STAATSTVmSJISTERlUTVI des mmm Freistaat |P SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 33-0141.50/8428423 Dresden 4 Dezember 2014 Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Jähnigen, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/333 Thema: Äußerungen des Innenministers in Bezug auf Vorschlag einer Sondereinheit für straffällige Asylbewerber Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Innenminister Markus Ulbig plant die Einrichtung von Sondereinheiten für straffällige Asylbewerber. Am 24. November 2014 äußerte er sich in der Dresdner Morgenpost dazu: ,Es darf nicht sein, dass einer, der kein Recht auf Asyl hat und dann noch schwer straffällig geworden ist, durch das Zusammentreffen von Strafprozessordnung und Ausländerrecht am Ende mit einer Art Bleiberecht belohnt wird.1“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit bewirkt das Zusammentreffen von Strafprozessordnung (StPO) und Ausländerrecht „eine Art Bleiberecht“? (Ich bitte um ausführliche rechtliche Erläuterungen.) Frage 2: Inwieweit ist das „Zusammentreffen“ Folge welcher gesetzlichen Regelungen bzw. eines (welchen konkreten) Vollzugsdefizits? Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck-Str. 2 oder 4 melden. 5TAATS1VI11N1STEK11J1VI des mmm Freistaat SACH SEIN Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Straffällig gewordene vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer dürfen nur dann abgeschoben werden, wenn die Staatsanwaltschaft dazu ihr Einvernehmen erteilt hat (§ 72 Abs. 4 AufenthG). Hintergrund hierfür ist, dass der Staatsanwaltschaft als Herrin des Strafverfahrens die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs obliegt. Die Staatsanwaltschaft trifft eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse und der behördlichen Entscheidung über die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Führt die Abwägung zu dem Ergebnis, dass das Strafverfolgungsinteresse höher zu bewerten ist, verweigert sie ihr Einvernehmen zur Abschiebung und leitet ein Ermittlungsverfahren ein (§§ 152 Abs.2, 160, 163 StPO). Bei Mehrfachtätern oder Fällen schwerer Kriminalität führt die Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs regelmäßig dazu, dass die vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer sich weiterhin in Sachsen aufhalten und damit im Ergebnis „eine Art von Bleiberecht“ erhalten, das aber nicht als Bleiberecht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen ist. Es handelt sich dabei nicht um ein Vollzugsdefizit, sondern um die Umsetzung gesetzlicher Regelungen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen ein generelles Einvernehmen zur Ausweisung und Abschiebung von Asylbewerbern für Fallgestaltungen erteilt hat, in denen grundsätzlich kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Dies betrifft Bagatelldelikte (einfacher Diebstahl, Betrug und Erschleichen von Leistungen, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Beleidigung) sowie erfahrungsgemäß häufig begangene aufenthaltsrechtliche Delikte (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1a AufenthG, § 9 Freizügig-keitsG/EU). Was sind „schwer straffällige“ Straftaten, wie viele wurden davon in den letzten drei Jahren nach Kenntnis der Ermittlungsbehörden von Asylbewerbern begangen und wie viele wurden verurteilt bzw. welche Verfahren laufen noch? (Ich bitte um Auflistung gesondert nach den einzelnen Straftatbeständen und nach dem Stand der Verfahren.) Frage 4: In welchem Verhältnis steht im gleichen Zeitraum (Ziff. 4) die Zahl „schwer straffälliger“ Straftaten von Nicht-Asylbewerbern (einschl. ihrer Verurteilung)? (Ich bitte um Auflistung zum Vergleich nach den Kriterien von Frage 3.) Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Als Mehrfach-/!ntensivtäter im Sinne der Vorbemerkung der Fragestellerin gelten Asylbewerber, die innerhalb eines Jahres mehr als fünf Mal als Tatverdächtige in Erscheinung getreten sind (ohne Berücksichtigung ausländerrechtlicher Verstöße). Frage 3: Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Anzahl der aufgeklärten Fälle tatverdächtiger Asylbewerber mit mehr als fünf Straftaten (ohne Berücksichtigung ausländerrechtlicher Verstöße) im Freistaat Sachsen Straftatenoberg ru ppe/Straftat 2011 2012 2013 Straftaten gegen das Leben - - - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 4 8 2 Rohheitsdelikte, Straftaten gegen die persönliche Freiheit 81 143 180 - darunter Körperverletzung 40 89 120 Diebstahl ohne erschwerende Umstände 202 273 600 Diebstahl unter erschwerenden Umständen 101 125 214 - darunter Diebstahl an/aus Kfz 17 31 60 Ladendiebstahl insgesamt 219 257 560 Vermögens- und Fälschungsdelikte 117 251 407 - darunter Beförderungserschleichung 89 171 276 sonstige Straftatbestände StGB 51 126 157 - darunter - Widerstand gegen die Staatsgewalt und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung 24 46 78 - Sachbeschädigung 21 53 46 Straftaten gegen strafrechtliche Nebengesetze 14 36 75 - darunter Rauschgiftdelikte 10 29 65 Straftaten insgesamt 570 962 1.635 Anzahl der aufgeklärten Fälle (ohr ausländerrechtlicher Verstöße) im Fre le Berücksichtigung istaat Sachsen GESAMT Jahr 2011 2012 2013 Straftaten insgesamt 164.007 168.146 165.322 Die Statistik des Jahres 2014 liegt noch nicht vor. Die polizeilichen Ermittlungen in den o. g. Fällen sind abgeschlossen und an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben. Im Weiteren können die Fragen nicht beantwortet werden. In dem elektronisch geführten staatsanwaltschaftlichen Register wird lediglich die Ausländereigenschaft des Beschuldigten erfasst. Der ausländerrechtliche Status eines nicht-deutschen Beschuldigten wird dort dagegen nicht erfasst. Im Wege einer elektronischen Recherche kann daher die Frage nicht beantwortet werden. Um die Frage beantworten zu können, müssten alle von den sächsischen Staatsanwaltschaften in den Jahren 2011, 2012 und 2013 gegen Ausländer geführte Ermittlungsverfahren manuell ausgewertet werden, ob sich aus dem übrigen Akteninhalt Hinweise ergeben, ob der Beschuldigte Asylbewerber ist oder nicht. Da von den sächsischen Staatsanwaltschaften gegen ausländische Beschuldigte mehrere tausend Ermittlungsverfahren pro Jahr geführt werden, ist dies im Hinblick auf die kurze Frist zur Beantwortung der Kleinen Anfrage ohne Einschränkung der F|inktfonsfähigkeit der sächsischen Staatsanwaltschaften nicht möglich. Mit freundlichen Grüßen i Markus Ulbid Freistaat SACHSEN Seite 3 von 3