STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Horst Wehner, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/5483 Thema: Stand der Umsetzung des Rechts auf persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "ln der UN- Behindertenrechtskonvention werden in Art. 3 (Allgemeine Grundsätze) Selbstbestimmung und Nichtdiskriminierung hervorgehoben. ln Art. 19 verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, dass Menschen mit Behinderungen Zugang "zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten , einschließlich der persönlichen Assistenz" haben." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Auf eine Abfrage bei den Landkreisen und Kreisfreien Städten als örtliche Träger der Sozialhilfe und als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie bei den anderen, der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterliegenden Rehabilitationsträgern wurde verzichtet. Gemäß Artikel 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser Informationspflicht entspricht das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Staatsregierung nach Artikel 51 SächsVerf. Die Staatsregierung ist dem Landtag und den Abgeordneten nur für ihre Amtsführung im Sinne einer Rechenschaftsund Einstandspflicht für eigenes Handeln verantwortlich. Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die Vorgänge oder Umstände außerhalb ihres Verantwortungsbereichs betreffen (vgl. SachsAnhVerfG, Urteil vom 17. Januar 2000, NVwZ 2000, 671 ). Letzteres ist vorliegend der Fall, denn die Frage betrifft ausschließlich Sachverhalte , die von den genannten Rehabilitationsträgern als Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen werden. Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen nur der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht Im Zuständigkeits- Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 43-0141 .51 -16/553 Dresden, ;1( · Juli 2016 Hausanschrift Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 0 01097 Dresden www.sms.sachsen.de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ bereich der Rechtsaufsicht können die Staatsregierung bzw. die damit beauftragten Rechtsaufsichtsbehörden vom Informationsrecht nach § 113 SächsGemO nur dann Gebrauch machen, wenn Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder erfolgte Rechtsverletzung im Einzelfall vorliegen (Rehak, in: Quecke/Schmid, SächsGemO, Rdn. 3 zu § 113 SächsGemO). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn mit der Anfrage werden nur statistische Angaben abgefragt. Eine Abfrage erfolgte daher nur beim Kommunalen Sozialverband (KSV) Sachsen, weil er in seiner Funktion als Integrationsamt und auf dem Gebiet des Sozialen Entschädigungsrechts der Fachaufsicht des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz unterliegt. Frage 1: Wie viele Menschen mit Behinderung erhalten eine persönliche Assistenz im Freistaat Sachsen (bitte seit den Jahren 2010 ff.)? Der Begriff der "Persönlichen Assistenz" ist weder im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) noch im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) näher definiert. Die Angaben zum Sozialhilferecht richten sich nach dem allgemeinen Begriffsverständnis bzw. nach der mutmaßlichen Absicht des Fragestellers (vgl. Frage 5). Von daher wurden Menschen mit Behinderung in stationären Einrichtungen nicht berücksichtigt. Hingegen wurden die Fälle im ambulant betreuten Wohnen (abW) nach§ 53 SGB XII einbezogen . Hier lebt der Mensch mit Behinderung in seiner eigenen Wohnung und sucht sich seinen ambulanten DiensUTräger abW sowie bei pflegerischem Bedarf auch seinen Pflegedienst selbst aus (Dienstleistungsmodell) und erhält ggf. ergänzende Leistungen für seine sonstigen Bedarfe. Die Angaben des Integrationsamtes beziehen sich ausschließlich auf Arbeitsassistenzleistungen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX, für die das Integrationsamt zuständig ist. Damit gemeint sind über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützungen von schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung in Form einer von ihnen beauftragten Assistenzkraft im Rahmen der Erhaltung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. )o> Angaben des Fachbereiches Sozialhilferecht: Die Fallzahlen umfassen insbesondere Menschen mit Behinderungen im ambulant betreuten Wohnen nach § 53 SGB XII und in Gastfamilien sowie Fälle mit einem Persönlichen Budget. Bei Bedarf werden in diesen Fällen gleichzeitig ergänzende Pflegeleistungen , Leistungen für Freizeitassistenz oder Mobilität bzw. bei behinderten Eltern ggf. auch Elternassistenz gewährt. Jahr Fallzahl 2010 4.081 2011 4.387 2012 4.859 2013 5.241 2014 5.687 2015 5.912 Seite 2 von 5 Freistaat SACHSEN ~ Angaben des lntegrationsamtes: STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Jahr Menschen mit Behinderung, die Arbeits- davon in Integrationspro- 2010 2011 2012 2013 2014 2015 assistenzleistungen erhalten haben 169 152 167 210 203 261 (Quelle: BIH-Statistik) ~ Angaben des Fachbereichs Soziales Entschädigungsrecht: jekten 1 1 1 4 4 4 Eine statistische Erfassung der Inanspruchnahme von persönlichen Assistenzleistungen für Leistungsberechtigte des Sozialen Entschädigungsrechts erfolgt weder durch den Träger der Kriegsopferversorgung (KOV) noch durch den Träger der Kriegsopferfürsorge (KOF). Eine Auszählung der Fälle der KOF für das Jahr 2015 ergab insgesamt 99 Fälle, in denen Leistungen der persönlichen Assistenz bewilligt wurden, davon 25 Fälle der Begleitung für einmalige Tagesveranstaltungen der Altenhilfe. Frage 2: Auf welcher rechtlichen Grundlage wird die persönliche Assistenz gewährt für die Unterstützungsleistungen • im pflegerischen Bereich, • zum Schulbesuch, • im Erwerbsleben, • im Haushalt, • im Urlaub, • zur Mobilität, • zur Kommunikation, • bei der Erziehung eigener oder angenommener Kinder? Rechtsgrundlage für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe, die auch die persönliche Assistenz umfassen, ist nach § 7 SGB IX das SGB IX in Verbindung mit dem für den jeweils zuständigen Rehabilitations- oder Leistungsträger geltenden Leistungsgesetz . Rechtsgrundlage für die Arbeitsassistenz (im Erwerbsleben) ist § 102 Abs. 4 SGB IX in Verbindung mit der Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung. Im pflegerischen Bereich sowie im Haushalt kommen Assistenzleistungen auf der Grundlage des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie als Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Betracht. Im Übrigen ist - wie bereits in der Antwort auf Frage 1 dargestellt - die persönliche Assistenz gesetzlich nicht näher geregelt. Soweit nicht die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers nach dem Sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung eröffnet ist, werden Leistungen der persönlichen Assistenz zum Schulbesuch, im Haushalt, im Urlaub, zur Mobilität, zur Kommunikation (hier Seite 3 von 5 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ in Verbindung mit § 57 SGB IX) sowie bei der Erziehung eigener oder angenommener Kinder als Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII erbracht. Bei einer Assistenz zum Schulbesuch für Schülerinnen und Schülern mit einer seelischen Behinderung ist§ 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) die Rechtsgrundlage. Speziell im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts gelten folgende Rechsgrundlagen: KOV: Werden wegen Hilflosigkeit Pflegetätigkeiten von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages (Arbeitgebermodell) oder aufgrund eines Dienstleistungsvertrages mit einem ambulanten Pflegedient geleistet, können die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten in gewissem Umfang übernommen werden. Eine Kostenübernahme für eine persönliche Assistenz erfolgt bei anerkannter Pflegebedürftigkeit nach § 35 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) dauerhaft oder auch nur vorübergehend . KOF: Eine dauerhafte oder auch nur vorübergehende persönliche Assistenz kann gewährt werden: im pflegerischen Bereich als Hilfe zur Pflege gemäß § 26c BVG zum Schulbesuch im Rahmen der§§ 26, 27, 27a oder 27d BVG im Erwerbsleben als Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 26 BVG im Haushalt als Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes nach § 26d BVG oder als Altenhilfe gemäß § 26e BVG oder als ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a BVG im Urlaub als Erholungsbeihilfe gemäß § 27b BVG zur Mobilität als Eingliederungshilfe gemäß § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG zur Kommunikation als Eingliederungshilfe gemäß § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG bei der Erziehung eigener oder angenommener Kinder (Der Bereich Erziehung ist sehr komplex und kann verschiedene rechtliche Grundlagen betreffen. So können diesbezüglich unterstützende Leistungen im Rahmen der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a BVG, der Erziehungshilfe nach § 27 BVG oder auch als Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäߧ 27d BVG erbracht werden.). Frage 3: Wo bzw. bei welcher Institution sind die entsprechenden Anträge auf Gewährung der persönlichen Assistenz zu stellen? Der Antrag auf Gewährung persönlicher Assistenz ist beim jeweils zuständigen Rehabilitations - oder Leistungsträger zu stellen. Frage 4: Wer erstellt die Bescheide über die Gewährung des Assistenzbedarfs, wie viele Bescheidungen erfolgten in den Jahren 2010 ff., wie viele wurden abgelehnt und wie viele Widersprüche und Klagen von Antragstellern gingen diesbezüglich bei den zuständigen Gerichten ein? Den Bescheid über die Gewährung persönlicher Assistenz erstellt der jeweils zuständige Rehabilitations- oder Leistungsträger. Eine statistische Erfassung der Ablehnungen, Seite 4 von 5 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ Widerspruchs- und Klageverfahren für die spezielle Leistung der persönlichen Assistenz erfolgt beim KSV Sachsen in keinem der drei Leistungsbereiche. Frage 5: Welche Verbreitung haben die beiden Assistenzmodelle im Freistaat Sachsen gefunden {das "Dienstleistungsmodell" nachdem die betroffene Person ihre gewünschte Assistenzleistung über einen Ambulanten Dienst/ Assistenzdienst oder Pflegedienst in Anspruch nimmt; das "Arbeitgebermodell" nachdem die Assistenzpersonen dort angestellt sind)? Zurzeit gibt es im Bereich der Sozialhilfe beim KSV Sachsen keinen Fall im "Arbeitgebermodell ". Vom Integrationsamt erfolgt die Erfassung nur nach dem ausgereichten Budget ohne Differenzierung, ob Arbeitgeber- oder DienstleistungsmodelL Mit freundlichen Grüßen ~ara~s Seite 5 von 5 Freistaat SACHSEN 2016-07-19T13:01:38+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes