STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 33-0141.50/9825 Dresden, . Mai 2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/4833 Thema: Aussteigerprogramme in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Im Februar 2016 trat ein ehemaliger hochrangiger NPD-Funktionär und Führungsperson der so genannten Freien Kräfte in einer Schule im Landkreis Mittelsachsen als ,Aussteiger aus der rechten Szene' auf - dreizehn Monate nach seinem Austritt aus der NPD. Er war bei seinern Ausstieg von dem Projekt,ad acta' betreut worden." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Die Fragestellerin verwendet in der Kleinen Anfrage den Begriff "rechte Szene". Für die Beantwortung wird insoweit auf die Vorbemerkung Nummer Lin ?,er ^ ?t^rt der. sächsischen Staatsregierung auf die Große Anfrage Drs--Nr. 5/4956 verwiesen. Insofern richtet die Sächsische Staats reg je rung die Arbeit von Aussteigerprogrammen ausschließlich auf politische Anschauungen und Organisationen, die auf Beseitigung der fre'iheitlichen demokratischen Grundordnung selbst abzielen (Extremisten). Frage 1: Welche Aussteigerprogramme aus der rechten Szene gibt es in Sachsen und welche werden vom Freistaat Sachsen bzw. Landkreisen /Kreisfreien Städten und Kommunen finanziert? (bitte einzeln auflisten ) Frage 2: Welche Vereine oder Projekte, die den Ausstieg aus der rechten Szene fördern, werden vom Freistaat Sachsen bzw. Landkreisen/Kreisfreien Städten und Kommunen gefördert? (bitte einzeln auflisten) Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8. 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Das Aussteigerprogramm Sachsen ist ein Landesprogramm des Freistaates Sachsen, die Federführung liegt beim Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI). Es ist ein gemeinsames Projekt des Landespräventionsrates im Freistaat Sachsen (LPR Sachsen ) mit nichtstaatlichen Organisationen. Auf Grundlage der Richtlinie des SMI zur Förderung von Maßnahmen für das Landesprogramm zum begleiteten Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene (Förderrichtlinie Aussteigerprogramm - RL ÄPro) wurde das Programm im Jahr 201 1 gestartet. Für die Durchführung des Aussteigerprogramms Sachsen stellt das SMI jährlich Haushaltsmittel in Höhe von 260.000,^ 'zur Verfügung. Eine Förderung eines weiteren Aussteigerprogramms bzw. weiterer Aussteigerprogramme erfolgt aus Landes- und Bundesmitteln nicht. Über das Landesprogramm "Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz" werden verschiedene Maßnahmen der Sensibilisierung und Information im Themenspektrum gefördert, bspw. Veranstaltungen , in denen Aussteiger in Schulklassen berichten. Von einer weitergehenden Beantwortung wird abgesehen. Die Sächsische Staatsregierung ist dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich. Sie ist daher nur in so!- chen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Letzteres ist hier der Fall, denn die Frage betrifft ausschließlich Sachverhalte. die von den Kommunen als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen nur der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht. Im Zuständigkeitsbereich der Rechtsaufsicht können die Sächsische Staatsregierung bzw. die hierfür zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden vom lnformationsrecht~nach~§ 113 SächsGemO nur Gebrauch machen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder bereits erfolgte Rechtsverletzung vorliegen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Von einer Mitteilung der im Rahmen des Aussteigerprogramms Sachsen geförderten nichtstaatlichen Organisationen sieht die Sächsische Staatsregierung ab. Für die Beantwortung wird insoweit auf die Antwort der Sächsische Staatsregierüng auf die Kleine Anfrage JDrs. -Nr. 5/11413 sowie auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Frei- Staates Sachsen (Vf. 69-1-13) verwiesen. Die Sächsische Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informationsübermittlung möglich sind, die das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Sächsischen Staatsregierung befriedigen Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Sächsische Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden kann, wenn die Informationsübermittlung unterbleibt. Sowohl eine öffentliche als auch nichtöffentliche Benennung der Träger würde die erfolgreiche Arbeit des Aussteigerprogramms Sachsen gefährden, da die Träger und die A'ussteiger auf die zugesicherte Verschwiegenheit vertrauen. Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Für die Funktionsfähigkeit des Aussteigerprogramms Sachsen und somit als Funktionsschutz ist das Vertrauen potentieller Klienten in die Vertraulichkeit und Verschwiegenheit unabdingbar. Bei einer Mitteilung an die Fragestellerin etwa in nichtöffentlicher Sitzung wäre der beteiligte Personenkreis dennoch erheblich. Dies könnte den erfolgreichen Vollzug des Programms wesentlich beeinträchtigen oder gänzlich in Frage stellen . Das Kontroll- bzw. Informationsrecht des Parlaments darf wegen seiner Bedeutung für die parlamentarische Demokratie und für das Ansehen des Staates nur dann hinter dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen zurücktreten, wenn Informationen in Rede stehen , deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sind. Das ist vorliegend der Fall. Schutzwürdiges Interesse ist hier zum einen das Interesse an der Vertraulichkeit der Information, als Mitarbeiter einer nichtstaatlichen Organisation an dem Aussteigerprogramm beteiligt zu sein und in dessen Rahmen sozialpädagogische Leistungen zu erbringen. Es ist von Art. 33 SächsVerf geschützt. Hinter diesem Vertraulichkeitsinteresse steht vorliegend insbesondere auch das schwerwiegende Interesse an körperlicher Unversehrtheit der in den nichtstaatlichen Organisationen tätigen Personen und Klienten (Art. 16 Abs. 1 S. 1 SächsVerf). Zu konkreten Übergriffen wurde bereits in der Anb/vort der Sächsischen Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 5/11413 hinreichend ausgeführt. Die hieraus resultie"- rende Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Mitarbeiter und Aussteiger im Rahmen der Abwägung wiegt daher stärker als das Interesse der Fragestellerin an der vollständigen Beantwortung ihrer Frage. Obwohl keine Zweifel an der Verschwiegenheit der Fragestellerin aufgrund ihrer Person oder in ihrer Partei liegenden Umstä'nde bestehen, überwiegt das hohe Schutzgut gegenüber dem parlamentarischen Informationsanspruch , da die Mitarbeiter der nichtstaatlichen Organisationen auf diese Verschwiegenheit vertrauen. Die Mitteilung an die Fragestellerin mit entsprechendem Geheimhaltungsvermerk stellt daher ebenfalls kein geeignetes Mittel dar. Für die Fortführung des Aussteigerprogramms Sachsen ist die Anonymität und Verschwiegenheit über die beteiligten nichtstaatlichen Organisationen essentiell. Die Sensibilität der Informationen schließt somit die Weitergabe auch an einen beschränkten Kreis von Adressaten in nichtöffentlicher Form oder mit Geheimhaltungsvermerk aus. Frage 3: Welche Kriterien werden in den Programmen, Vereinen oder Projekten aus den Antworten zu 1 und 2 für einen authentischen Ausstieg angelegt? (bitte jeweils nach objektiven und subjektiven Kriterien aufschlüsseln) Ein erfolgreicher Ausstieg beim Aussteigerprogramm Sachsen bemisst sich an folgenden Kriterien: Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland . Distanzierung und Abkehr von extremistischen und demokratieablehnenden Szenen und Gruppen (deren Ideologien, Verhaltenskodex, Aktivitäten und Lifestyle ) . Anstreben einer gewalt- und deliktfreien Lebensführung . soziale Stabilisierung und Entwicklung einer Zukunftsperspektive Seite 3 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSE1N Zusätzlich fließen Veränderungen im Einstellungssyndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in die Beurteilung eines Ausstiegserfolges ein. Eine Aufschlüsselung nach objektiven und subjektiven Kriterien kann nicht durchgehend trennscharf erfolgen. Objektive Aspekte sind klar in Gesprächen sowie anhand konkreter Fakten beobachtbar. Subjektive Aspekte sind jedoch beigemengt; vieles befindet sich auf der Ebene von Einstellungen, Wertungen und prinzipiell variablen Verhältnissen. Frage 4: Welche Auffassung vertritt die Staatsregierung hinsichtlich einer Frist, nach der ein Auftritt in Oberschulen durch Aussteiger aus der rechten Szene sinnvoll ist? Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Zur Abgabe einer Bewertung ist die Sächsisehe Staatsregierung nicht verpflichtet. Für das Aussteigerprogramm Sachsen des Freistaates sind jedoch konzeptionell keine Auftritte von Aussteigern im Rahmen von schulischen Bildungs- und Präv'entionsangeboten vorgesehen oder in Planung, da eine nachhaltige pädagogische Wirkung, insbesondere eine präventive "Immunisierung" junger Menschen, "nicht ersichtlich bzw. nachgewiesenjst und die Etablierung von "hauptamtlichen Aussteigern" im Sinne eines erfolgreichen Beratungsprozesses als nicht zielführend angesehen wird. Eine Einbin"- düng in die Arbeit des Aussteigerprogramms Sachsen (z. B. in pädagogischen Weiterbildungsangeboten sowie hinsichtlich medialer Kommunikation") erfolgt'ausschließlich im Falle eines gelungenen und nachhaltigen Ausstiegs nach den Kriterien der Frage~3 und bedarf darüber hinaus einer intensiven Vorbereitung sowie Begleitung durch die Mitarbeiter/-innen des Programms. Frage 5: Besteht eine Frist, nach der ehemalige Mitglieder der NPD durch den Verfassungsschutz weiter beobachtet werden; wenn Ja: wie lange dauert diese an? , D^SJLand^saJrllfLlr. verfassun9sschutz Sachsen beobachtet Bestrebungen und Tätig- ^ei!f1,naf ^ 2 Abs;, 1sachsisches verfassun9sschutz9esetz- Liegen für derartige Besjrebu/igen und Tätigkeiten keine tatsächlichen Anhaltspunkte mehr vor, wird die Beqjbac^tung eingestellt. Mit|frei|ndlichen Grüßen Markus Ulbig^ Seite 4 von 4 2016-05-06T08:55:56+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes