Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/4245 Thema: Einsatz der sog. „Schocktechnik“ bei der Sächsischen Polizei Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit ist die sog. „Schocktechnik“ Teil der Ausbildung und der Lehre bei der Sächsischen Polizei? Die sog. „Schocktechnik“ wird im Rahmen der Ausbildung der Laufbahngruppen 1.2 Pol und 2.1 Pol als eine mögliche Variante zur Unterstützung von Zugriffstechniken im Fach Selbstverteidigung/Eingriffstechniken vermittelt . Im Bereich der Fortbildung werden die durch die Ausbildung gelegten Grundlagen gefestigt und weiter ausgebaut. Frage 2: Unter welchen konkreten und rechtlichen Vorrausetzungen dürfen Polizeibeamte in Sachsen die sog. „Schocktechniken“ zur Durchsetzung welcher Maßnahme einsetzen? Auf Grundlage bestehender Eingriffsermächtigungen der §§ 30 ff. Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann eine sog. „Schocktechnik“ immer dann geboten sein, wenn ohne diese die Durchsetzung einer rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme gegen den Betroffenen unmöglich gemacht bzw. unverhältnismäßig erschwert wird. Weiterhin kann die sog. „Schocktechnik“ bei der Abwehr von körperlichen Angriffen auf Polizeivollzugsbedienstete angewendet werden. Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 35-0141.50/9462 Dresden, 11. März 2016 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. Seite 2 von 3 Frage 3: Gegen welche Körperteile/Körperregionen darf die sog. „Schocktechnik“ jeweils unter welchen Voraussetzungen eingesetzt werden? Die sog. „Schocktechnik“ darf grundsätzlich gegen alle Körperteile/Körperregionen eingesetzt werden. Gemäß § 32 Abs. 1 SächsPolG muss das angewandte Mittel nach Art und Maß dem Verhalten, Alter und Zustand des Betroffenen angemessen sein sowie dem Ziel der polizeilichen Handlung gerecht werden. Um das Ziel einer temporären Ablenkung des Gegenübers zu erreichen, werden insbesondere Körperregionen genutzt , welche kurze Schmerzreize ermöglichen. Frage 4: Inwieweit wird in der Ausbildung und Lehre bei der sächsischen Polizei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Einsatz der sog. „Schocktechnik“ an die Polizeibediensteten vermittelt? Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt eine grundsätzliche Anforderung an alle polizeilichen Handlungen dar und ist sowohl theoretischer als auch praktischer Inhalt der Polizeiausbildung. Die Rechtsgrundlagen werden in den entsprechenden Ausbildungsfächern bzw. Ausbildungsmodulen geschult. Die Ausbildung im Fach Selbstverteidigung /Eingriffstechniken ist in sog. Handlungsketten aufgebaut, so dass auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die einzusetzenden Mittel in einer Stufenfolge erlernt werden. Frage 5: In wie vielen Fällen von Strafanzeigen gegen Polizeibedienstete wegen Körperverletzung im Amt war seit 2014 der der Anzeige zugrunde liegende Sachverhalt der Einsatz der sog. „Schocktechnik“ durch einen Polizeibeamten? Eine Antwort der Staatsregierung ist innerhalb der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Bestem Wissen entspricht die Antwort, wenn das Wissen, das bei der Staatsregierung präsent ist, sowie jene Informationen, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand zumindest in ihren Geschäftsbereichen eingeholt werden können, mitgeteilt wird (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 19-I-97). Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Staatsregierung verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden (SächsVerfGH, a. a. O.). Zur Vorbereitung der Beantwortung ist eine umfassende Sachverhaltsermittlung vorzunehmen. Diese Sachverhaltsermittlung ist jedoch im Hinblick auf die zeitlichen Vorgaben der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages beschränkt. Bei der Sachverhaltsermittlung kann daher nicht in jedem Fall das Ausschöpfen jeder denkbaren Erkenntnisquelle verlangt werden (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, a. a. O.). Im vorliegenden Fall ist eine Beantwortung innerhalb der Antwortfrist nicht möglich. Der Staatsregierung liegen zum Fragegegenstand derzeit keine Erkenntnisse vor. Die Quellen, die der Staatsregierung innerhalb der Antwortfrist zugänglich waren, wurden ausgeschöpft. Weitere sinnvolle Recherchen sind innerhalb der Antwortfrist nicht möglich. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSETN Dies ergibt sich daraus, dass Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung durch die sächsischen Staatsanwaltschaften weder statistisch erfasst noch gesondert in deren Datenbanken gekennzeichnet werden. Straftaten von Polizeibediensteten in Ausübung des Dienstes werden nach der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten bei den Staats- und Amtsanwaltschaften (StA-Statistik) mit den Sachgebietsschlüsseln 51 bis 54 erfasst, wobei der Sachgebietsschlüssel 51 auch für andere Berufsgruppen gilt. Im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 17. Februar 2016 wurden durch die sächsischen Staatsanwaltschaften 326 Verfahren wegen Körperverletzung im Amt nach § 340 Strafgesetzbuch (StGB) zu diesen Sachgebieten geführt (Stand: 17. Februar 2016), wobei hinsichtlich des Sachgebiets- Schlüssels 51 nur die Verfahren berücksichtigt worden sind, bei denen in dem Datenbankfeld als Beruf "Polizeibeamter" bzw. kein Beruf eingetragen wurde, da auch letztere Verfahren im Sinne der Fragestellung ausgewertet werden müssten. Hinzu kommen alle 155 wegen des Tatvorwurfs nach § 340 StGB gegen unbekannte Tatverdächtige geführte Ermittlungsverfahren sowie fünf entsprechende Prüfverfahren. Für die Beantwortung der Frage müssten somit insgesamt 486 Verfahren händisch daraufhin ausgewertet werden ob dem jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt der Einsatz der sog. "Schocktechnik" durch einen Polizeibediensteten zugrunde lag. im Ergebnis wären somit umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven^ der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, z. B. von Verteidigern, Gerichten , Sachverständigen und Polizei, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Die Staatsregierung kam daher bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des Parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege nicht zu leisten ist. Hinzu kommt das Problem, dass es sich bei dem in der Fragestellung genannten Begriff der "Schocktechnik" nicht um einen juristischen Begriff handelt, der durch Forschyng und Rechtsprechung bislang hinreichend definiert wäre. Ohne eine nähere Defini ^on dieses Begriffs ist es den Staatsanwaltschaften nicht möglich, eine valide Überpr ^Tung^ler Akten durchzuführen, da nicht hinreichend klar erkennbar wäre, nach welch ^n l^riterien die Sichtung und Überprüfung der betreffenden Verfahren erfolgen soll. Mi{ frjfeundlichen Grüßen Tarkus Ul^ig Seite 3 von 3 6_4245_rs Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/4245 Thema: Einsatz der sog. „Schocktechnik“ bei der Sächsischen Polizei SB2-6PS-Biz16031410581 2016-03-14T12:18:24+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes