STMTSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Postfach 10 0920 101079 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden STAATS MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/4260 Thema: Nachfragen zu Drs. 6/3622 Umgang mit menschlichen Gebeinen im Besitz staatlicher Kultureinrichtungen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In welchen, über die Beantwortung der Frage 1 aus 6/3622 hinausgehenden , weiteren Einrichtungen sowie Hochschulen des Freistaats lagern menschliche Gebeine bzw. Sammlungen menschlicher Gebeine mit welcher Herkunftsgeschichte? • Das Institut für Ethnologie der Universität Leipzig lagert in einem geschlossenen Archiv 32 Schädel unbekannter Herkunft. • In der Bergbausammlung der Technischen Universität Bergakademie Freiberg (TUBAF) finden sich zwei Stücke, die mit folgenden Katalogdaten geführt werden: o "XIII. B. 98.c. Schmuck/Fußgelenkfessel; Vorbesitzer: Synodinos; Herkunftsort: Kamareza/Griechenland ; Erwerb: Schenkung; Aufbewahrung : Aka6, S9 (c1)/Aka6 S18 (c2,c3) ; Katalogtext nach E. Treptow : Verschiedene Eisenteile (Bruchstücke eines Rings, 1 Kettenglied , etc) ; Geschenk des Herrn Dr. Synodinos"; im Besitz der TUBAF seit 1905. o „XIII. B. 22.f. Menschenknochen; Herkunftsort: EI Aramo/Spanien; Erwerb : Schenkung; Aufbewahrung: Aka6 S18; Katalogtext nach Brendler: 10 Menschenknochen; Skelettrest von Bergbausklaven aus antiker Kupfergrube EI Aramo"; im Besitz der TUBAF seit ca. 1900. • Die Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) besitzt eine umfangreiche Sammlung von Präparaten zur Künstleranatomie, die in ihren Anfängen auf die Zeit um 1800 zurückgeht. Dies betrifft sowohl Objekte der Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) L-1053/1/36-2016/ Dresden , d._.>.März 2016 • , __ Zertifikat seit 2007 audlt berufund famllle Hausanschrift: Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Wigardstraße 17 01097 Dresden www.smwk.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, B, 13 Für Besucher mit Behinderungen befinden sich gekennzeichnete Parkplätze am Hintereingang der Wigardstraße 17. Für alle Besucherparkplätze gilt: Bitte beim Pfortendienst melden. "Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente. STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Tier- wie auch der Humananatomie. Die in Europa nahezu einmalige Sammlung ist in ihren historischen Dimensionen bereits wissenschaftlich bearbeitet worden und auch publiziert. Die Anatomische Sammlung ist ein Teilbestand der Kunstsammlung der HfBK und umfasst ca. fünfhundert Objekte mit über tausend Einzelteilen historischer Lehrmittel aus dem Zeitraum des beginnenden 19. Jahrhunderts bis zu den 1980er Jahren. Damit ist sie eine der umfangreichsten und komplettesten an einer Kunsthochschule erhaltenen Lehrsammlungen zur Human- und Tieranatomie. Innerhalb des Gesamtumfanges der archivierten künstlerischen Objekte der Hochschule stellt sie mit ihrem interdisziplinären Anspruch eine Besonderheit dar. Als Studienkabinett ist die Anatomische Sammlung Studierenden, Wissenschaftlern und einer interessierten Öffentlichkeit auf Anfrage zugänglich. • An der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB) wird seit 1875 Anatomie gelehrt. In der anatomischen Sammlung befinden sich Knochenpräparate (Komplettskelett und Skelett-Teile). Sie sind in einem Bestandsverzeichnis der anatomischen Sammlung erfasst, Alter und Herkunft sind nicht bekannt. • Im Museum für Völkerkunde zu Leipzig der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachen (SES) befinden sich drei Schädel aus Südafrika/Namibia (Herero, Nama, Ovambo) - sie sind Teil der Ethnographischen Sammlungen - weiter Schädel aus Ozeanien (übermodellierte Sepik-Schädel, melanesische Schädel zur Ahnenkult- Thematik) , im gleichen Kontext Schädel aus Asien und Mumien. Ein abschließender Bericht erfordert eine systematische Erfassung und eine Inventur, welche auch Voraussetzung für die Ermittlung des Sammlungskontextes bilden. Gleiches gilt für die Ethnographischen Sammlungen in Dresden und Herrnhut. Gegenstand aktueller Forschung war bisher nur die Anthropologische Sammlung. Weiterhin wird auf die Antwort zu Frage 3 der Drs.-Nr.: 6/4261 verwiesen. Zudem gibt es Konvolute von Knochenresten aus dem Brandschutt bei der Zerstörung des Museum für Völkerkunde zu Leipzig im 2. Weltkrieg , die sich möglicherweise zum Teil noch regional zuordnen ließen. Frage 2: In welchen Kontexten wurden die jeweiligen Sammlungen menschlicher Gebeine im Besitz staatlicher Hochschulen und Einrichtungen des Freistaats von wem angelegt und in welchem Umfang werden diese jeweils seit 2004 bis zum heutigen Stichtag betreut (bitte aufschlüsseln nach Einrichtung, Sammlung, Jahr und Stellenplan)? • Unklar ist, wer die Schädelsammlung des Instituts für Ethnologie der Universität Leipzig angelegt hat. Die Sammlung wurde 2012 einer professionellen Bearbeitung (hygienische Reinigung, adäquate Verpackung) unterzogen. Alle Schädel sind fotografiert worden und es gibt kurze Beschreibungen dazu. Die Betreuung erfolgt durch das Institut für Ethnologie. Eine Stelle ist mit der Betreuung nicht verbunden . • Die Bergbausammlung ist Teil der TUBAF, die mit ihren 250 Jahren die älteste montanwissenschaftliche Hochschule der Welt ist. Die Sammlung ist im laufe der Jahrhunderte angelegt worden. Die Bergbausammlung wird durch die Kustodie, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, betreut. Eine Stelle ist mit der Betreuung der Kustodie verbunden , nicht jedoch mit der Betreuung der Bergbausammlung . Seite 2 von 4 Freistaat SACHSEN STAATSM1N1STER1UM FÜR WlSSENSCHAFT UND KUNST • Die Anatomische Sammlung der HfBK ist im laufe der Jahrhunderte angelegt worden : Der Anatomieunterricht bildet historisch seit der Gründung der Kunstakademie Dresden im Jahre 1764 als ein Teil des Naturstudiums die Grundlage für den Erwerb von Kenntnissen über den inneren Zusammenhang des Körperbaus allgemein und die spezielle Durchbildung der äußeren Erscheinung von Tieren und der menschlichen Figur. Schon im 18. und insbesondere im 19. Jahrhundert wurde das Lehrfach Anatomie eine unterstützende Wissenschaft, die insbesondere in Dresden Künstler und Mediziner beim Unterrichten aber auch beim Sezieren zusammenführte. Die Lehrmittel dienten über viele Jahrzehnte als Vorlagen für die zeichnerischen Übungen der Kunststudenten und als Anschauungsmaterial während der Vorlesungen. Die im Wesentlichen drei Objektgruppen umfassende Sammlung besitzt organische Präparate aus der Human- und Tieranatomie, darunter vierzehn wertvolle sogenannte Bänderskelette, sowie einzigartige Wachsmodelle und seltene Wachsreliefs aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine dritte Gruppe bilden dreidimensionale farbige und monochrome Anatomiemodelle sowie anatomische Demonstrationen von Tierkörpern und freie künstlerische Tierplastiken als Abgüsse. Als Studienkabinett ist die Anatomische Sammlung Studierenden, Wissenschaftlern und einer interessierten Öffentlichkeit auf Anfrage zugänglich. Die Anatomische Sammlung wird durch das „Archiv und Kustodie" betreut. Eine Stelle ist mit der Betreuung von „Archiv und Kustodie" verbunden, nicht jedoch mit der Betreuung der Anatomischen Sammlung. • Die fachliche Betreuung der Anthropologischen Sammlung im Dresdner Völkerkundemuseum durch eine Wissenschaftlerin (Anthropologin) endete 1999, danach war es eine ruhende Sammlung mit einem Ansprechpartner. Die Betreuung erfolgt allgemein durch die Leiterin der Abteilung „Sammlungserschließung/Dokumentation". Im Rahmen des Daphne-Projektes soll die Provenienzforschung wieder aufgenommen werden. Im Übrigen wird auf die jeweiligen Antworten zur den Fragen 3 der Drs.-Nr.: 6/3623 und 6/4261 . Frage 3: Von welchen Kontinenten stammen die menschlichen Gebeine im Besitz staatlicher Hochschulen und Einrichtungen des Freistaats (bitte aufschlüsseln nach Einrichtung, Sammlung und Herkunft)? • Die Herkunft der Schädel in der Sammlung des Instituts für Ethnologie der Universität Leipzig ist unbekannt. • Die Stücke in der Bergbausammlung der TUBAF stammen aus Europa. • Die Stücke in der Anatomischen Sammlung der HfBK stammen aus Europa. • Die Bestände der SES sind heterogen zusammengesetzt und stammen von allen Kontinenten. Der Sammlungs- bzw. Erwerbungszeitraum liegt zwischen 1850 und 1910. Die Objekte wurden zum Teil durch Beamte, Händler, Reisende und Wissenschaftler vor Ort gesammelt. Ein großer Sammlungsbestand wurde über Handlungen und Händler von Ethnografica aus England und Frankreich angekauft. Ziel waren vergleichende Studien zur Anthropologie. Seite 3 von 4 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR WISSENSCHAFT UN D KUNST Frage 4: Bei welcher Stiftung wurde durch welche Einrichtung bzw. Hochschule eine Unterstützung, die auf die Aufarbeitung des Themenkomplexes „human remains" zielt, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis beantragt (bitte Inhalt des Antrags, Laufzeit und Förderumfang angeben)? 2015 wurde von einer ehemaligen Wissenschaftlerin der SES ein Antrag bei der Volkswagenstiftung unter dem Thema: „Die Restitution außereuropäischer menschlicher Gebeine : Analyse, Bewertung und Konsequenzen für ethnologisch-anthropologische Sammlungen, insbesondere für das Museum für Völkerkunde Dresden" gestellt. Seine Erarbeitung wurde durch die SKD begleitet und mit einem Begleitschreiben explizit unterstützt . Das Programm, in dessen Rahmen der Antrag gestellt wurde, sieht die Förderung von Forschungsvorhaben ausgewiesener Wissenschaftler vor, sofern sie sich auf Bestände eines Museums oder einer sammelnden Institution beziehen und von diesen unterstützt werden; die Institution ist hier nicht selbst antragsberechtigt. Dem Antrag wurde nicht entsprochen; eine schriftliche Begründung für die Ablehnung erfolgte nicht. Da der Antrag von einer Privatperson gestellt wurde, ist eine Weitergabe oder Publikation des Antrages nicht möglich. Frage 5: Warum konnte bis heute keine Umsetzungsleitlinie für den Umgang mit „human remains" in den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen fertig gestellt werden? Wie bereits in den Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes ausgeführt, kann es keine allgemeine Handlungsanweisung für den Umgang mit „human remains" geben. Spezielle Regelungen für die SES sind nur sinnvoll , wenn die entsprechenden Informationen zu den Objekten, deren Geschichte und den begleitenden Umständen vorliegen. Wichtig ist ebenfalls die Ermittlung der jeweiligen korrekten Ansprechpartner, die örtlich, sachlich, administrativ und ggf. spirituell zuständig sind. Teil der umfangreichen Recherchen ist die Ergänzung allgemeiner und individueller Informationen bei den Ursprungsgesellschaften, um den im Diskurs stehenden Sachverhalt möglichst vollständig erfassen und alle religiösen, kulturellen und stammesgeschichtlichen Belange umfassend betrachten zu können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 der Drs.-Nr.: 6/3622 verwiesen. ~ß7y Dr. Eva-Maria Stange Seite 4 von 4 Freistaat SACHSEN 2016-03-16T11:02:44+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes