STAATSMlNl STERl UM FÜR SOZlALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Wippel, AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/4573 Thema: Altersfeststellung bei unbegleiteten, minderjährigen Ausländern (UMA) Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: ln der Antwort auf die Kleine Anfrage Drs. 6/4101 (Anlage 1) listet der Freistaat Sachsen unbegleitete, minderjährige Ausländer (UMA) auf, die 18 Jahre oder älter sind. Warum gibt es unbegleitete, minderjährige Ausländer, die volljährig sind - also 18 Jahre oder älter? Ein minderjähriger Flüchtling ist unbegleitet, wenn er ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz verantwortlichen Erwachsenen (Erziehungs-/ Sorgeberechtigten ) in das Bundesgebiet einreist. Er ist dann von dem zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Obhut zu nehmen und bleibt solange im Verantwortungsbereich der Jugendhilfe, bis die einschlägigen Hilfen beendet werden. Unbegleitete minderjährige Ausländer haben den gleichen Anspruch auf Leistungen des SGB VIII wie inländische Heranwachsende. Ihnen können also auch über das 18. Lebensjahr hinaus in der Regel bis zum 21 . Lebensjahr entsprechende Hilfen der Jugendhilfe gewährt werden. Angebote nach § 41 SGB VIII werden vorgehalten für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung . Frage 2: Wenn es auch UMA, die 18 Jahre oder älter sind, geben kann, wie erklärt sich dann die Staatsregierung die enorme Diskrepanz in der Anzahl zwischen UMA, die 15, 16 und 17 Jahre alt sind und UMA, die 18 und älter sind? Reist ein junger ausländischer Erwachsener in das Bundesgebiet ein, unterliegt er von Beginn an dem allgemeinen Asyl- und Aufenthaltsrecht Junge Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 45-0141.51-16/198 Dresden, 15. April2016 Hausanschrift Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 10 01 097 Dresden www.sms.sachsen.de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ ausländische Erwachsene bleiben nur dann im Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe, wenn sie als unbegleitete minderjährige Ausländer in das Bundesgebiet eingereist sind und über das 18. Lebensjahr hinaus Jugendhilfe gewährt bekommen. Dieser Anteil ist daher im Verhältnis zum überwiegenden Eintrittsalter 15, 16, 17 Jahre unbegleiteter minderjähriger Ausländer eher gering. Frage 3: Welche medizinischen Methoden bei der ärztlichen Untersuchung kommen im Freistaat Sachsen zum Einsatz, um das Alter der UMA feststellen zu können, wenn dies nicht zweifelsfrei anhand der Ausweisdokumente bzw. im Anschluss von Gesprächen, Interviews und Zeugenbefragungen im Zuge der qualifizierten Inaugenscheinnahme ermittelt werden kann? Die interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik spricht sich aktuell, bei Beachtung ethischer und ärztlicher Aspekte, für folgende Untersuchungsmethoden aus (Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin: Empfehlungen für die Altersdiagnostik bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen außerhalb des Strafverfahrens): eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße ( Körperhöhe und -gewicht, Körperbautyp ), der sexuellen Reifezeichen sowie möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen, die zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus und Gebißbefundes , wobei die Anfertigung von Röntgenaufnahmen nicht zulässig ist. Radiologische Untersuchungsbefunde der Zähne oder des Handskeletts oder weitere radiologische Merkmale der individuellen Reifung dürfen aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten nur herangezogen werden, wenn identitätsgesicherte Aufnahmen mit bekanntem Entstehungszeitpunkt bereits vorliegen (Jung 2000, Schmeling et al. 2000b). Bildgebende Verfahren ohne ionisierende Strahlung wie Magnetresonanztomographieoder Ultraschall-Untersuchungen des Handskeletts und I oder der Schlüsselbeinepiphysenfugen können aus rechtlicher Sicht angewandt werden, soweit diese Verfahren ihre Zuverlässigkeit erwiesen haben und sie für diese Fragestellung evaluiert sind. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter weist in ihren Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auf diese wissenschaftlichen Standards hin. Frage 4: Wenn keine Ausweisdokumente vorlagen, wie häufig konnte jeweils in den Jahren 2014 und 2015 das Alter von UMA ohne ärztliche Untersuchung festgestellt bzw. eingeschätzt werden? Angaben zur Anzahl der Altersfeststellungen ohne ärztliche Untersuchung liegen der Staatsregierung nicht vor. Gemäß Artikel 50 SächsVerf ist die Staatsregierung verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser Informationspflicht entspricht das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten Seite 2 von 3 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ gegenüber der Staatsregierung nach Artikel 51 SächsVerf. Die Staatsregierung ist dem Landtag und den Abgeordneten nur für ihre Amtsführung im Sinne einer Rechenschafts - und Einstandspflicht für eigenes Handeln verantwortlich. Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die Vorgänge oder Umstände außerhalb ihres Verantwortungsbereichs betreffen (vgl. SachsAnhVerfG, Urteil vom 17. Januar 2000, NVwZ 2000, 671 ). Letzteres ist vorliegend der Fall, denn der Inhalt der Frage betrifft ausschließlich Sachverhalte , die von den Landkreisen und Kreisfreien Städten als Selbstverwaltungsaufgabe einzelfallbezogen umgesetzt und erfasst werden. Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen nur der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht Im Zuständigkeitsbereich der Rechtsaufsicht können die Staatsregierung bzw. die damit beauftragten Rechtsaufsichtsbehörden von ihrem Informationsrecht nach § 113 SächsGemO nur dann Gebrauch machen, wenn Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder erfolgte Rechtsverletzung im Einzelfall vorliegen (Rehak, in: Quecke/Schmid, SächsGemO, Rdn. 3 zu § 113 SächsGemO). Dazu trägt die Kleine Anfrage nichts vor. Frage 5: Wenn keine Ausweisdokumente vorlagen, wie häufig kam es jeweils in den Jahren 2014 und 2015 bei UMA zu einer ärztlichen Untersuchung? Ärztliche Untersuchungen zur Altersbestimmung wurden von sächsischen Jugendämtern nicht veranlasst. Mit freundlichen Grüßen Barbara Klepsch Seite 3 von 3 2016-04-15T12:23:03+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes