Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/3739 Thema: Aktenvernichtung trotz Aktenvernichtungsstopp nach dem Auffliegen des NSU Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: Der Zeuge Kay-Uwe M., der am 14. November 2015 in der Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses des Sächsischen Landtages als Zeuge vernommen wurde, erklärte, er habe sich in Vorbereitung der Sitzung nicht mit dem Lagefilm des Polizeireviers Zwickau zum 04.11. und 05.11.2011 auf die Vernehmung vorbereiten können, da Lagefilme nach zwei Jahren vernichtet werden und auch diese nicht mehr vorhanden waren. Auf Nachfrage sagte er, er habe keine Kenntnis vom 2012 verhängten Aktenvernichtungsstopp des Innenministeriums.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Nach wie vielen Jahren werden die Lagefilme (elektronische bzw. evtl. vorhandene Papierform) der Polizeireviere und der Polizeidirektionen aus welchen Gründen durch welche Stelle gelöscht? Frage 2: Wann und aus welchen Gründen ist der o. g. Lagefilm vom 04.11./ 05.11.2011 durch welche Stelle gelöscht worden? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Lagefilme werden in den Polizeidirektionen und Polizeirevieren gemäß der „Errichtungsanordnung für den Betrieb von Einsatzleittechnik bei den Leitstellen der Polizei Sachsen“ zwei Jahre im Einsatzleitsystem elektronisch aufbewahrt und nach Ablauf dieser Frist automatisch gelöscht, so auch der Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/ 26 66 Dresden, 4. Februar 2016 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. in der Vorbemerkung genannte Lagefilm des Polizeireviers Zwickau. Soweit es aus Sicht der anschließenden Sachbearbeitung für erforderlich erachtet wird, werden Lagefilme im Einzelfall auch ausgedruckt und zur polizeilichen Ermittlungsakte genommen, um beispielsweise Anhaltspunkte auf Zeugen, Geschädigte oder zu befragende Beamte zu erhalten. Da die Ermittlungen im Fallkomplex „NSU“ und damit auch die polizeilichen Ermittlungsakten im Zusammenhang mit der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion im Wohnhaus Frühlingsstraße 26 in Zwickau am 4. November 2011 vom Bundeskriminalamt am 11. November 2011 übernommen wurden, kann es möglich sein, dass ein Ausdruck des fragegegenständlichen Lagefilms in den dortigen Akten enthalten ist. Das Operative Abwehrzentrum der sächsischen Polizei wird sich daher mit dem Bundeskriminalamt in Verbindung setzen und um eine entsprechende Prüfung bitten. Frage 3: Auf welchem Wege und zu welchem Zeitpunkt ist das 2012 vom Innen- und vom Justizministerium verhängte Aktenvernichtungsmoratorium in den Ressorts und nachgeordneten Behörden bekannt gemacht worden? Im Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen wurde das Moratorium des Sächsischen Staatsministeriums des Innern am 10. August 2012 per elektronischer Hausmitteilung an alle Beschäftigten bekannt gemacht und gilt seitdem. Für den Bereich der sächsischen Polizei wurde mit Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 18. Juli 2012 erstmals ein Löschmoratorium für Unterlagen mit Bezug zum „NSU“ bzw. zum Rechtsextremismus verfügt. Mit ergänzenden Erlassen vom 3. August 2012 und vom 22. August 2012 wurde das Löschmoratorium präzisiert. Gegenstand sind demnach „Straftaten und Straftäter der Politisch motivierten Kriminalität -rechts-, die im Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen (PASS) hinterlegt sind, sowie sonstige Akten mit einem Rechtsextremismus-Bezug“ (z. B. Lageberichte zum „NSU“). Als erste Sperrfrist wurde der 31. Dezember 2013 festgelegt. Mit ergänzenden Erlassen vom 12. Juli 2013, vom 10. November 2014 und vom 28. April 2015 ist das Löschmoratorium jeweils verlängert worden. Am 3. Dezember 2012 wurden die verantwortlichen Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft Dresden durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa im Rahmen einer Besprechung vom Inhalt des Aktenvernichtungsmoratoriums in Kenntnis gesetzt. In dieser Besprechung wurde vereinbart, dass die Leitenden Oberstaatsanwälte der sächsischen Staatsanwaltschaften durch Anordnung gemäß Ziffer III.1. der VwV Aufbewahrung und Aussonderung die Löschung bzw. Teillöschung von Daten und die Aussonderung oder Teilaussonderung von Akten der Verfahren mit der Kennzeichnung IF-rechts und IF-ausländerfeindlich aussetzen. Die Leitenden Oberstaatsanwälte in Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig und Zwickau wurden mit Schreiben des Generalstaatsanwalts des Freistaates Sachsen vom 4. Dezember 2012, das per E-Mail versandt wurde, um eine entsprechende Anordnung gebeten . Dem Schreiben war eine Excel-Tabelle beigefügt, der die die jeweilige Behörde betreffenden Verfahren zu entnehmen waren. STAATSM1^1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN In den Staatsanwaltschaften Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig und Zwickau wurden die entsprechenden behördeninternen Anordnungen daraufhin zwischen dem 5. Dezember 2012 und dem 11. Dezember 2012 getroffen. In der Staatsanwaltschaft Bautzen, deren Leitender Oberstaatsanwalt ebenfalls mit Schreiben des Generalstaatsanwalts des Freistaates Sachsen vom 4. Dezember 2012 per Telefax über das Aktenvernichtungsmoratorium und die o. g. Vorgehensweise informiert worden war, wurde die entsprechende behördeninterne Anordnung aufgrund von zuvor erforderlichen Nachkennzeichnungen erst am 27. Dezember 2012 getroffen. Frage 4: Inwieweit sind von dem Moratorium auch die Lagefilme der Polizei umfasst bzw. aus welchen Gründen nicht? (Bitte konkreten Wortlaut des Moratoriums angeben .) Lagefilme der sächsischen Polizei sind von dem bestehenden Löschmoratorium grundsatzlich nicht umfasst. Verfahrensrelevante Informationen werden in Vermerken abgebildet und fließen als solche in die polizeiliche Ermittlungsakte ein. Insoweit ist ein darüber hinausgehendes Vorhalten der polizeilichen Lagefilme entbehrlich. Soweit ein Lagefilm der sächsischen Polizei im Einzelfall ausgedruckt und zur polizeilichen Ermittlungsakte genommen wurde, die eine Straftat oder einen Straftäter der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- zum Gegenstand hat und im Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen (PASS) hinterlegt ist, ist dieser Lagefilm auch vom Löschmoratorium umfasst. Wie bereits dargestellt, gilt das mit Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 22. August 2012 präzisierte, mehrmals verlängerte und bis heute gültige Moratorium. Der Erlass an die damaligen Polizeidirektionen sowie das Landeskriminalamt besagt wörtlich: "Zur Sperrung von Unterlagen mit Bezügen zum Rechtsextremismus wird wie folgt präzisiert Rechtsgrundlage ist § 49 SächsPolG i. V. m. § 20 Abs. 4 SächsDSG. Gegenstand sind Straftäter und Straftaten im Bereich PMK -rechts- gemäß PASS sowie sonstige Akten mit einem Rechtsextremismus-Bezug. Die Akten sind solange zu sperren, bis die im Sachzusammenhang stehenden Untersuchungsausschüsse des Sächsischen Landtages und des Deutschen Bundestages ihre Tätigkeit beendet haben. Als erste Sperrfrist ist der 31. Dezember 2013 anzusetzen. Über eine Verlängerung wird gesondert entschieden. D^B LKA wird gebeten, das diesbezügliche technische Verfahren mit den Polizeidirßktiorusn abzustimmen." Im Übrigen wird auf die Antworten auf die Fragen 1 bis 3 verwiesen. Mit,ffreufndlichen Grüßen T;" Markus Ulf 6_3739_überarbeitete Fassung_neu_rs SB2-6PS-Biz16020415110 2016-02-04T15:50:33+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes