STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSE1N DerStaatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 31-0141.50/9624 Dresden M^ärz 2016 Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/4284 Thema: Versammlungsgeschehen am 18. Februar 2016 in Clausnitz anlässlich der Ankunft eines Busses mit Flüchtlingen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Am 18.02.2016 versammelten sich nach Angaben u. a. der Süddeutsche " Zeitung (httD://www.sueddeutsche.de/Dolitik/ fremdenfeindlichkeit-Doebelnder-mob-bearuesst-veraenastiate-" fluechtlinae-in-deutschland-1.2870816) an einer Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz ca. 100 Personen und skandierten mit aggressiven Rufen ,Wir sind das Volk'. Sie standen dabei direkt vor dem ankommenden Bus mit ca. 25 Flüchtlingen, darunter Frauen und Kinder - die vor Angst weinten und nicht aussteigen wollten." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie stellt sich der konkrete zeitliche Ablauf der Anfahrt zum Versammlungsgeschehen , des Versammlungsgeschehens und der Situation nach Beendigung der Versammlung/Ansammlung aus Sicht der Staatsregierung dar? (Bitte um konkrete zeitliche Angabe, ebwa der Blockaden, des Versammlungsbeginns und -endes, des Eintreffens welcher Gruppen, der Lautsprecheransagen, des Einsatzes der Polizei, einschließlich der Anzahl der eingesetzten Kräfte, Friedlichkeit /Aggressivität der Teilnehmer etc.) Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6. 7. 8, 13 Besucherparkptätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM11MISTER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 2: Aus welchen Gründen konnten die Teilnehmer dieser aggressiven Versammlung /Ansammlung so nah an den Bus herankommen und welche Maßnahme wurde wann von wem veranlasst um dies zu verhindern? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: 18. Februar 2016, gegen 17:30 Uhr: Eine mit Raumschutzaufgaben beauftragte Funkstreifenwagenbesatzung (zwei Einsatzkräfte ) des Polizeireviers Freiberg, Polizeistandort Sayda", nimmt Kontakt mit dem Verantwortlichen der Unterkunft vor Ort auf. Anschließend nehmen diese Einsatzkräfte Raumschutzaufgaben wahr. 18. Februar 2016, gegen 18:00 Uhr: Die Einsatzkräfte stellen etwa zehn Personen im weiteren Umfeld des Unterkunftsobjektes fest. Störabsichten waren nicht erkennbar. 18. Februar 2016, 18:26 Uhr bis 19:05 Uhr: Nach erfolgter Kontaktaufnahme mit einzelnen Personen durch die Einsatzkräfte gaben diese an, Anwohner zu sein und Interesse für die Ankunft des Busses zu haben" Weiterhin wurde im Umfeld ein Traktor mit Schiebeschild wahrgenommen, der sich für die Einsatzkräfte als Winterdienst darstellte. 18. Februar 2016, 19:05 Uhr bis 19:15 Uhr: Die Personenanzahl wächst auf ca. 40 Personen an. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass ein Transparent verdeckt mitgeführt wurde. Ab diesem Zeitpunkt gingen die Einsatzkräfte davon aus, dass eine Versammlung stattfinden werde. Dies "wurde dem Dienstgruppenführer (DGF) des Polizeireviers Freiberg mitgeteilt und weitere Kräfte angefordert. 18. Februar 2016, gegen 19:20 Uhr: Die o. g. Funkstreifenwagenbesatzung stellt auf der Cämmerswalder Straße fest, dass der gerade eintreffende mit Asylbewerbern besetzte Bus in ca. 50 Meter Entfernung zur Unterkunft durch ca. 40 Personen an der Weiterfahrt gehindert wird. Zur Blockadewerden drei Fahrzeuge genutzt, ein Traktor mit Schiebeschild, ein Klein-Lkw und ein Pkw. Ein Transparent wird mitgeführt. 18. Februar 2016, 19:21 Uhr: Dasjührungs- und Lagezentrum (FLZ) der Polizeidirektion (PD) Chemnitz wird durch das Polizeirevier Freiberg über die Blockade informiert. 18. Februar 2016, 19:23 Uhr bis 19:26 Uhr; Drei weitere Funkstreifenwagen des Polizeireviers Freiberg werden zum Ereignisort entsandt. Mit der Führung des Einsatzes vor Ort wird der diensthabende DGF des Polizeireviers Freiberg beauftragt. 18. Februar 2016, 19:30 Uhr: Das FLZ der PD Chemnitz dokumentiert die Kräfteanforderung beim Präsidium der Bereitschaftspolizei Sachsen. Demnach sind keine Einsatzeinheiten verfügbar. Seite 2 von 6 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN 18. Februar 2016, 19:37 Uhr: Das FLZ der PD Chemnitz entsendet ein Fahrzeug der Diensthundestaffel zum Ereignisort . 18. Februar 2016, 19:38 Uhr: Das FLZ der PD Chemnitz fordert bei der Bundespolizeidirektion (BPolD) Pirna telefonisch Kräfte an. Um 19:54 Uhr teilt die Bundespolizeiinspektion (BPoll) Öhemnitz dem FLZ der PD Chemnitz mit, dass ein Einsatzmittel des Bundespolizei-Öienstortes Neuhausen zum Einsatz kommt. 18. Februar 2016, 19:51 Uhr Das FLZ der PD Chemnitz entsendet ein weiteres Fahrzeug der Diensthundestaffel zum Ereignisort. 18. Februar 2016, 19:54 Uhr: Der_DGF des Polizeireviers Freiberg ist am Ereignisort angekommen und übernimmt die Führung vor Ort. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich neun Einsatzkräfte des Polizeireviers Freiberg und zwei Einsatzkräfte der Bundespolizei vor Ort. Die Anzahl der vor Ort befindlichen Personen wird auf ca. 100 geschätzt. Der Polizeiführer forderte diese zwischen 19:55 Uhr und 20:00 Uhr auf, die'Zufahrtsstraße zum Unterkunftsobjekt zu verlassen. Er droht gleichzeitig die Räumung durch unmittelbaren Zwang an. Die Menge reagierte mit Gelächter. Es werden weitere Einsatzkräfte angefordert . Die tatsächliche Durchsetzung der Räumung war nach Einschätzung des Polizeiführers vor Ort zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Kräftesituation nicht möglich. 18. Februar 2016, 19:57 Uhr: Das FLZ der PD Chemnitz dokumentiert die Kräfteanforderung bei der PD Zwickau: eine Gmppe des Einsatzzuges Zwickau, die sich im Nachtdienst befindet, wird entsandt . Die PD Dresden teilt 20:07 Uhr mit, dass keine Kräfte zur Verfügung gestellt werden können. 18. Februar 2016, 20:20 Uhr: Das FLZ der PD Chemnitz entsendet eine Funkstreifenwagenbesatzung des Polizeireviers Marienberg zum Ereignisort. 18. Februar 2016, 20:27 Uhr: Der Polizeiführer meldet dem FLZ, dass derzeit 100 Personen vor Ort sind. Die Stimmung wird als angespannt beschrieben. Die Halter der blockierenden Fahrzeuge werden zum Beseitigen der Blockade aufgefordert. Dies wurde gegen 20:30 Uhr befolgt. 18. Februar 2016, 20:35 Uhr: Nachfrage des FLZ der PD Chemnitz beim Lagezentrum (LZ) im Sächsischen Staatsmimstenum des Innern (SMI). Es stehen keine Einsatzeinheiten zur Verfügung. Das LZ im SMI fordert die Einsatzkräfte der Bundespolizei fernmündlich an. Seite 3 von 6 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN 18. Februar 2016, 20:41 Uhr: Der Außendienstleiter der PD Chemnitz befindet sich vor Ort und übernimmt die Führung des Einsatzes. Zwischen 20:41 Uhr und 21:25 Uhr treffen folgende weitere Einsatzkräfte ein: 20:41 Uhr: das o. g. erste Fahrzeug der Diensthundestaffel (zwei Einsatzkräfte). 20:52 Uhr: die o. g. Funkstreifenwagenbesatzung des Polizeireviers Marienbera (zwei Einsatzkräfte). 21Loo..uhl':_vier Einsatzkräfte der Bundespolizei. Damit sind alle Unterstützungskräfte der Bundespolizei (insgesamt sechs Einsatzkräfte) vor Ort. 21:24 Uhr: das o. g. zweite Fahrzeug der Diensthundestaffel (zwei Einsatzkräfte). 18. Februar 2016, 20:51 Uhr bis 21:04 Uhr: Der mit Asylbewerbern besetzte Bus wurde durch die Einsatzkräfte bis unmittelbar vor die Unterkunft begleitet (ca. drei Meter vor der Eingangstür). 18. Februar 2016, ca. 21:20 Uhr: Ein Verantwortlicher des Landkreises Mittelsachsen erscheint vor Ort und versucht die Asylsuchenden zum Beziehen der Unterkunft zu bewegen. Eine alternative'Unterbnn^ gungsmöglichkeit war nach dessen An9aben nicht gegeben. In Abstimmung mit dem Vertreter des Landratsamtes Mittelsachsen wurde daher entschieden, die ÜnferkunfTzu beziehen. Außerhalb des Busses skandierte die Menge fortgesetzt Parolen,' u.'a^.Wir sind das Volk!". " ..,---- . -. -.-., ". -. ", Im Inneren des Busses reagierten einzelne Personen auf die Menschenmenoe durch Gestikulieren. 18. Februar 2016, ca. 22:00 Uhr: Fünf Einsatzkräfte des Einsatzzuges der PD Zwickau treffen ein. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Asylsuchenden bereits im Objekt. 18. Februar 2016, ca. 22:13 Uhr: Der Polizeiführer teilt dem FLZ der PD Chemnitz mit, das die Asylbewerber nun im Objekt sind. Bei insgesamt zwei Asylbewerbern wurde bei dem Herausführen aus dem Bus unmittelbarer Zwang (einfache körperliche Gewalt) angewendet. Die Anzahl der vordem Wohnobjekt befindlichen Personen reduziert sich rasch. 22:26 Uhr befinden sich keine Personen mehr vor Ort. 22:30 Uhr wird der" PoiizeieinsatTbe^ endet. Das Polizeirevier Freiberg übernimmt die weitere Sicherung. Seite 4 von 6 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 3: ??lc^s.tra!tatT.n auf9rund welchen Sachverhalts wurden im Zusammenhang mit ?^^LO^k??_er?/A"^ammlll.n?en ^..welch®" orten zu welcher Uhrzeit angezeigt oder registriert und in welchen Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleTtef?' (Bitte auch die Anzahl, politisches Lager der bekannten/unbekannten Beschuldigten angeben.) Mit Stand 8. März 2016 sind bei der PD Chemnitz nachfolgende Ermit registriert: - ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, angezeigt am 18. Februar 2016, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das Sächsische Versammlungsgesetz, angezeigt am 24. Februar 2016, ein Ermittkingsverfahren wegen des Verdachtes der Nötigung, angezeigt am 24. Februar 2016, ~ " ----^-..^, - ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Bedrohung, angezeiat am 24. Februar 2016, zwei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Körperverletzung im Amt, Anzeigen online am 19. Februar 2016 und am 24. Februar 2016 erstattet. £eginnend, ab dem 19- Februar sind weitere Anzeigen online sowie im gesamten Bundesgeblet gegen verschiec:fene Personen erstattet und der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt worden. Die weiteren erfragten Daten sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Frage 4: Wie ^ viele Platzverweise wurden im Zusammenhang mit den Blockaden /Ansammlu"ge" a" welchen Orten aus welchen Gründen ausgesprochen und wie viele Personen wurden im Zusammenhang mit den Blockaden aus'welch'en Grunden oder aufgrund welcher Straftaten festgenommen, in Gewahrsam'ge^ nommen und von wie vielen Personen wurde die Identität aus welchen Gründen zu welcher Uhrzeit an welchen Ort festgestellt? ?K3Aufforderung zum verlassen der Zufahrtsstraße zum Unterkunftsobjekt wurde als beschränkende Auflage nach dem Sächsischen Versammlungsgesetz'eriassen.' . Es wurden vier Identitätsfeststellungen auf Grundlage der Strafprozessordnuna vor Ort durchgeführt. Fest- oder Ingewahrsamnahmen wurden nicht durchgeführt. Frage 5: Welche polizeilichen Mittel unmittelbaren Zwangs kamen aus welchen Gründen gegen welcher Personengruppe zu welchem Zeitpunkt zum Einsatz? Die Ausübung des unmittelbaren Zwanges zur Verbringung von Personen aus dem in die Wohnunterkunft erfolgte sowohl in Vollzugshilfe'für das "Landratsamt "Mrttelsachsen nach den Bestimmungen des § 61 i. V. m. §§ 30 ff. des'Poiizeigesetzes des Seite 5 von 6 STAATSM1TM1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Freistaates Sachsen (SächsPolG) als auch auf der Grundlage des § 32 i. V. m. ff. SächsPolG zur Störungsbeseitigung. Ein^Yerlassen.des._BUS,se.s.mit.dem z.'elder sofortigen Unterbringung der Asylbewerber . '.nj?-re-wohnungen..schät2te der.Polizeivoll2ugsdienst überdies'auch aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen für geboten ein. Bei dieser Erwägung" wurde" e'ink"alkuliert, esju einer Eskalation der Lage kommen könne und zumindest Teile der bis'zu diesem Zeitpunkte nicht gewalttätigen Teilnehmer aus der ^ensch'enmenae^oFd^m versuchen würden, die Asylbewerber zu attackieren. Der Vertreter des Landratsamtes forderte die Businsassen zuvor mehrmals zum Verdes Busses auf. Hierzu wurde ein Dolmetscher/Sprachmittler zu'Hilfeaenommen . Jn^ diesem Zusammenhang wurde den Businsassen mehrfach'die" jer.yerbringung.aus dem Bus mit unmittelbarem Zwang durch den' Poirze"ivollz"LTasa zur_.DUrchseteLlng der. Aufforderungen wurde bei zwei Businsassen unmittelbarer in Form von einfacher körperlicher Gewalt angewandt. Ge9et eine person der Personengruppe auf der Zufahrtsstraße wurde unmittelbarer Jn^Form von einfacher körperlicher Gewalt angewandt, um diese vondem'Bus ien. Mit fneurldlichen Grüßen us Ulbigl Seite 6 von 6 2016-03-23T08:49:04+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes