STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Postfach 10 03 29 I 01073 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon: 0351 564-8001 Telefax: 0351 564-8024 Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/5582 Thema: Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Standards Beschaffungs- und Vergabeverfahren im Freistaat Sachsen Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 13-1053/51/5 Dresden, 2 6. Juli 2016 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwiefern finden die Kernarbeitsnormen (KAN) 87, 98, 29, 105, 100, 111, 138 und 182 der ILO Beachtung und Umsetzung in der Beschaffung und den Vergabeverfahren im Freistaat Sachsen? Inwiefern gibt es bindende Verpflichtungen? Wie und durch wen erfolgt die Kontrolle der Umsetzung? Zertifikat seit 2006 audlt bcrufundfamilic Frage 2: Finden die KAN (siehe Frage 1) der ILO bei der Beschaffung von sensiblen Waren wie IT oder Textilien, wie beispielsweise Polizeiuniformen und anderer Arbeitsbekleidung oder auch bei der Beauftragung von Catering hinsichtlich Kaffee, Tee, Zucker, Orangensaft etc. Berücksichtigung? Wenn ja, welche der KAN und an welchen Stellen, wenn nein, warum finden sie keine Beachtung? Zusammenfassende Antwort zu den Fragen 1 und 2: Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind Sozialstandards, die menschenwürdige Arbeitsbedingungen und einen hin¬ reichenden Schutz gewährleisten sollen. Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Wilhelm-Buck-Straße 2 01097 Dresden Außenstellen: Hoyerswerdaer Straße 1 01099 Dresden Glacisstraße 4 01099 Dresden Die in Frage 1 angesprochenen Kernarbeitsnormen sind von der Bundesre¬ publik Deutschland ratifiziert worden. In dem Umfang, in dem sie in Bundes¬ recht transformiert worden sind, sind sie innerstaatlich verbindlich und gelten damit auch für die Behörden im Freistaat Sachsen. Seite 1 von 3 www.smwa.sachsen.de Verkehrsanbindung; Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3. 7,8 Hallestelle Carolaplatz Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente. STAATSMIN1STER11IM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat SACHSEN Die ILO-Kernarbeitsnormen finden in den Vergabeverfahren der staatlichen Einrichtun¬ gen nur selten Anwendung. Dies liegt zunächst darin begründet, dass die Anwendung der ILO-Kernarbeitsnormen nicht für alle Beschaffungen, sondern nur bei Waren bzw. Warengruppen in Betracht kommt, bei denen bekannt ist, dass es bei deren Gewinnung oder Herstellung im Ein¬ zelfall zur Missachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gekommen ist. Dies gilt etwa für die Beschaffung von Bekleidung (z. B. Arbeitskleidung, Uniformen usw.), Stoffen und Tex¬ tilwaren, Naturkautschuk-Produkten (z. B. EinmaL/Arbeitshandschuhe, Reifen, Gummi¬ bänder), landwirtschaftlichen Produkten (z. B. Kaffee, Kakao, Orangen- und Tomaten¬ saft), Holz- und Holzprodukten, Lederwaren, Sportartikel (z. B. Bälle) sowie Natur¬ steinen, soweit diese aus Afrika, Asien oder Lateinamerika stammen. In Einzelfällen wird von den staatlichen Stellen bei der Beschaffung von Arbeitsschutz¬ kleidung, technischen Textilien sowie Natursteinen eine Erklärung des Bieters gefor¬ dert, dass bei der Herstellung der gelieferten Produkte die ILO-Kernarbeitsnormen erfüllt wurden. Der Bieter kann dem Angebot ein Zertifikat bzw. eine Bescheinigung zum Nachweis der Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen bei der Herstellung des zu liefernden Produktes beilegen - soweit es ein/e solche/s gibt. Alternativ muss der Bie¬ ter bestätigen, dass es für die angebotene Leistung kein Zertifikat bzw. keine inhaltlich entsprechende Bescheinigung unabhängiger Dritter gibt, und zusichern, dass die Her¬ stellung bzw. die Bearbeitung der zu liefernden Produkte ohne Verstoß gegen die ILO- Kernarbeitsnormen erfolgt ist. Hierauf muss sich die Vergabestelle verlassen, da eine eigene Kontrolle der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen über die gesamte Produk¬ tionskette - und damit auch vor Ort - schon aus rein praktischen Gründen nicht mög¬ lich ist. Soweit Waren, insbesondere Getränke und Zucker, im Wege des Direktkaufs (unter 500 Euro ohne Umsatzsteuer, § 3 Abs. 6 Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A)) beschafft werden, ist eine Überprüfung der gesamten Produktionsket¬ te der im Einzelhandel angebotenen Produkte darauf, ob in allen Stufen der Produktion die Kernarbeitsnormen der ILO beachtet wurden, unter Berücksichtigung der haushalts¬ rechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht möglich. Die Vergabestellen im Freistaat Sachsen sind mangels gesetzlicher Regelung auch nicht verpflichtet, zu prüfen, ob die zu beschaffenden Gegenstände zu den eingangs beschriebenen Waren- bzw. Warengruppen gehören und ob diese aus den bestimmten Herkunftsregionen stammen könnten. Weder das Sächsische Vergabegesetz (SächsVergabeG), das für Beschaffungen mit einem Auftragswert unterhalb der EU-Schwellenwerte gilt, noch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Vergabeverordnung (VgV), die für Be¬ schaffungen mit einem Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte gelten, enthalten für Vergabestellen die verpflichtende Vorgabe, von den Bietern Nachweise zu verlan¬ gen, dass sie den Auftrag ausschließlich mit Waren ausführen, die nachweislich oder gemäß einer entsprechenden Zusicherung unter Beachtung der ILO-Kernarbeits¬ normen gewonnen oder hergestellt worden sind. Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Freistaat SACHSEIN Darüber hinaus werden Sozialstandards bei Beschaffungen der staatlichen Vergabe¬ stellen insoweit berücksichtigt, dass von Bewerbern und Bietern Eigenerklärungen ge¬ fordert werden, dass sie die Vorgaben des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) einhalten. Auch sieht § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB (neue Fassung) für Vergaben, deren Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte liegt, einen fakultativen Ausschlussgrund vor, wenn ein Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umweit-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat. Dass dieser Aus¬ schlussgrund nicht vorliegt, ist vom Bewerber oder Bieter durch eine Eigenerklärung zu belegen (§ 48 Abs. 1 und 2 VgV). Frage 3: Sind die ILO KAN (siehe Frage 1) relevant für die im Koalitionsvertrag angekündigte Modernisierung im Vergaberecht unter Einbeziehung so¬ zialer und ökologischer Standards, inwieweit und wo wird dies festge¬ halten? Wenn nein, warum nicht? Frage 4: Welche rechtliche Verankerung welcher Normen und Standards plant die Staatsregierung konkret in Bezug zur Modernisierung des Vergabe¬ rechtes unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Gesichts¬ punkte um Transparenz und Selbstüberprüfung zu ermöglichen? Zusammenfassende Antwort zu den Fragen 3 und 4: Die Staatsregierung prüft derzeit, welche Maßnahmen ergriffen werden können und sollen, um die Vorgaben des Koalitionsvertrages zu erfüllen. Frage 5: In welcher Art und Weise nimmt die Staatsregierung ihre Vorbildfunkti¬ on für eine faire ökologisch und sozial verantwortliche Beschaffung in Sachsen ein? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage Drs. 6/5192 verwiesen. Mit freundlichen Grüßen Seite 3 von 3 2016-07-26T14:27:18+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes