STAATSM1N1STER11JM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA kg"... Freistaat HP SACH SEM Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E-LR-2826/14 Dresden, November 2014 Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/56 Thema: Einstellung von Verfahren, welche auf der Grundlage des § 129 StGB geführt wurden („Antifa-Sportgruppe“) Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die Leipziger Volkszeitung (LVZ) informierte in ihrer Ausgabe vom 22. September 2014, dass die Ermittlungen gegen 25 Beschuldigte, geführt im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens nach § 129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung), Az.: 204 Js 22971/10, eingestellt worden sind. Den Beschuldigten wurde vorgeworfen, Teil einer „Antifa-Sportgruppe“ gewesen zu sein. Die Ergebnisse der über 4 Jahre geführten Ermittlungen reichten offensichtlich substantiell nicht aus, um Anklage erheben zu können. Oberstaatsanwalt Lorenz Haase äußerte sich nichts desto trotz gegenüber der LVZ: „Diese Gruppe, die hierarchisch organisiert war, gab es.““ Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Europa Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden Namens und in Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: www.iustiz.sachsen.de/smi Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8,11 Frage 1 l Parken und behindertengerechter Zugang über Zu welchen Zeitpunkten erfolgten in dem nach § 129 StGB eingeleiteten Einfahrt Hospitalstraße 7 Ermittlungsverfahren, gemeinhin in der LVZ Verfahren gegen eine sögemente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter wmmmM Seite 1 von 6 STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA nannte „Antifa-Sportgruppe“ genannt, Abtrennungen von Verfahren, Einstellungen bezüglich einzelner oder mehrerer Beschuldigter sowie des Verfahrens an sich und wann fanden im Zuge des Verfahrens die letzten strafprozessualen Maßnahmen statt, bevor dies eingestellt wurde? (Bitte Einstellungen sowie Abtrennungen nach Datum geordnet) Auf die zusammenfassende Antwort der Staatsregierung auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr.: 6/3 wird verwiesen. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Dresden gegen die sogenannte „Antifa-Sportgruppe“, Az. 204 Js 22971/10, wurde am 19. Mai, 19. August, 28. August, 2. September und 3. September 2014 gegen jeweils einen Beschuldigen eingestellt. Am 1. September 2014 wurde das Verfahren hinsichtlich 15 Beschuldigter und am 10. September 2014 hinsichtlich weiterer fünf Beschuldigter eingestellt. Gegen die 20 Personen, die bei einer Durchsuchung am 19. Februar 2011 auf dem Grundstück Großenhainer Straße 93 angetroffen und zunächst verdächtigt worden waren, zumindest an diesem Tag an Tathandlungen der kriminellen Vereinigung beteiligt gewesen zu sein, erfolgte die Verfahrensabtrennung unter dem Az. 204 Js 20317/11, bei 19 Personen am 2. Mai 2011. Gegen einen weiteren Beschuldigten wurde das Verfahren am 11. Mai 2012 abgetrennt. Das Ermittlungsverfahren wurde hinsichtlich aller 20 Beschuldigter am 4. Juli 2012 eingestellt. Die letzte strafprozessuale Maßnahme wurde im Verfahren, Az. 204 Js 22971/10, beim Amtsgericht Dresden am 7. November 2012 beantragt. Frage 2: Wie viele Beamtinnen und Beamte aus welchen sächsischen Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften waren über welche Zeiträume und in wieviel Dienststunden mit der Bearbeitung des oben genannten Ermittlungsverfahrens befasst und inwieweit wurden im Rahmen des genannten Ermittlungsverfahrens welche Behörden und Polizeidienststellen anderer Bundesländer und des Bundes im Rahmen der Amtshilfe angefragt und tätig? Freistaat SACHSEN Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA Freistaat SACHSEN Mit der Führung der Ermittlungsverfahren, Az. 204 Js 22971/10 und 204 Js 20317/11, war ein Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Dresden betraut. Die polizeiliche Ermittlungen wurden bis September 2014 durch das Landeskriminalamt Sachsen und ab Januar 2013 auch durch das Operative Abwehrzentrum der Polizeidirektion Leipzig geführt. Die Frage nach der Anzahl dafür eingesetzter Polizeibeamter sowie die Zahl der Dienststunden kann nicht beantwortet werden. Es ist nicht mehr feststellbar, welcher der eingesetzten Polizeibeamten im Einzelnen wann und zu welchen Anteilen an den Ermittlungen beteiligt war. Ebenso kann nicht angegeben werden kann, wie viele Dienststunden der sachbearbeitende Staatsanwalt mit der Bearbeitung der beiden genannten Verfahren befasst war. Die Arbeitszeit, die ein Staatsanwalt bzw. Polizeibeamter mit der Bearbeitung eines einzelnen Ermittlungsverfahrens aufwendet, wird weder elektronisch noch manuell erfasst. Auch eine Schätzung ist mangels zureichender Anknüpfungstatsachen nicht möglich. Ein standardisierter Informationsaustausch in Staatsschutzsachen mit den polizeilichen Staatsschutzdienststellen der Länder und des Bundes wurde auch in diesem Verfahren durchgeführt. Darüber hinaus erfolgten regelmäßig Abfragen bei Einwohnermeldeämtern im gesamten Bundesgebiet. Im Weiteren kann die Frage nicht beantwortet werden. Einer Beantwortung stehen überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegen. Mit konkreten Auskünften dazu, welche Behörden und Polizeidienststellen anderer Bundesländer und des Bundes im Rahmen der Amtshilfe angefragt und tätig geworden sind, würde die Staatsregierung polizeiliche Vorgehensweisen im Bereich dieser konkreten polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen offenlegen oder Rückschlüsse darauf ermöglichen und damit die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Polizei gefährden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass noch Verfahren im Sachzusammenhang geführt werden, die durch die Beauskunftung gefährdet werden könnten. Seite 3 von 6 STAATSM1NISTER1UM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA Eine Veröffentlichung dieser sensiblen Informationen würde sich auf die staatliche Aufgabenwahrnehmung im Gefahrenabwehrbereich wie auch auf die Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs außerordentlich nachteilig auswirken. Kriminellen würde dies ermöglichen, die polizeitaktischen Optionen dieser Ermittlungsmaßnahmen einzuschätzen und ihre kriminellen Strategien und Taktiken hieran auszurichten. Hierdurch würden die polizeilichen Möglichkeiten bei Ermittlungsmaßnahmen und damit zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalitätsbereiche erheblich eingeschränkt oder sogar neutralisiert werden. Entsprechende Gefahren und Straftaten könnten dann nicht mehr wirkungsvoll abgewehrt bzw. verhütet oder verfolgt werden. Das Interesse der Staatsregierung am Schutz der dargestellten Rechtsgüter war mit dem Informationsinteresse der Abgeordneten abzuwägen. Die Abwägung ergab, dass dem schützenswerten Interesse an einer wirksamen Kriminalitätsbekämpfung Vorrang vor dem Informationsanspruch der Abgeordneten zukommt. Die Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informationsübermittlung möglich sind, die das Informationsinteresse der Abgeordneten unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Staatsregierung zufrieden stellen. Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden können, wenn die Informationsübermittlung unterbleibt. Frage 3: Welche Kosten haben die geführten Ermittlungen gegen die sogenannte „Antifa-Sportgruppe“ bis zur Einstellung des Verfahrens verursacht? Die Gesamtkosten, die durch die Ermittlungen gegen die sogenannte „Antifa-Sportgruppe“ bis zur Einstellung des Verfahrens verursacht wurden, können nicht angegeben werden, da bereits statistisch und elektronisch nicht erfasst wird, welche konkrete Arbeitszeit durch die Beamten der Staatsanwaltschaft Dresden und der sächsischen Polizei für die Ermittlungen aufgewendet wurden. Für einzelne Ermittlungshandlungen wurden von der Staatsanwaltschaft Dresden nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) 49.584,- Euro verauslagt. Freistaat SACHSEN Seite 4 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA Frage 4: Welche Informationen und tatsächlichen Anhaltspunkte liegen der Staatsregierung, unabhängig oder trotz der ausbleibenden gerichtlichen Wertung über die faktische Existenz der sogenannten „Antifa-Sportgruppe“ als angenommene kriminelle Vereinigung vor? Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Dresden, ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung einzuleiten, beruht auf den vom Landeskriminalamt Sachsen gesammelten Erkenntnissen: Durch Auswertung einzelner Sachverhalte zu Straftaten ab 2009 war festgestellt worden, dass es in Dresden vermehrt zu schweren gewalttätigen Übergriffen offensichtlich antifaschistisch-linksorientierter Tätergruppen auf politisch Andersdenkende des rechten Spektrums kam. Unter den ausgewerteten Straftaten befanden sich Körperverletzungsdelikte, Landfriedensbrüche und Sachbeschädigungen. Unter anderem wurden am 18. Oktober 2009 in Dresden zwei bekannte Rechtsextremisten aus einer Gruppe von 15 bis 20 Angreifern heraus angegriffen und mit Faustschlägen sowie Fußtritten verletzt. Einem auf dem Boden liegenden Geschädigten wurde mehrfach brutal auf den Kopf getreten. Dieser trug eine Schädelfraktur mit einer Blutansammlung im Schädelinneren davon, infolge dessen ein stationärer Krankenhausaufenthalt notwendig war. Allen ausgewerteten Taten war gemeinsam, dass sie gegen politisch rechte Personen gerichtet waren. Die Angriffe erfolgten ansatzlos, gezielt und zum Teil äußerst gewalttätig. Die Täter waren in den meisten Fällen mit Sturmhauben vermummt und dunkel gekleidet. Die einzelnen Körperverletzungen erfolgten unter gegenseitiger Absicherung mit einem hohen Maß an körperlicher Fitness und Kampferfahrung. Eine Kommunikation während der Tathandlungen fand nicht oder nur mittels Handzeichen statt. Aufgrund der Übereinstimmungen sowohl in der Begehungsweise als auch hinsichtlich der Täter-und Opferstruktur war ein Anfangsverdacht wegen Bildung krimineller Vereinigungen gegeben. Der Anfangsverdacht bezüglich des Bestehens einer kriminellen Vereinigung wurde durch die nachfolgend durchgeführten staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungen erhärtet. Im Rahmen der Ermittlungen wurde die Vereinigung unter dem Namen „Sportgruppe Antifa“ bzw. „Antifa-Sportgruppe“, ein Beziehungsgeflecht zwischen den als Mitgliedern ermittelten Personen sowie Treffpunkte und Trainingsort der Freistaat SACH SEIM Seite 5 von 6 STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA Vereinigung bekannt gemacht. Es wurden Erkenntnisse über Treffen, gemeinsame Aktivitäten sowie geplante und spontane Aktionen der Personen der Vereinigung gewonnen. Durch die Ermittlungsmaßnahmen erwies sich auch, dass es im Vorfeld von geplanten Maßnahmen gegen rechte Demonstrationen zu Absprachen kam. Festzustellen war außerdem eine bewusste Abschottung der Mitglieder nach außen. So vermieden es die Mitglieder der Vereinigung, am Telefon Absprachen zu treffen, sondern wählten - verschlüsselte - Chatrooms zur Kommunikation. Seit der offenen Führung des Ermittlungsverfahrens konnte in den Jahren 2012 bis 2014 eine solche gruppenbezogene politisch-motivierte Gewaltkriminalität in Dresden nicht mehr beobachtet werden. Frage 5: Wie viele Ermittlungsverfahren nach §§ 129 und 129a StGB sind in Sachsen nach Abschluss des oben genannten Ermittlungsverfahrens („Antifa-Sportgruppe“) gegen angenommene als „linksextremistisch“ zu bezeichnende Gruppierungen, Handlungen bzw. Straftatbestände derzeit noch anhängig und handelt es sich dabei auch unter anderem um abgetrennte Verfahren aus dem nunmehr eingestellten Verfahren gegen die angebliche „Antifa-Sportgruppe“? Derzeit sind in Sachsen zwei Verfahren nach § 129 StGB - Bildung einer kriminellen Vereinigung - anhängig. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr.: 6/2 wird verwiesen. Beide Verfahren wurden nicht aus dem Ermittlungsverfahren „Antifa-Sportgruppe“ abgetrennt. Verfahren nach § 129a StGB - Bildung einer terroristischen Vereinigung - sind momentan in Sachsen nicht anhängig. Mit freundlichen Grüßen Freistaat SACHSEN Seite 6 von 6