SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 0'1097 Dresdsn Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Li ndena u-Platz 1 01067 Dresden Kteine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRUNEN Drs.-Nr.: 6/3490 Thema: Anwendung S 35 BIMG in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Auf wie viele Verurteilte im Freistaat Sachsen fand $ 35 Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BIMG) in den Jah¡en 2004-2015 Anwendung? (Bitte getrennt aufschlüsseln nach Personen, die sich bereits in Behandlung befanden und Personen, die zusagten eine Behandlung zu beginnen.) Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung findet durch die sächsischen Staatsanwaltschaften nicht statt. ln den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften sind für den in der Frage genannten Zeitraum 2.277 Verurteilte gespeichert, bei denen die Staatsanwaltschaften die Strafvollstreckung gemäß S 35 BtMG zurückgestellt haben. Eine weitergehende Aufschlüsselung nach Personen, die sich bereits in Behandlung befanden und Personen, die zusagten eine Behandlung zu beginnen , kann wegen des hierfur erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes STAATSMì NISTERIUN4 DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-LR-3509/1 5 Dresden, 22. Dezembe¡ 2015 Hausanschrlft: Sächslsches Staatsmlnlsterlum dor Justiz Hospitalstraße 7 01 097 Dresden Briefpost tiber Deutsche Post 01 095 Dresden www justiz sachsen de/smj Verkehrsverblnd u ng: Zu erreichen m¡t Stra ßen ba h nlin ie n 3,6,7,8,11 Parken und behindertenge ¡echter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 *zug€ng ftir €lektronisch sjgni€rte sowie fùr v€rschltisselte €lektronisch€ Dokumente nur über das Elsktronische Ger¡chts- und Vefwallungspostfachi nåhere lnformalionen untsr M êgvp d€Seite I von 5 STAATSMINISTERIUI\4 DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN il S.KtTFll-iÌ!rl-ñE\-z nicht erfolgen. Diese Umstände werden durch die sächsischen Staatsanwaltschaften weder statistisch noch in deren Datenbanken erfasst, so dass eine Recherche hiernach nicht möglich ist. Zur vollständigen Beantwortung der Frage müssten daher 2.277 Vollstreckungsverfahren manuell durchgeschaut und entsprechend der Fragestellung ausgewertet werden. Hierfür wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften und Gerichte erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, z. B. von Verteidigern, Gerichten, Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege nicht zu leisten ist. Hinzu kommt, dass für die Vollstreckung von Jugendstrafen nach dem Jugendgerichtsgesetz nicht die Staatsanwaltschaften, sondern der zuständige Jugendrichter zuständig ist. Durch die Gerichte im Freistaat Sachsen wird die Anzahl der Anwendung von S 35 BIMG weder statistisch noch in den gerichtlichen Datenbanken erfasst, so dass eine Beantwortung der Frage insoweit wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes nicht möglich ist. Zur vollständigen Beantwortung der Frage müssten über die o.g.2.277 Vollstreckungsverfahren hinaus sämtliche Strafakten, bei denen Vollstreckungsleiter der Jungendrichter ist und eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren ohne Bewährung ausgesprochen wurde, im Einzelnen ausgewertet und jeweils im Sinne der Fragestellung geprüft werden. Seite 2 von 5 S1'AATS MINISTE RIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN r_c¡-\\¿¡-Ëti*iL\ø\s/ Fnge 2: Wie und aufgrund welcher Durchführungsvorschriften werden seitens der Gerichte bzw. seitens der Strafvollstreckungsbehörden Personen, die sich noch nicht in einer ihrer Rehabilitation dienenden Behandlung befanden, auf die Möglichkeit einer solchen Behandlung vor der Haft hingewiesen? Es gibt keine Bestimmungen, die eine lnformationspflicht von Verurteilten über die Möglichkeit der Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß S 35 BtMG anordnen. ln geeigneten Fällen ist es aber üblich, dass diese Möglichkeit bereits in der Hauptverhandlung durch das erkennende Gericht oder den Staatsanwalt erörtert wird. Die Verurteilten erhalten auf Anfrage, ob eine zu vollstreckende Strafe nach $ 35 BtMG zurückstellungsfähig ist, von den Staatsanwaltschaften Auskunft. Frage 3: Wie werden Personen, die sich in eine ihrer Rehabilitation dienende Behandlung begeben wollen, auf Therapieplätze vermittelt, wie lang sind gegebenenfalls die Wartezeiten für einen TherapieplaE und nach welchen Kriterien wird die Wartereihenfolge festgelegt? Einen Antrag auf die Zurückstellung der Strafvollstreckung zwecks Aufnahme einer Drogentherapie nach S 35 BtMG können die Veruñeilten vor Haftantritt oder während der Haft selbst stellen. Vor der Vollstreckung der Freiheitsstrafe kann ein solcher Antrag mit Unterstützung der S uchth i lfeberatu ngsstel len gestellt werden. Währen der Haft sind die Sozialdienste in den Justizvollzugsanstalten (JVA) verpflichtet, das Entlassungs-/Übergangsmanagement zu organisieren, d.h. Kontakt zum Suchthilfesystem aufzubauen und den sozialrechtlichen Status Haftentlassener zu klären. Während der Suchtberatung in der JVA wird über eine mögliche Beantragung einer medizinischen Rehabilitation gesprochen und auf Wunsch beantragt. Dabei sucht der Betroffene mit der Suchtberatung eine Einrichtung aus. Häufig bespricht der Suchtberater schon mit der betreffenden Klinik den möglichen Termin und meldet den Betroffenen an. Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUI\4 DER JUSTìZ Freistaat SACHSEN lilK<ælqg,È Få'$qt -/ Damit der Therapiebeginn gewährleistet ist, muss außerdem feststehen, dass die Kosten der Therapie übernommen werden. lnsoweit bedarf es der verbindlichen Zusage eines Kostenträgers. Verurteilte Drogenabhängige haben einen Anspruch auf Kostenübernahme gemäß $ 11 Abs. ll i. V. m. $ 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gegen die gesetzliche Krankenversicherung, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist, wie z. B. der Rentenversicherungsträger gem. S I ff. Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (sGB vr) Bei Antragstellung beim zuständigen Sozialversicherungsträger muss eine Aussage der Justizbehörde vorliegen, dass die Freiheitsstrafe, Gesamtfreiheitsstrafe oder die Restfreiheitsstrafe nicht 2 Jahre überschreitet und sich die/der Verurteilte wegen der Abhängigkeitserkrankung in einer der Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beenden oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken. Auch wenn die Zurückstellung der Strafvollstreckung zum Zeitpunkt der Antragstellung faktisch noch nicht umgesetzt ist, muss für die Entscheidung über den Strafzurückstellungsantrag eine Kostenzusage des zuständigen Sozialversicherungsträgers vorliegen, so dass der Beginn der Leistung gewährleistet ist. Diese vorgezogene Handlung ist rechtlich bedingende Voraussetzung fur die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach $ 35 BIMG. Wenn die Justizbehörde bestätigt hat, dass es sich um eine Antragstellung nach $ 35 BtMG handelt, wird bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen sehr zeitnah eine Bewilligung ausgesprochen. Damit wird es dann der Strafvollstreckungskammer ermöglicht, eine Zurückstellung der Strafe auszusprechen, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen . Die Wartezeiten in den Reha-Einrichtungen können im Drogenbereich bis zu 30 Tage betragen. Konkrete Aussagen auch zu den Kriterien für die Festlegung der Wartereihenfolge sind nicht bekannt, weil dies den Reha-Einrichtungen obliegt. Frage 4: Welche Möglichkeiten der Behandlung stehen suchtkranken Personen zur Verfügutrg , die eine ihrer Rehabilitation dienende Behandlung verweigern? Seite 4 von 5 STAATSMINISl'ERIUM DER JUS'iIZ Freistaat SACHSEN Suchtkranke Personen können gegen ihren Willen unter den Voraussetzungen des $ 64 Strafgesetzbuch (StGB) zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verufteilt werden Eine Behandlung im medizinischen Sinne erfolgt immer patientenindividuell. Suchtkranke Personen, die eine ihrer Rehabilitation dienende Behandlung verweigern, können sich mit ihrem Arzt und/oder Suchtberater abstimmen, ob und ggf. welche Möglichkeiten der Behandlung auf Grund des konkreten Krankheitsbildes angezeigt sind. Suchtkranke Gefangene werden auf der Grundlage des in $ 4 Abs. 3 Sächsisches Strafvollzugsgesetz (SächsStVollzG) statuierten Motivationsgebotes mittels lnformation, Beziehungsarbeit und bei Notwendigkeit durch Konfrontationzu einer Mitarbeit am Vollzugsziel motiviert. Dies geschieht regelmäßig im Zusammenwirken mit der externen Suchtberatung . Frage 5: Welche Möglichkeiten der Behandlung stehen suchtkranken Häftlingen zur Verfügung , die die Voraussetzungen des $ 35 BIMG nicht erfüllen (etwa weil diese eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren zu verbüßen haben, oder die der Strafe vorangegangene Tat nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde )? Zur Behandlung steht den Betroffenen die Teilnahme an der stationären Therapie für suchtkranke Gefangene in der JVA Zeithain mit derzeit 20 Plätzen otfen. Zudem können suchtkranke Gefangene, die die Voraussetzungen des $ 35 BtMG nicht erfüllen, bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Aussetzung des Strafrestes nach $ 57 StGB mit der Teilnahme an einer anschließenden stationären Suchttherapie als Bewährungsauflage anstreben. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 5 von 5 2015-12-23T13:31:38+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes