STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Postfach 10 09 20 | 01079 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bemhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) L-0141.51/27/226-2016 Dresden, ^fj .Januar 2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/3622 Thema: Umgang mit menschlichen Gebeinen im Besitz staatlicher Kultureinrichtungen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In welchen Einrichtungen des Freistaates lagern aktuell in welchem Umfang und mit welcher Herkunftsgeschichte menschliche Gebeine? Das Landesamt für Archäologie Sachsen (LfA) birgt, lagert und erforscht menschliche Überreste (Knochen und Leichenbrand) aus 300.000 Jahren Menschheitsgeschichte in Sachsen. Sie sind Schutzgegenstand nach § 2 Abs. 3 des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes. Die Anthropologische Sammlung im Museum für Völkerkunde Dresden der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) besteht aus etwa 6.100 Ob jekten (Schädel, Skelette, Knochen, Haarproben, Mumienteile, Gipsabgüs se), davon ein Großteil aus Sachsen. Etwa 650 Teile gehen auf die anatomische Sammlung der Chirurgisch- Medicinischen Akademie Dresden (Gründung 1815) zurück, die vornehmlich Objekte mit europäischer Provenienz umfasst. Dazu kommt ein Konvolut von Schädeln aus dem pazifischen Raum (Zugang hauptsächlich von 1875 - 1914). Außerdem gehören zum Bestand zwei im 20. Jahrhundert erworbene Sammlungen von erzgebirgischen Friedhöfen (Wolkenstein, Annaberg). Unabhängig von der Dresdner Anthropologischen Sammlung finden sich in allen drei Museen der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen (SES) bearbeitete Fragmente menschlicher Gebeine und Schädel als Bestandteile von Ritualobjekten, Waffen oder anderem. Zertifikat seit 2007 audit berufundfamllie Hausanschrift: Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst WigardstrafJe 17 01097 Dresden www.smwk.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßen bahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Für Besucher mit Behinderungen befinden sich gekennzeichnete Parkplätze am Hintereingang der Wigardstraße 17. Für alle Besu cherparkplätze gilt: Bitte beim Pfortendienst melden. 'Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSEN Frage 2: Welcher dieser Objekte wurden bislang mit welchem Ergebnis wissen schaftsgeschichtlich in Bezug auf Unrechtgeschichte (insbesondere Kolonialzeit und Nationalsozialismus, Aufarbeitung rassentheoretischer Forschung in den Einrichtungen) und ethische Aspekte im Rahmen der Sammlungspraxis (z.B. Grabplünderungen) untersucht? Die im LfA befindlichen menschlichen Überreste stammen aus Notbergungen und planmäßigen Ausgrabungen. Die in der Frage genannten Aspekte spielen hier keine Rolle. Neben der Bestandsaufnahme der Anthropologischen Sammlung (siehe Antwort zur Frage 1) hinsichtlich Zusammensetzung, Struktur und Herkunft, wurde in den SES Ge schichte und Erwerbungskontext eines bis zu seiner Vernichtung im Zweiten Weltkrieg in Leipzig befindlichen Konvoluts australischer Gebeine aus der Sammlung Amalie Dietrich/Museum Godeffroy untersucht, zu dem Anfragen aus Australien vorlagen. Die Ergebnisse wurden auch publiziert: Scheps, Birgit: Amalie Dietrich (1821 -1891) and Queensland. In: Germans in Queensland, 150 Years. Reihe: Germanica Pacifica - Band 11, 2012, Frank furt/M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2012. VIII, 164 pp. - Scheps, Birgit: Skelette aus Queensland. In: Holger Stoecker, Thomas Schnalke, Andreas Winkelmann (Hg.): Sammeln, Erforschen, Zurückgeben? Menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen, Berlin 2013, S. 130-145 (= Studien zur Kolonialgeschichte, Bd.5). 2015 wurde ein Antrag auf Unterstützung bei einer wissenschaftsfördemden Stiftung gestellt, der auf die Aufarbeitung des Themenkomplexes Human Remains zielt. Frage 3: Aufweiche Weise wurde bislang an die Unrechtsgeschichte der Einrich tungen und die Herkunft dieser Gebeine erinnert? Frage 4: In welchen derzeit stattfindenden oder geplanten Ausstellungen sind menschliche Gebeine Bestandteil? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Die menschlichen Überreste im Archäologischen Archiv Sachsens des LfA sind Ge genstand der wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Lebensbedingungen, den Umweltbedingungen, der Wanderungsbewegungen und der Demographie in der Vorund Frühgeschichte, dem Mittelalter und der Neuzeit. Sie werden gelegentlich in Aus stellungen gezeigt, um diese Erkenntnisse zu veranschaulichen und zu vermitteln, so im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) oder zurzeit im Museum der Stadt Borna. Im smac befindet sich zudem eine Sonderausstellung zu Bestattungssit ten in Vorbereitung, die explizit das Gräberfeld von Niederkaina (Bronzezeit/Eisenzeit) bei Bautzen in den Mittelpunkt stellen wird. Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSEN Es werden derzeit keine menschlichen Gebeine aus der Anthropologischen Sammlung der SES ausgestellt. In Ritualobjekten, Waffen oder anderen Exponaten in Ausstellun gen der SES können sich jedoch bearbeitete Fragmente menschlicher Gebeine und Schädel befinden. Die beiden Sachverhalte sind unter ethischen wie wissenschaftli chen Aspekten getrennt zu betrachten. Frage 5: Wie setzten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die Empfehlun gen des Deutschen Museumsbunds zum Umgang mit „human remains" um? An der „Arbeitsgruppe Human Remains", die die Empfehlungen im Auftrag des Deut schen Museumsbundes erarbeitet hat, waren mit Michael Geißdorf, Leiter der Abteilung Recht und Organisation der SKD, und dem ehemaligen Direktor der SES, Dr. Claus Deimel, zwei Mitarbeiter maßgeblich beteiligt. Auf der Grundlage der o. g. Empfehlungen wird in den SES an Umsetzungsleitlinien gearbeitet, die auf einer individuellen Betrachtung jedes Einzelfalles beruhen müssen. Im Rahmen des „Daphne-Projektes" der SKD wird die weitere Aufarbeitung erfolgen. Empfehlungen zur angemessenen Aufbewahrung von menschlichen Überresten wur den erstellt. Grundsätzlich gilt in Entsprechung der Empfehlung, „alle Fragen zum Um gang mit menschlichen Überresten, möglichst kritisch, objektiv und unter Beachtung ethischer Grundsätze zu prüfen" (S. 48). Mit freundlichen Grüßen Dr. Eva-Maria Stange Seite 3 von 3 2016-01-14T09:57:05+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes