Betreuten sowie deren immer komplexer werdenden Problemlagen auszugleichen? 7. Inwieweit unterstützt die Staatsregierung die abschließende Forderung aus dem „Positionspapier des Kasseler Forums vom 28.01.2015“ zur Anpassung des Stundensatzes in der höchsten Vergütungsstufe auf mindestens 54,00 Euro? 8. Welche Positionen vertritt die Staatsregierung im Bundesrat bei einer möglichen Abstimmung zur Erhöhung der Stundensätze sowie der Änderungen der Pauschalsätze ? Seite 44 von 53 9. Welche eigenen Vorstellungen verfolgt die Staatsregierung hinsichtlich einer grundlegenden Änderung des Vormünder- und Berufsbetreuervergütungsgesetz und welche Positionen nimmt sie zu diesbezüglichen Änderungen und Initiativen anderer Bundesländer ein? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 7 bis 9: Die Staatsregierung verschließt sich zwar nicht der Forderung, das Vergütungssystem für die Betreuer zu überdenken. Allerdings wird es ohne eine eingehendere Untersuchung des tatsächlichen Arbeitsaufwandes der Betreuer und der Kostenstruktur schwer möglich sein, die konkret erforderlichen Maßnahmen für die bisherigen pauschalen Zeitkontingente und die Höhe der Stundensätze abzuschätzen. Das wird schon dadurch deutlich, dass seitens des Bundesverbandes der Berufsbetreuer e.V. in einem ersten Schritt die Erhöhung der Vergütungspauschale in der höchsten Stufe auf einen Stundensatz von mindestens 50,00 EUR gefordert wird, währenddessen in dem Positionspapier des Kasseler Forums vom 28. Januar 2015 von 54,00 EUR ausgegangen wird. Deshalb unterstützt die Staatsregierung die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) geplante rechtstatsächliche Untersuchung zur Qualität in der Betreuung, in der auch das seit dem Jahr 2005 unveränderte Vergütungssystem einen zentralen Gegenstand bilden wird. Zudem soll hier erstmals der Zusammenhang zwischen der Qualität der Betreuung und der Vergütung untersucht werden. Zwar verzögert sich durch das in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben eine Reformierung des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes , gleichwohl ist die Studie unerlässlich, weil nur so sichergestellt werden kann, dass eine Anpassung der Vergütung auch tatsächlich den praktischen Bedürfnissen, insbesondere denen der Betreuer, gerecht wird. Die Frage, wie die Staatsregierung sich zu einer Erhöhung der Stundensätze und Pauschalsätze im Bundesrat positionieren wird, hängt vom Inhalt eines konkreten Regelungsvorschlages der Bundesregierung und den Ergebnissen der vom BMJV in Auftrag gegebenen Untersuchungen ab. Erst wenn die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen, kann sich die Staatregierung entscheiden, ob eigene Initiativen geboten sind oder wie sich zu eventuellen Initiativen des Bundes oder anderer Bundesländer zu positionieren sein wird. Seite 45 von 53 10. Inwieweit hält die Staatsregierung eine Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen für gesetzliche Betreuer bzw. für deren Bestellung für erforderlich, um sicherzustellen , dass Menschen mit Unterstützungsbedarf von dementsprechend fachlich und sozial kompetenten sowie zuverlässigen Personen in ihren Angelegenheiten in verlässlicher Weise betreut werden? Ob eine Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen für gesetzliche Betreuer bzw. für deren Bestellung tatsächlich erforderlich ist, hat die Staatsregierung nicht abschließend bewertet. Wie zu Ziffer I Nr. 13 ausgeführt, gebieten jedenfalls höherrangige Rechtsgrundsätze eine Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen nicht. Auch in diesem Zusammenhang bleiben die Ergebnisse des vom BMJV in Auftrag gegebenen Forschungsvorhabens zum Thema „Qualität der rechtlichen Betreuung“ abzuwarten. Erst anhand der empirisch gewonnenen Erkenntnisse kann eine abschließende Bewertung, auch durch die Staatsregierung, vorgenommen werden. Ergänzend wird auch auf die Ausführungen zu den Frage 12 und 13 verwiesen. 11. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zum fachlichen Qualifikationsniveau der gesetzlichen Betreuer in Sachsen? Ehrenamtliche Betreuer werden in der Regel kaum Kenntnisse oder Erfahrungen im Betreuungsrecht oder auf anderen Rechtsgebieten haben. Sie werden auch nicht aufgrund ihres fachlichen Qualifikationsniveaus, sondern aufgrund ihrer persönlichen Vertrautheit mit dem Betreuten und seiner Lebenssituation bestellt. Das Qualifikationsniveau der Berufsbetreuer umfasst allerdings alle drei Vergütungsstufen im Sinne des § 4 VBVG. Nach Erkenntnissen des Kommunalen Sozialverbandes wird bei der Mehrzahl der Berufsbetreuer das fachliche Niveau als sehr gut eingeschätzt. Sie verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung und/oder ein abgeschlossenes Studium sowie weitere erworbene Kenntnisse aus dem betreuungsrechtlichen Bereich. Das fachliche Qualifikationsniveau der Vereins- und Berufsbetreuer hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Insbesondere Vereinsbetreuer unterliegen auf Grund der Regelung des § 1908 f Abs. 1 Nr. 1 BGB einer kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung. Bei eingehenden Bewerbungen für eine Tätigkeit als Berufsbetreuer erfolgt durch die örtlichen Betreuungsbehörden eine ausführliche Prüfung. Hierbei werden neben dem Bedarf an Be- Seite 46 von 53 rufsbetreuern in der Region auch die nachgewiesenen Qualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen des Bewerbers berücksichtigt. Hierzu dienen die „Empfehlungen für Betreuungsbehörden bei der Betreuerauswahl - Anforderungen an rechtliche Betreuer und Aufgaben der überörtlichen und örtlichen Betreuungsbehörden bei der Betreuerauswahl (Stand: 31. Januar 2013)“, erarbeitet durch die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die regelmäßig als Orientierungshilfe verwendet werden. 12. Welche Gründe stehen einer Qualifikation und Professionalisierung der Tätigkeit gesetzlicher Betreuer auf Hochschulniveau bzw. mit entsprechendem Abschluss entgegen? 13. Was spricht aus Sicht der Staatsregierung für eine Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen hin zu einer Selbstkontrolle der beruflichen Betreuung in Form eines eigenständigen Kammersystems? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 12 und 13: Inwieweit eine Qualifikation und Professionalisierung der gesetzlichen Betreuer auf Hochschulniveau sinnvoll ist oder ob dem Gründe entgegenstehen, hat die Staatsregierung noch nicht abschließend bewertet. Gleiches gilt für eine Einführung eines eigenständigen Kammersystems in Folge einer Regelung des Berufszugangs. Zum einen bleiben auch hier die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zum Thema „Qualität der rechtlichen Betreuung “ abzuwarten, das auch die Untersuchung etwaiger Qualitätsdefizit insbesondere in der beruflichen, aber auch ehrenamtlichen Betreuung zum Gegenstand hat. Auf der anderen Seite gibt die Vorschrift des § 1897 BGB, die in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt, den gesetzlichen Rahmen vor: Nach § 1897 BGB bestellt das Betreuungsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Die "Eignung" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung auch im Beschwerdeverfahren unterliegt. Der Betreuer ist dann geeignet, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen, wenn er die dazu notwendigen intellektuellen und emotionalen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt und einsetzen kann und bereit ist, sich in dem erforderlichen Umfang fortbilden und beraten zu Seite 47 von 53 lassen, um der übertragenen Aufgabe gewachsen zu sein. Aus diesem vom Gesetz vorgegebenen Rahmen ergibt sich nicht, dass ein Betreuer eine Qualifikation auf Hochschulniveau oder einem ähnlichen Niveau aufweisen muss. Sofern sich allerdings aus den Ergebnissen des Forschungsvorhabens ein konkreter gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergeben sollte, wird die Staatsregierung eine abschließende Bewertung vornehmen. 14. In den vergangenen Jahren haben mehrere Berufsbetreuer eine Rückstufung ihrer Vergütungsansprüche erfahren müssen, da ihre Berufsabschlüsse von den Amtsgerichten nicht mehr anerkannt wurden. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird den Berufsbetreuern/Berufsinhabern die erforderliche Rechtssicherheit hinsichtlich der unveränderten Anerkennung ihrer heutigen Berufsabschlüsse und der damit zusammenhängenden Vergütungsfragen zukünftig geboten und gewährleistet ? Aus Sicht der Staatsregierung sind durch die Rückstufungen der letzten Jahre keine konkreten Maßnahmen geboten. Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde: a) Stellung und Vergütung des Betreuers sind im Bundesrecht geregelt. Danach hängt die Vergütung der Berufsbetreuer von ihrer beruflichen Qualifikation ab. Mit dem am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde erstmals in § 1 Berufsvormündervergütungsgesetz (BVormVG) eine Unterscheidung in drei Vergütungsstufen eingeführt. Nach der Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) beträgt der niedrigste Stundensatz derzeit 27 EUR. Verfügt der Betreuer über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse, erhöht sich der Stundensatz auf 33,50 EUR, wenn die Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind, sowie auf 44 EUR, wenn die Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. Dieser bundesrechtliche Rahmen kann nur durch den Bundesgesetzgeber geregelt und dementsprechend auch nur von diesem verändert werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird insoweit – wie bereits zu Fragen 7 bis 9 ausgeführt – innerhalb eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens untersuchen, ob die Vergütung der Betreuer nach dem VBVG noch auskömmlich ist. Seite 48 von 53 b) Eine gesetzliche Verankerung von Vertrauensschutzgesichtspunkten ist derzeit ebenfalls nicht geboten. Der Gesichtspunkt des Vertrauens auf eine einmal gewährte Vergütung wird durch die Gerichte im Rahmen des Einzelfalls geprüft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann einer Rückforderung überzahlter Betreuervergütung der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn eine Abwägung ergibt, dass dem Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage der Vorrang einzuräumen ist (für die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: BGH, Beschluss vom 18. Februar 2015 – XII ZB 563/14). Eine darüber hinausgehende pauschale Festlegung, nach Anwendung einer bestimmten Vergütungsstufe in einem konkreten Einzelfall müsse dies auch künftig so geschehen, selbst wenn nun feststeht, dass das Recht bisher falsch angewandt worden ist, ist nicht zu rechtfertigen. Wollte man generell Bestandsschutz gewähren, würde dies eine bewusste Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen (gegen § 4 Abs. 1 VBVG verstoßenden) Zustandes – ggfs. über Jahrzehnte – bedeuten. Eine Regelung, nach der sich eine rechtswidrige Vergütungspraxis stets auch auf andere (künftige) Entscheidungen auswirkt, erscheint vor allem mit Blick auf selbstzahlende Betreute ausgeschlossen. Diesen ist es nicht zumutbar, eine höhere als die nach dem Gesetz geschuldete Vergütung zu zahlen, nur weil ein Gericht den Betreuer vor Jahren in einem anderen Verfahren gesetzeswidrig „zu hoch eingestuft“ hat. Die Frage, ob und in welchem Umfang Vertrauensschutz zu gewähren ist, kann daher sinnvoll nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Die Gerichte sind in diesem Sinne – wie ausgeführt – bereits nach dem geltenden Recht verpflichtet, von den Betreuern vorgetragene Vertrauensschutzgesichtspunkte bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Betroffene können die Bewertung dieser Gesichtspunkte durch das Gericht von den Instanzgerichten und ggfs. auch vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. c) Zudem hatte der Freistaat Sachsen dem Vertrauen der Betreuer auch landesrechtlich insoweit Rechnung getragen, als er – anders als eine Reihe anderer Bundesländer – Seite 49 von 53 nach § 2 BVormVG in den Jahren 1999 bis 2004 den bereits tätigen Betreuern die Möglichkeit eröffnet hat, ergänzende Prüfungen abzulegen. Nachprüfungen haben nunmehr jedoch, 16 Jahre nach der Umstellung des Vergütungssystems, keine Rechtfertigung mehr. Ständige Nachprüfungen führen zu Parallelstrukturen neben dem Vergütungssystem des § 4 VBVG und höhlen dieses aus. Zudem war die Situation im Jahr 1999 eine andere als heute: Damals war das Ausbildungsangebot im Bereich des Betreuungsrechts mit dem heute bestehenden nicht vergleichbar. Mit der Nachprüfungsmöglichkeit ging es nicht nur darum, den bisherigen Betreuern eine Übergangsmöglichkeit einzuräumen, sondern überhaupt für qualifizierte Bewerber zu sorgen. Im Übrigen haben jedenfalls diejenigen, welche die möglichen Nachprüfungen damals nicht wahrgenommen haben, letztlich eine Unsicherheit in Kauf genommen . Die Eröffnung einer (nochmaligen) Nachprüfungsmöglichkeit wäre zudem mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Auch in allen anderen Bundesländern finden längst keine Prüfungen von Betreuern und Vormündern mehr statt. Zudem gibt es andere Möglichkeiten, auch nebenberuflich die erforderliche Qualifikation nachzuholen . So gibt es Hochschulen, die es nebenberuflich ermöglichen, etwa einen Bachelor -Grad (insbesondere in Sozialer Arbeit) zu erwerben, der auch die erforderlichen Kenntnisse für die rechtliche Betreuung vermittelt. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Frage Ziffer V. Nr. 5 verwiesen. 15. Nach den der Fragestellerin vorliegenden Erkenntnissen besteht seit Langem in verschiedenen sächsischen Amtsgerichten im Bereich des Betreuungsrechts eine massive Überlastungssituation aller damit befassten Personen (Richter, Rechtspfleger , Justizangestellte). Wie stellt sich derzeitig die personelle Situation der sächsischen Amtsgerichte im Bereich des Betreuungsrechtes (Betreuungsgerichte) in Sachsen dar? Die pauschal geschilderte Überlastungssituation kann anhand der personellen Ausstattung der sächsischen Amtsgerichte weder für die Vergangenheit noch für die Gegenwart nachvollzogen werden. Die Berechnung des Personalbedarfs der Justizbehörden erfolgt nach dem bundeseinheitlichen System PEBB§Y. Die Gegenüberstellung der auf diese Weise ermittelten Personalbedarfswerte und der Personalverwendungszahlen ergibt zum Stichtag 31. Juli 2015, dass den Amtsgerichten in den Laufbahngruppen des höheren Dienstes, des gehobenen Dienstes sowie des mittleren und Schreibdienstes insgesamt Seite 50 von 53 eine noch ausreichende Personalausstattung zur Verfügung stand. Die die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigende Verteilung des zur Verfügung stehenden Personals obliegt den jeweiligen Gerichtsverwaltungen bzw. -präsidien. Ungeachtet des Umstands, dass in einigen Gerichten – z.T. lediglich in einzelnen Laufbahngruppen – die Menge des für Betreuungssachen eingesetzten Personals hinter dem rechnerisch ermittelten Personalbedarf zurückbleibt, wird davon ausgegangen, dass es sich hierbei gleichwohl um eine aufgrund der örtlichen Gegebenheiten begründete Abweichung und letztlich um einen ausreichenden Personaleinsatz handelt. 16. Inwieweit ist es mittel- und langfristig geplant weitere Personalstellen in den Amtsgerichten speziell in den Sozial- und Betreuungsgerichten zu schaffen? Über die Schaffung zusätzlicher Stellen entscheidet nicht die Staatsregierung, sondern allein der Sächsische Landtag als Haushaltsgesetzgeber durch Ausweisung entsprechender Stellen im Haushaltsplan. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Sächsische Staatsministerium der Justiz auf die gerichtsinterne Organisation, soweit der Bereich der Rechtsprechung betroffen ist, keinen Einfluss hat. Die Verteilung der Richterdienstgeschäfte und damit auch die Entscheidung, ob ein dem Gericht zugewiesener Richter in Betreuungssachen eingesetzt wird, obliegt allein dem Präsidium des Gerichts als eigenständigem Organ richterlicher Selbstverwaltung. 17. Über welche konkreten Konzepte verfügt die Staatsregierung bezüglich der perspektivischen Entwicklung des Betreuungswesens in Sachsen, besonders unter Berücksichtigung der Stärkung des Assistenzgedankens von Menschen mit Beeinträchtigungen sowie der Förderung niederschwelliger Beratungsangebote zur Vermeidung von gesetzlicher Betreuung? Die Staatsregierung verfügt derzeit über keine konkreten Konzepte in dem vorgenannten thematischen Zusammenhang. 18. Inwieweit bestehen Konzepte zur Stärkung offener Beratungsangebote, wie beispielsweise Schuldner-, Drogen- sowie Krisen- und Konfliktberatungsstellen, um auf diesem Wege den auf Grund der komplexer gewordenen Lebensrealitäten be- Seite 51 von 53 einträchtigten und von staatlichen Unterstützungsleistungen abhängigen Menschen niederschwellige Hilfsangebote zukommen zu lassen bzw. anzubieten? Die in kommunaler Verantwortung stehenden gemeindepsychiatrischen Versorgungssysteme (gemeindepsychiatrische Verbunde), die u. a. die Sozialpsychiatrischen Dienste, Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen, Suchtberatungs- und Behandlungsstellen sowie niedrigschwellige Kontaktangebote für Suchtkranke in den sächsischen Landkreisen /Kreisfreien Städten umfassen, stellen sich mit der Entwicklung neuer Konzepte auf Veränderungen ein. Die Staatsregierung unterstützt diese mit Förderung in angemessener Weise. 19. Inwieweit beabsichtigt die Staatsregierung eine Initiative zur Änderung des Wahlrechts von Menschen mit Behinderung zur Auflösung weiterhin bestehender, im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention stehender rechtlicher Einschränkungen für Menschen mit Behinderungen? Welchen diesbezüglichen Maßnahmen werden hierzu von der Staatsregierung auf Landes- und auf Bundesebene ergriffen? Die wahlrechtlichen Regelungen stehen nicht in Widerspruch zu der UN- Behindertenrechtskonvention. Die wahlrechtlichen Regelungen, welche den Ausschluss des Wahlrechts für bestimmte Personenkreise vorsehen (§ 6 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Europawahlgesetz , § 13 Nr. 2 und 3 Bundeswahlgesetz, § 12 Nr. 2 und 3 Sächsisches Wahlgesetz , § 16 Abs. 2 Nr. 2 Sächsische Gemeindeordnung), sind allgemein und betreffen nicht speziell Menschen mit Behinderungen. Da die Ausübung des Wahlrechts ein höchstpersönliches Recht ist (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Europawahlgesetz, § 14 Abs. 4 Bundeswahlgesetz , § 13 Abs. 4 Sächsisches Wahlgesetz, § 3 Abs. 4 Kommunalwahlgesetz), zielen diese wahlrechtlichen Ausschlussgründe vielmehr darauf ab, die Eigenverantwortlichkeit der politischen Entscheidung sicherzustellen. An einer Wahl soll nur teilnehmen können , wer uneingeschränkt die Fähigkeit zu bewusster und reflektierter Wahlentscheidung besitzt sowie rechtlich selbstständig handlungsfähig ist (vgl. Behl, Sächsisches Wahlgesetz und Landeswahlordnung, Kommentar, Rdnr. 2 zu § 12). Soweit Menschen mit Behinderungen ihr Wahlrecht eigenverantwortlich ausüben können, ist ihnen die Teilhabe an der politischen Willensbildung rechtlich uneingeschränkt möglich. Seite 52 von 53 Die von der Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Auftrag gegebene Studie, in der die tatsächliche Situation behinderter Menschen bei der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts untersucht und Handlungsempfehlungen für eine verbesserte Partizipation von Menschen mit Behinderungen entwickelt werden sollen, wird von der Staatsregierung allerdings unterstützt . Soweit die Ergebnisse dieser Bundesstudie vorliegen, werden diese Ausgangspunkt dafür sein, die wahlrechtlichen Bestimmungen auf bundes-, landes- und kommunalrechtlicher Ebene zu überprüfen. 20. Welche gemeinsamen europäischen Strategien zur Vereinheitlichung des Betreuungsrechts in seinen Grundzügen werden derzeit in der Europäischen Union angestrebt, um auf diesem Wege Menschen mit Behinderungen in ganz Europa die gleichen Möglichkeiten der Selbstbestimmung einerseits und gesetzlich garantierter Unterstützung andererseits zu ermöglichen? Es gibt aktuell keine gesamteuropäischen Bestrebungen zur Vereinheitlichung der rechtlichen Betreuung. Insbesondere plant die Generaldirektion Justiz und Verbraucher keine Vereinheitlichung des Betreuungsrechts in den Mitgliedsstaaten. Das Europäischen Parlaments hat am 18. Dezember 2008 allerdings eine Entschließung mit Empfehlungen an die Kommission zum Rechtsschutz von Erwachsenen: grenzübergreifende Auswirkungen (2008/2123(INI)) gefasst (http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/?uri=CELEX:52008IP0638). Das Ziel des Übereinkommens, dem Deutschland beigetreten ist, besteht in der gegenseitigen Anerkennung von Betreuungsverfahren und klärt die Zuständigkeit der Gerichte. Demnach ist das Gericht des EU-Staates bzw. Aufenthaltsortes zuständig, in dem der betroffene EU-Bürger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; es kommt das Betreuungsgesetz des jeweiligen Staates zur Anwendung. In der Entschließung wurde die Kommission aufgefordert, ihm, sobald ausreichende Erfahrungen bezüglich der Funktionalität des Haager Übereinkommens gesammelt wurden, auf der Grundlage von Artikel 65 des EG-Vertrags einen Legislativvorschlag zu unterbreiten, mit dem die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gestärkt sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über den Schutz von Erwachsenen , von Vollmachten bei Geschäftsunfähigkeit sowie eines dauerhaften Betreuungsrechts („Lasting Powers of Attorney“) verbessert werden sollen. Das Europäische Parla- STAATSMINISTERIUM I Freistaat DER rusflz I SACHSEN ment hat bisher von der Kommission allerdings stets die Antwort erhalten, dass die wenigen Mitgliedsstaaten, die dem Übereinkommen angehören, sehr wenige Fälle haben und die Kommission praktisch über keine Daten verfügt und daher derzeit nicht in der Position ist, einen gesetzgeberischen Vorschlag zu machen. Die Kommission verabschiedete allerdings am 15. November 2010 die ,,Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020: Erneueftes Engagement für ein barrierefreies Europa" (KOM(2010) 636 endg.). http://eur-lex.europa.eu/leqal- ; Zusammenfassung auf Homepage des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen: sionid=F440905CCF2144C489D84855657 ), Sie soll sicherstellen, dass die Zielvorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in der gesamten EU umgesetzt werden und die Belange von Menschen mit Behinderungen in allen relevanten Politikbereichen, in denen die europäische Ebene zuständig ist, berücksichtigt werden. Die Strategie legt den Schwerpunkt auf die Beseitigung von Barrieren. Die Kommission hat hiezu acht wesentliche Aktionsbereiche festgelegt: Zugänglichkeit, Teilhabe , Gleichstellung, Beschäftigung, allgemeine und berufliche Bildung, sozialer Schutz, Gesundheit und Maßnahmen im Außenbereich. 21. Welche eigenen lnitiativen wird die Staatsregierung mit dieser Zielstellung gegenüber dem Bund, im Bundesrat und in den entsprechenden EU-Gremien ergreifen ? Dezeit beabsichtigt die Staatsregierung - insbesondere vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen Forschungsvorhaben des BMJV zur Qualität in der rechtlichen Betreuung und dem Erforderlichkeitsgrundsatz - nicht, eigene lnitiativen zu ergreifen. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 53 von 53 2016-01-27T08:49:29+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes